Interview mit Kampfmittelräumer Sven Rasehorn

Bombenentschärfung bei der BASF: "Man muss ruhig bleiben"

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Sven Rasehorn hat einen nervenaufreibenden Job. Beim Kampfmittelräumdienst Rheinland-Pfalz entschärft er Bomben, so auch am Samstag die Weltkriegsbombe auf dem BASF-Gelände. Worauf kommte es dabei an?

Sven Rasehorn (ganz links) und sein Team vom Kampfmittelräumdienst Rheinland-Pfalz (Foto: privat / Sven Rasehorn)
Sven Rasehorn (ganz links) und sein Team vom Kampfmittelräumdienst Rheinland-Pfalz privat / Sven Rasehorn

SWR Aktuell: Herr Rasehorn, Sie sind Bombenentschärfer. Sind Sie besonders mutig?

Sven Rasehorn: Das ist mein Job. Man muss einfach wissen was man vor sich liegen hat und wie es funktioniert.

SWR Aktuell: Sie entschärfen mit Ihrem Team am Samstag eine 250-Kilo-Fliegerbombe bei der BASF. Ist das ein eher schwieriger Fall für Sie? Sie entschärfen die Bombe ja auch noch unter einem riesengroßen Sandhügel.

Rasehorn: Das ist auch für mich eine Premiere, denn ich bin ja neu beim Kampfmittelräumdienst in Rheinland-Pfalz! Ich bin sehr gespannt. Sie können ja mal die Kampfmittelräumer in ganz Deutschland fragen: Diese Sandpyramide kennt jeder, aber gesehen hat sie noch keiner - außer meinen Kollegen hier in Rheinland-Pfalz. Das gibt’s wirklich nur in Ludwigshafen bei der BASF. Ich bin also gespannt.

Ludwigshafen

Fliegerbombe auf Werksgelände Bombe auf BASF-Gelände erfolgreich entschärft

Die Weltkriegsbombe, die Ende Juli auf dem BASF-Gelände in Ludwigshafen gefunden wurde, ist am Samstag entschärft worden. Dazu war eine riesige Pyramide aus Sand errichtet worden.

SWR Aktuell: Also diese Entschärfung wird eine Premiere für Sie – mit welchem Gefühl gehen Sie dahin?

Rasehorn: Wie bei jeder anderen Bombenentschärfung auch. Mein Job ist ja der gleiche. Es ist nur das Drumherum, das ein bisschen anders ist. Wie es dann wirklich ist, das werde ich ja am Samstag sehen (lacht).

SWR Aktuell: In welchem Zustand ist der Zünder der britischen Fliegerbombe?

Rasehorn: Sagen wir mal so: Für die vielen Jahre, die die Bombe unter der Erde lag, ist der Zünder in einem normalen Zustand.

SWR Aktuell: Das heißt, Sie haben die Bombe schon gesehen?

Rasehorn: Nein, aber ich habe mit den Kollegen gesprochen, die vor Ort waren. Da sollte es keine Probleme bei der Entschärfung geben.

SWR Aktuell: Sie haben ja einen ziemlich gefährlichen Job. Wie schlafen Sie denn in der Nacht vor so einer Entschärfung?

Rasehorn: Ganz normal. Wenn ich das nicht könnte, dann hätte ich den falschen Job!

SWR Aktuell: Das heißt, Sie frühstücken vor der Arbeit auch ganz normal und die Entschärfung schlägt Ihnen nicht auf den Magen?

Rasehorn: Ja, genau.

SWR Aktuell: Was ist für Sie das Faszinierende an Ihrer Arbeit mit Bomben?

Rasehorn: Es ist halt was, das nicht jeder macht. Das ist was Besonderes. Man muss eine Affinität dazu haben. Es muss einem liegen.

SWR Aktuell: Es muss einem liegen, sagen Sie. Wie war das denn bei Ihrer allerersten Bombe?

Rasehorn: Da ist man nervös! Da war ich wirklich nervös!(lacht). Aber es legt sich. Ich mache das ja schon seit über zehn Jahren! Man geht mit genug Respekt ran, macht seine Arbeit und wenn es erledigt ist, dann freut man sich und hat ein gutes Gefühl.

SWR Aktuell: Was genau machen Sie mit den Zündern?

Rasehorn: Der Zünder von der Bombe wird mit Spezialwerkzeug entfernt, also entschärft und dann mit der Bombe auf die Dienststelle gebracht und bis zur thermischen Vernichtung in Bunkern zwischengelagert.

Trier Durch Hochwasser: Fast 350 Kilogramm Munition aus zweiten Weltkrieg freigespült

Durch das Hochwasser Mitte Juli sind nach Angaben der Aufsichts- und Dienstleistungensdirektion ADD Trier in Rheinland-Pfalz etwa 350 Kilogramm Munition aus dem Zweiten Weltkrieg freigespült worden. Der Behörde zufolge handelt es sich dabei vor allem um Patronen, Granaten, Pyrotechnik sowie eine Bombe ohne Explosivstoffe. In der Region Trier habe es im vergangenen Monat insgesamt 13 Funde gegeben, – elf davon im Eifelkreis Bitburg-Prüm. Der Kampfmittelräumdienst habe die Munition vernichtet. Die Polizei hat wiederholt zu Vorsicht im Umgang mit freigeschwemmten Munitionsfunden aufgerufen. Wer etwas entdecke, solle umgehend die Polizei verständigen.

 SWR Aktuell: Also ich nehme mal an, dass noch nie irgendwas schief ging?

Rasehorn: Nein, sonst hätten wir dieses Gespräch nicht!

SWR Aktuell: Was ist das Wichtigste bei einer Entschärfung?

Rasehorn: Wir fokussieren uns wirklich nur auf die Arbeit. Wir haben ja Ruhe, denn rings um uns ist ja alles evakuiert. Man steht schon unter Druck, das wäre sonst gelogen. Aber es ist nicht so, dass man aufgeregt ist. Man hat einen leichten Druck und nach der Entschärfung löst sich das alles wieder und man ist entspannt.

SWR Aktuell: Und was ist für Sie die wichtigste Eigenschaft, die ein Bombenentschärfer mitbringen muss? Gute Nerven, Fingerspitzengfühl?

Rasehorn: Ruhig bleiben. Einfach nur ruhig bleiben. Man muss wissen, was man tut.

SWR Aktuell: Wie eingespielt sind Sie im Team?

Rasehorn: Wir sind immer mindestens zu zweit bei der Entschärfung. Vier Augen sehen mehr als zwei und es kann immer einer mal einen schlechten Tag haben.

SWR Aktuell: Gab es auch eine Bombenentschärfung, die sehr brenzlig war?

Rasehorn: Was heißt brenzlig? Ich musste mal einen Langzeitzünder entschärfen. Das ist ein ganz anderes Gefühl. Da können Sie alle Handgriffe richtig machen und die Bombe kann trotzdem jeden Moment hoch gehen. Da ist man wirklich angespannt!

SWR Aktuell: Warum sind diese Langzeitzünder so gefährlich?

Rasehorn: Die Langzeitzünder waren so konzipiert, dass sie bis zu 144 Stunden nach dem Aufschlag erst explodieren. Die funktionieren im Prinzip mit Lösungsmittel. Einfach gesagt: Das Mittel zerfrisst eine Zelluloidscheibe und dadurch wird die vorgespannte Zündnadel in den Detonator gestochen. Und das kann bei diesen Bomben heute auch noch passieren. Sie können ja nicht in den Zünder reingucken. Und das Lösungsmittel, das vielleicht jahrzehntelang in der falschen Ecke der Bombe gelagert war, hat sich jetzt bewegt, weil der Bagger drangestoßen ist. Und da könnte es jederzeit passieren. Da ist man dann richtig angespannt. Das braucht man nicht jeden Tag.

SWR Aktuell: Ist Kampfmittelräumer Ihr Traumjob?

Rasehorn: Viele wissen nicht, dass es den Job überhaupt gibt. Ich war 12 Jahre Soldat, da bin ich mit dem Thema in Berührung gekommen. Dann habe ich mich beworben, Lehrgänge besucht und im zivilen Leben weitergemacht. Ich mach das gerne.

SWR Aktuell: Wen rufen sie als erstes an, wenn die Bombenentschärfung geglückt ist?

Rasehorn: Meinen Sohn, der demnächst fünf Jahre alt wird. So ganz realisiert hat er noch nicht, was ich mache. Aber bei ihm melde ich mich dann als erstes.

SWR Aktuell: Was machen Sie als Ausgleich zu diesem Job?

Rasehorn: Nichts Außergewöhnliches! Das gleiche wie andere Menschen auch: Ich versuche, viel Zeit mit meinem Sohn zu verbringen.

 

Zur Person: Sven Rasehorn, 41, ist neuer technischer Leiter beim Kampfmittelräumdienst Rheinland-Pfalz. Er ist seit zehn Jahren ausgebildeter Kampfmittelbeseitiger und Feuerwerker. Der 41-Jährige lebt in der Nähe von Koblenz.

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