Chefin der Friedensakademie Rheinland-Pfalz

Politikwissenschaftlerin aus Landau zu Ukraine-Krieg: Verhandlungen sind der einzige Weg

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INTERVIEW
Birgit Baltes

Auch in Rheinland-Pfalz fragen sich die Menschen: Gibt es noch Chancen, Putin zu stoppen? Hier die Einschätzung einer Politikwissenschaftlerin aus Landau.

Charlotte Dany ist Geschäftsführerin der Friedensakademie Rheinland-Pfalz an der Universität in Landau. Die Friedensakademie betreibt Friedens- und Konfliktforschung, das heißt, sie beschäftigt sich mit Fragen rund um den Frieden und um den Umgang mit Konflikten.

Charlotte Dany (Foto: Friedensakademie Rheinland-Pfalz)
Charlotte Dany, Geschäftsführerin der Friedensakademie Rheinland-Pfalz (Universität Landau)

SWR Aktuell: Die EU und Deutschland haben lange versucht, einen Angriff Russlands auf die Ukraine durch Diplomatie, Verhandlungen oder die Androhung von Sanktionen zu verhindern. Gibt es nach Ihrer Ansicht jetzt noch eine reale Chance auf Frieden in der Ukraine?

Charlotte Dany: Das Wichtigste ist, eine weitere Eskalation irgendwie aufzuhalten. Dazu gehören diese ganz starken wirtschaftlichen Sanktionen und auch die Aufrüstung von NATO-Staaten, die als Abschreckung dienen soll. Es ist aber immer wichtig, dabei zu schauen, dass dadurch die Eskalationsspirale nicht weiter in Gang kommt. Und daher finde ich es jetzt wichtig, immer weiter auf Dialog und Verhandlungen zu drängen. Es sieht im Moment nicht danach aus, als hätten wir eine Situation, in der man sich an einen Tisch setzen kann und dann direkt zu Ergebnissen kommt. Aber das muss vorbereitet und weitergeführt werden. Ich denke, das ist der einzige Weg.

SWR Aktuell: Halten Sie die geplante Aufrüstung in Deutschland für zielführend?

Dany: Die Frage ist ja: Was für ein Ziel verfolgt man im Moment? Ein Ziel ist, Russland etwas entgegenzusetzen, Stärke zu demonstrieren. Das Hauptziel des Ganzen muss aber aus meiner Sicht sein, Verhandlungen vorzubereiten. Die militärische Aufrüstung kann nur dazu dienen, Russland zu Verhandlungen zu bewegen. Ich finde, dass in der öffentlichen Diskussion im Moment ein zu starker Fokus auf die militärische Aufrüstung gelegt wird.

SWR Aktuell: Was wäre denn Ihrer Einschätzung nach ein optimales Verhalten in diesem Konflikt?

Dany: Verhandlungsoptionen suchen, jede Möglichkeit für Verhandlungen in diesem Konflikt nutzen, militärische Mittel nur soweit einsetzen, wie sie dem Schutz der Mitgliedstaaten dienen. Und dabei nie aus dem Blick verlieren, was eine weitere Aufrüstung für Folgen haben kann. Idealerweise würde man also immer die nächsten Schritte und die Wirkung, die diese Schritte auf das Gegenüber haben, im Voraus einschätzen.

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SWR Aktuell: Viele Menschen - auch in der Region - fürchten, dass Deutschland Ziel russischer Luftangriffe werden könnte oder dass Putin sogar Atomwaffen einsetzen könnte. Für wie wahrscheinlich halten Sie das?

Dany: Aus meiner Sicht ist es wahrscheinlicher, dass sich der Konflikt, der Krieg, in der Ukraine festsetzt. Alles andere würde eine vollkommene Eskalation bedeuten. Atomwaffen dienen ja vor allem deshalb der Abschreckung - wenn beide Seiten sie haben, weil man davon ausgeht, dass sie nicht eingesetzt werden. Und die Frage ist, wann die Eskalationsstufe so weit ist, das Atomwaffen doch eingesetzt werden. Das wäre dann wahrscheinlicher, wenn die NATO in den Krieg in der Ukraine eingreifen würde und das tut sie ja bisher nicht.

SWR Aktuell: Haben sich die NATO-Staaten, hat sich die EU im Vorfeld falsch verhalten?

Dany: Ich denke schon, man sollte aufarbeiten, was schief gegangen ist, auf der Seite des Westens. Wir sehen ja, dass die Kriegsgefahr unterschätzt wurde und auch die Wirkungen, die bestimmte Angebote an die Ukraine hatten. Es ist bei jedem Konflikt und auch bei dem Krieg in der Ukraine wichtig zu fragen: Wie kam es dazu? Das ist vielleicht jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, aber es wird wichtig, wenn man darüber nachdenkt, wie kommen wir dazu, dass in der Ukraine künftig ein stabiler Frieden herrscht, dass die Menschen dort auch langfristig Rechte und Freiheiten genießen können. Dann ist es auch wichtig, die Ursachen des Konflikts auf beiden Seiten besser aufzuarbeiten.

SWR Aktuell: Wie sehr können die Menschen, kann das Volk in Europa und Russland, Ihrer Meinung nach, den Verlauf des Krieges noch beeinflussen – durch Friedenskundgebungen, Mahnwachen und Demonstrationen?

Dany: Also ich glaube, dass diese großen Kundgebungen einen wichtigen Zweck erfüllen. Es wird nicht so sein, dass man damit den Frieden herbei zaubern kann. Aber was damit geleistet wird, ist, dass viele viele Menschen jetzt ihre Solidarität zeigen. Und das kommt an in der Ukraine. Das ist ein wichtiges Zeichen, dass psychologisch auch einfach Mut machen kann. Außerdem gehen die Menschen ja auch zu solchen Großkundgebungen, weil sie das Bedürfnis haben, etwas zu tun, das Gefühl haben, etwas beitragen zu können. Ich halte das für wichtig. Die Hoffnung, dass Kundgebungen den Konflikt beeinflussen können, sind vielleicht mehr mit der Opposition in Russland verbunden. Viele Menschen dort gehen auf die Straße und versuchen gegen den Krieg Putins zu demonstrieren, obwohl sie sehr großen Repressionen ausgesetzt sind und obwohl sie auch persönlich sehr große Risiken damit eingehen. Da besteht eine gewisse Hoffnung, dass das auch in Russland etwas in Gang bringen kann.

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