24 Grundschulen gibt es in Ludwigshafen, nur fünf sind zurzeit richtige Ganztagsschulen mit Mittagessen, Hausaufgabenbetreuung, Sport-, Kunst- und Musikangeboten am Nachmittag - vom Land Rheinland-Pfalz finanziert und ausgestattet. Jetzt hätten sich weitere Grundschulen beim Land bewerben können, um auch Ganztagsschule zu werden. Der Anlass: ein bundesweiter Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung, der ab August 2026 gilt. Aber: Nicht eine einzige weitere Grundschule in Ludwigshafen hat einen entsprechenden Antrag beim Land gestellt. Warum?
Grundschulen äußern sich nicht
Der SWR hat zehn Ludwigshafener Grundschulen angeschrieben, mit der Bitte, zu erläutern, warum sie nicht Ganztagsschule werden wollen. Nicht eine Schulleitung hat dazu Stellung genommen. Lediglich eine Lehrerin äußerte sich anonym.
Es sei klar, dass die Grundschulen kein Interesse hätten Ganztagsschule zu werden, so die Lehrkraft. Die Schulleitungen und das Lehrerteam müssten selbst das zusätzlich benötigte Personal akquirieren, Verträge aufsetzen und Lerninhalte für den Nachmittag erstellen und auch umsetzen.
Rechtsanspruch tritt zum Schuljahr 2026/2027 in Kraft Pfalz: Kommunen überfordert mit Ausbau der Grundschulen zu Ganztagsschulen
Klingt erst mal richtig toll für Eltern: Ab dem Schuljahr 2026/2027 sollen Erstklässler einen Anspruch auf eine Ganztagsbetreuung an Grundschulen haben. Doch die Kommunen und Kreise sind überfordert.
Kritik von Elternvertretern an Ganztagskonzept
Zudem seien die meisten Schulgebäude in Ludwigshafen völlig ungeeignet für den Nachmittagsbetrieb: es würden Räume fehlen, Freiflächen zum Toben und Spielen, Mensen und Küchen fürs Mittagessen. "Die Kinder wären acht Stunden am Tag im gleichen Klassenraum. Das kann man doch keinem Kind antun!", so die Lehrkraft.
Ähnlich kritisch sieht das Markus Amgarten, der Elternvertreter der Lessing-Grundschule in Ludwigshafen-Edigheim. Er ist auch in einem Elternarbeitskreis, der alle Ludwigshafener Grundschulen im Blick hat. "Generell ist das ja eine gute Idee mit der Ganztagsschule, aber ich befürchte das geht ähnlich schief, wie bei den Kitas", sagt Amgarten. Da fehle es ja auch an Personal und Platz für einen Ganztagsbetrieb. Der Pausenhof der Lessingschule zum Beispiel sei so klein, dass nicht einmal alle Grundschüler auf einmal in die große Pause könnten. Und die Schule verfüge über eine winzige Küchenzeile - wie man da ein Mittagessen zubereiten wolle, sei ihm schleierhaft.

Romina Dimov vom Stadtelternausschuss begrüßt grundsätzlich ein Ganztagsangebot an den Grundschulen. Stellt aber auch die Frage: "Woher soll denn dafür das Personal herkommen?" Und es müsse ja sicher gestellt sein, dass ein pädagogisch sinnvolles Konzept dahinter stehe - etwa eine intensive Sprachförderung der Kinder mit Migrationshintergrund, so Romina Dimov. Diese sei gerade in Ludwigshafen dringend nötig.
Bislang wollte keine zusätzliche Grundschule Ganztagsschule werden
Stefan Weißmann, Leiter des Bereichs Schulen bei der Stadt Ludwigshafen gibt auch zu: Bislang habe man bei den Schulleitungen der Grundschulen auf Granit gebissen, mit der Bitte, Ganztagsschule zu werden. "Die Verwaltung und das Bildungsministerium haben sich da eine blutige Nase geholt", gibt Weißmann unumwunden zu. Trotzdem will er zusammen mit seinem Team, erneut bei den Grundschulen dafür werben, Ganztagsschule zu werden und Unterstützung beim Ausbau anbieten.
Ausbau an Grundschulen notwendig Ludwigshafen muss Millionen für Ganztagsschulen investieren
Die Stadt Ludwigshafen muss Millionen in ihre Grundschulen stecken: Grund: Eltern können in zwei Jahren für ihre Kinder einen Ganztagsplatz einfordern.
Es soll viel Unterstützung geben für die Grundschulen
Grundschulen, die sich beim Land als Ganztagsschule bewerben, sollen nach dem Willen der Stadt vorrangig saniert werden - auch wenn sie eigentlich aufgrund des Sanierungsstaus in Ludwigshafen noch lange nicht "dran sind". Man könne sich auch durchaus vorstellen, die Grundschulen bei allen administrativen Aufgaben, die anfallen, tatkräftig zu unterstütze,vso Weißmann. Eine weitere Idee: Das Ganztagsangebot erstmal nur für die ersten Klassen machen und nicht allen Schülern.

Zudem könnte Eltern ein Wahlrecht eingeräumt werden, sich für oder gegen den Ganztagsbetrieb zu entscheiden - auch das erhöhe die Flexibilität sowohl für die Eltern als auch für die Schule selbst, so Weißmann. Die Jugendhilfe der Stadt Ludwigshafen habe ausgerechnet, 85 Prozent der Familien mit Grundschulkindern hätten einen Bedarf an einer Ganztagsbetreuung. Und da der Rechtsanspruch schon ab August 2026 zumindest für die ersten Klassen gelte, renne der Stadtverwaltung die Zeit davon, erklärt der Leiter des Bereichs Schulen.
Millionen für die Nachmittagsbetreuung - bei klammen Kassen
Um den Rechtsanspruch zu garantieren und einer Klagewelle zu entgehen, muss die Stadt jetzt an allen Ludwigshafener Grundschulen eine irgendwie geartete Nachmittagsbetreuung schaffen - etwa im Rahmen der betreuenden Grundschule. Denn der Gesetzgeber garantiert ab kommendem Jahr eine acht Stunden Betreuung jeden Tag - auch in den Ferien, ausgenommen an vier Wochen im Jahr. 14 Grundschulen bekommen daher begrünte und beschattete Pausenhöfe mit Spielgeräten, Küchen, Mensen und flexibles Mobiliar, das auch für die Nachmittagsbetreuung geeignet sein soll.

"Wir müssen massiv Personal einstellen, um die Nachmittagsbetreuung im Rahmen der betreuenden Grundschule zu garantieren", klärt Weißmann auf. Und das bei einer ewig klammen Stadtkasse - der Elternbeitrag für diese Art der Nachmittagsbetreuung steige da zwangsläufig. Daher habe der Ausbau der betreuenden Grundschule langfristig keine Zukunft - die Stadt Ludwigshafen könne sich diese einfach nicht leisten. Nur die baulichen Veränderungen verschlingen schon über neun Millionen Euro - da sei noch keine einzige Betreuungsperson bezahlt.
"Charmeoffensive" soll Schulleitungen überzeugen
"Die Zukunft gehört den Ganztagsschulen", da ist sich Weißmann sicher. Aber eben nur den Ganztagsschulen, die komplett vom Land finanziert werden und ausgeklügelte, pädagogische Konzepte haben. Nur diese seien für Eltern - vom Mittagessen abgesehen - völlig kostenfrei. Die von der Stadt organisierten Betreuungsformen seien zum einen für die Eltern kostenpflichtig und zum anderen auf Dauer für die Verwaltung nicht darstellbar - weder finanziell noch personell.
Am kommenden Montag will die SPD-Fraktion daher gemeinsam mit der CDU, einen Antrag im Stadtrat stellen, die Stadtverwaltung möge sich weiter darum bemühen, dass mehr Grundschulen "richtige" Ganztagsschulen werden - vom Land getragen und finanziert - nicht von der Stadt. Dem Antrag hatte auch der Schulträgerausschuss bereits einstimmig zugestimmt.
Stefan Weißmann will daher mit seinem Team "eine Charmeoffensive" bei den Schulleitungen starten und sie überzeugen, dass ihre Schulen über kurz oder lang doch vom Land getragene Ganztagsschulen werden. Es bleibt abzuwarten, ob die Rektoren und Rektorinnen in Ludwigshafen diesem Charme erliegen werden und die damit verbundene Mehrarbeit doch auf sich nehmen.