Gedenktag an NS-Opfer (Foto: Destiney Balzo (privat))

Gedenktag an NS-Opfer

Sinti und Roma: Schülerin aus Germersheim erinnert an ihre Vorfahren

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Etwa 500.000 Sinti und Roma wurden im Nationalsozialismus verfolgt, deportiert und ermordet. Am 27. Januar erinnert die Sintiza Destiney Balzo aus Germersheim an ihre Vorfahren.

Gedenktag an NS-Opfer (Foto: Destiney Balzo (privat))
Destiney Balzo, Sintiza und Schülerin aus Germersheim.

Destiney Balzo ist eine junge, kluge und aufgeweckte Frau, die die 12. Klasse eines Gymnasiums besucht. Sie erzählt, dass sie erst vor einigen Jahren Genaueres über die Geschichte ihrer Familie während des Nationalsozialismus erfahren habe. Sie sei schockiert gewesen, dass auch ihrer Familie das passiert sei, was sie sonst nur von anderen gehört habe, so die junge Südpfälzerin. Seitdem erinnert sie vor allem am Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus, dass zu diesen Opfern auch Sinti und Roma zählten.

Gedenktag an NS-Opfer (Foto: Destiney Balzo (privat))
Ein Klassenfoto von Destiney Balzos Urgroßvater: Er ist der vierte Junge hinten links mit schwarzen Haaren und schwarzer Jacke.

Urgroßvater hatte KZ Dachau und Todesmarsch überlebt

Destiney Balzos Vorfahren wurden während des Zweiten Weltkriegs von den Nationalsozialisten verfolgt. Von ihrem Urgroßvater ist bekannt, dass er in mehrere Konzentrationslager verschleppt wurde, darunter Dachau und Sachsenhausen. Er habe dort Zwangsarbeit leisten müssen und es seien medizinische Versuche mit ihm gemacht worden.

Erst 1945 wurde wurde er von der Roten Armee befreit, so die junge Frau. Da sei ihr Uropa bereits auf einem der sogenannten Todesmärsche unterwegs gewesen, mit denen die Nazis verhindern wollten, dass die Gefangenen in die Hände ihrer Feinde, also der alliierten Streitkräfte fielen.

Rülzheim: "Rassenforscher" bei Familie

Die 18-Jährige berichtet, dass ihr Urgroßvater und seine Familie vor der Deportation von Rassenforschern des NS-Regimes im Rülzheim (Kreis Germersheim) aufgesucht wurden. Diese hätten beispielsweise den Abstand zwischen den Augenbrauen gemessen, um die Andersartigkeit zu begründen.

Als ihr Uropa dann nach dem Krieg nach Hause nach Rülzheim zurückgekehrt war, sei die Familie aus ihrem Haus vertrieben und dieses abgerissen worden. Sie habe dann unter ärmlichen Verhältnissen am Waldrand wohnen müssen. Der Urgroßvater sei dann bald gestorben an den Folgen der Misshandlungen durch die Nazis.

Sinti und Roma bis heute diskriminiert

Ihr ehemaliges Grundstück habe die Familie bis heute nicht zurückbekommen, erzählt die 18-Jährige. Und sie stellt fest: Bis heute hätten sich viele Vorurteile über ihre Volksgruppe gehalten.

Beispielsweise würden mache Leute glauben, dass Sinti und Roma nicht zur Schule gingen. "Ich bin das beste Gegenbeispiel", so Destiney Balzo, die bald Abitur macht. Wegen der Diskriminierung würden manche ihrer Bekannten sich auch nicht trauen, ihre Herkunft und Identität preis zu geben.

Gymnasiastin erinnert an Verfolgung und Ermordung

Anders die junge Sintiza: "Ich denke heute am Gedanktag der Opfer des Nationalsozialismus sehr viel daran, was mit meinen Vorfahren geschehen ist." Es sei ihr wichtig, dass das nicht in Vergessenheit gerate. Deshalb spreche sie darüber, so Destiney Balzo aus Germersheim.

Die Roma in Europa (2/3) Gemieden, entrechtet und verfolgt

Im Mittelalter wurden sie als dunkelhäutige Migranten zunächst mit Neugier beäugt, doch schon bald benachteiligt, ausgegrenzt, gegängelt. Die Nazis haben sie schließlich verfolgt und ermordet.

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Der Völkermord an den Sinti und Roma · Spuren der NS-Zeit

Jedes Jahr, am 2. August gedenken Sinti und Roma in Auschwitz ihrer ermordeten Angehörigen. Der Film zeichnet die wichtigsten Stationen einiger Leidenswege nach, fünf Überlebende berichten über ihr Schicksal: Hildegard Franz, deren Mann und drei Kinder in Auschwitz ermordet wurden; Mano und Hugo Höllenreiner, die gerade mal zehn Jahre alt waren, als sie deportiert wurden und die in Auschwitz erfahren mussten, welche Folgen die Experimente des Lagerarztes Josef Mengele hatten; Lily van Angeren, die als Lagerschreiberin die Namen aller Toten registrieren musste. Und Josef „Muscha“ Müller, der in einer Pflegefamilie aufwuchs und nicht ahnte, dass seine leiblichen Eltern Sinti waren. Er hat überlebt, weil seine Pflegeeltern ihn monatelang in einer Gartenlaube versteckt hielten und so dem Zugriff der Behörden entzogen.
Heute gedenken Sinti und Roma aus ganz Europa am 2. August aller ihrer ermordeten Angehörigen. Jedes Jahr kommen sie nach Auschwitz-Birkenau zu einer Totenfeier, und für viele der Überlebenden ist es bis heute schwer, an den Ort ihres Leidens zurückzukehren. Im Sommer 1944 wurde das „Zigeunerlager“ aufgelöst, die noch arbeitsfähigen Sinti und Roma in andere Lager weiterverschleppt. Alle verbliebenen Sinti und Roma wurden danach, in der Nacht vom 2. auf den 3. August 1944, ermordet. Es waren 2897 Männer, Frauen und Kinder.

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