Landesweiter Protest

Hausarzt aus der Südpfalz im Streik: "Sparmaßnahmen sind Tritt in den Hintern"

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AUTOR/IN
Ulrike Brandt

Landesweit streiken am Mittwoch die Ärzte. Im SWR-Interview erklärt Allgemeinarzt Timotheus Schmid aus Schaidt (Kreis Germersheim), warum auch er seine Praxis schließt.

Timotheus Schmid, Allgemeinarzt in Schaidt (Kreis Germersheim) (Foto: SWR)
Timotheus Schmid, Allgemeinarzt in Schaidt (Kreis Germersheim), beteilgt sich am landesweiten Ärztestreik

SWR Aktuell: Herr Schmid, warum lassen Sie Ihre Gemeinschaftspraxis heute anlässlich des landesweiten Ärztestreiks zu?

Timotheus Schmid: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach muss jetzt, nachdem der Bund Milliarden herausgeschmissen hat für die Verteilung von FFP2-Masken und für Corona-Teststationen, die nicht immer sauber gearbeitet haben, Geld sparen. Und er will dieses Geld bei uns Hausärzten sparen, obwohl wir die waren, die in der Pandemie gleichbleibend Top-Qualität abgeliefert haben.

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SWR Aktuell: Der Bundesgesundheitsminister will unter anderem die erst 2019 eingeführte Neupatientenregelung abschaffen. Für jeden Patienten, der neu in ihre Praxis kommt, bekommen Sie Geld. Das soll wieder gestrichen werden. Was ärgert Sie daran?

Schmid: Wenn Patienten neu zu uns in die Praxis kommen, heißt das oft, die bringen von ihrem ehemaligen Hausarzt einen Jutebeutel voll mit Dokumenten mit. Wir müssen das alles durchgucken, einscannen, die Dauer-Diagnosen in unser Praxis-Verwaltungssystem einhacken. Wir müssen die Allergien registrieren. Wir müssen uns ein Bild machen von dem Patienten. Das kann auch leicht mal eine Dreiviertelstunde oder länger dauern.

SWR Aktuell: Hat sich denn diese Neupatientenregelung für Sie gelohnt?

Schmid: Gelohnt hat sich die natürlich nicht. Aber es war so ein kleines Trostpflaster, dass unsere Arbeit irgendwie honoriert wird. Lohnen tut sich ja vieles schon seit Jahren nicht mehr. Aber wir sind trotzdem mit Herzblut dabei und möchten auch helfen. Dafür haben wir mal Medizin studiert und solange man seine Rechnungen noch irgendwie bezahlen kann, machen wir nach dem Monatsende weiter - zumindest die, die nicht in Rente gehen.

SWR Aktuell: Sie und die anderen Ärzte streiken auch, weil die Krankenkassen die Honorare für die Vertragsärzte nicht erhöhen wollen. Wo ist da das Problem?

Schmid: Viele von uns arbeiten in ihren Hausarztpraxen am Rande dessen, wo es sich noch lohnt. Auch unsere Kosten steigen, zum Beispiel für Energie oder Personal. Die Krankenkassen wollen eigentlich eine Nullrunde durchdrücken, unsere Honorare sollen also nicht steigen. Dann hat die Bundesschiedsstelle in Berlin uns wenigstens zwei Prozent zugesprochen, obwohl wir mehr gefordert haben, um die Inflation auszugleichen. Und jetzt möchten die Kassen per Gesetz durchdrücken, dass es doch eine Nullrunde wird und zwar nicht nur dieses, sondern auch nächstes Jahr und eventuell übernächstes. Und wenn dann noch die Neupatientenregelung gestrichen wird, dann sind das alles Botschaften an uns Kassenärzte und vor allem die Hausärzte: Ihr seid uns nicht wichtig.

SWR Aktuell: Was erhoffen Sie sich von der Teilnahme am Ärzte-Streik?

Schmid: Uns geht es besonders auch um das Senden einer politischen Botschaft. In der Pandemie sind wir als Wellenbrecher gegen Corona bezeichnet worden. Wenn man aber sagt, ihr seid uns überhaupt nicht wichtig und wir sparen euch jetzt noch mehr kaputt als vorher schon. Das wird keinen Arzt in die Niederlassung locken.

SWR Aktuell: Sie klingen wütend.

Schmid: Ich und die anderen Ärzte sind natürlich ziemlich genervt und frustriert, weil die Pandemie-Zeit ist nicht spurlos an uns und unseren Helferinnen vorbeigegangen. Es war noch nie so stressig wie jetzt. Wir haben Impfkampagnen gemacht. Wir haben zum Teil samstags und auch spätabends noch geimpft, weil wir unseren Beitrag leisten wollten. Und jetzt bekommen wir mit den Sparmaßnahmen einen Tritt in den Hintern. Und das ist das genaue Gegenteil von Anerkennung.

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