Katholikentag in Stuttgart

Kirche ohne Papst: Wer sind die Altkatholiken? Ein Besuch in der Pfalz

Stand

In Stuttgart wird am Mittwochabend der Katholikentag eröffnet. Viele Themen, die dort diskutiert werden, wie ein Endes des Zölibats oder Frauen im Priesteramt, sind bei den Altkatholiken längst gelebte Realität - auch in der Pfalz.

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Sabine Clasani erinnert sich noch genau an den 27. Mai 1996. An diesem Tag sah die Katholikin und studierte Theologin in der Tagesschau einen kurzen Beitrag über die erste Priesterinnenweihe der altkatholischen Kirche in Konstanz. "Da hab ich mir gesagt: Das will ich auch".

Weil Clasani aber klar war, dass sie das in der römisch-katholischen Kirche zu ihren Lebzeiten vermutlich nicht mehr erleben wird, wechselte die gläubige Christin kurzerhand die Konfession: Sie trat aus der römisch-katholischen Kirche aus und den Altkatholiken bei. 2007 wurde sie selbst zur Priesterin geweiht.

altkatholische Pfarrerin Sabine Clasani (Foto: SWR)
Die altkatholische Pfarrerin Sabine Clasani in der Mannheimer Schloßkirche

Sieben Gemeinden in Rheinland-Pfalz

Seit 2016 steht Clasani der altkatholischen Gemeinde von Mannheim und Ludwigshafen vor. Diese hat rund 540 Mitglieder ist auch für Gläubige aus der Pfalz und Rheinhessen zuständig. Neben Mannheim/Ludwigshafen gibt es in Rheinland-Pfalz noch sieben weitere altkatholische Gemeinden, unter anderem in Mainz, Kaiserslautern und Landau.

Dort ist Christine Elbert Mitglied. Sie habe hier ihre geistige Heimat gefunden, weil es eine Kirche sei, in der sich alle auf Augenhöhe begegnen, sagt die 74-Jährige.

"Wir sind eine Gemeinschaft, da steht nicht einer oben, der diktiert, was gesagt wird und was die Wahrheit ist."

Gleichberechtigte Frauen

Vor allem als Frau fühlt sie sich in der altkatholischen Gemeinde gleichberechtigt, weil in dieser Kirche auch Frauen Priesterinnen sein können. In der katholischen Kirche sind Frauen in ihren Augen in erster Linie dafür da, die Kirche zu putzen und Blumenschmuck bereitzustellen.

Die Katharinenkapelle in Landau (Foto: SWR)
Christine Elbert, Kirchenvorsteher Peter Schmid und Diakon Christoph Lichti in der Katharinenkapelle in Landau

Sieben Gemeinden in Rheinland-Pfalz

Wie Christine Elbert kommen fast alle der etwas mehr als 70 Mitglieder der altkatholischen Gemeinde in der denkmalgeschützten Katharinenkapelle in Landau ursprünglich aus der römisch katholischen Kirche. Elbert ist in einer Dorfgemeinde aufgewachsen. Nach ihrem Empfinden hatte der Pfarrer dort unglaublich viel Macht, die Stimmung kam ihr verlogen und scheinheilig vor. Deshalb trat sie mit 25 Jahren aus der Kirche aus.

Später, als ihr Sohn geboren wurde, trat sie wieder ein, um ihm eine religiöse Orientierung und Gemeinschaft zu ermöglichen. Doch ihr Sohn ist homosexuell und hat in der katholischen Kirche deswegen keinen Platz.

Segen für homosexuelle Paare

Bei den Altkatholiken ist das anders, erklärt Peter Schmid, Vorsitzender des Kirchenvorstands: "Gleichgeschlechtliche Partnerschaften werden akzeptiert, sie werden gesegnet. Auch in den Priesterämtern gibt’s eine ganz Menge gleichgeschlechlicher Partnerschaften und die werden ganz offen gelebt. Niemand muss sich verstecken."

Auch der Umgang mit gescheiterten Ehen und Sexualität sei von dem Gefühl der Schuld und Fehler bereinigt worden. Das sei ihm persönlich sehr wichtig. Beispielsweise glauben Altkatholiken auch nicht an die "unbefleckte Empfängnis" Mariens.

altkatholische Pfarrerin Sabine Clasani (Foto: SWR)
Die altkatholische Kirche ist viel demokratischer organisiert als die römisch-katholische Kirche

Trotz Fortschrittlichkeit nur wenige Mitglieder

Doch warum haben die Altkatholiken trotz all dieser Freiheiten deutschlandweit nur etwa 16.000 Mitglieder? Christoph Lichti, Diakon und angehender Pfarrer in Landau und Karlsruhe erklärt sich das vor allem damit, dass es so wenige altkatholische Gemeinden gibt: "Unsere Kirchengemeinden sind überwiegend auf größere Städte konzentriert. Die Wege sind weit. Als ich noch ein gewöhnliches Gemeindemitglied war, sind wir zum Gottesdienst eine dreiviertel Stunde gefahren. Das muss man wollen."

Christine Elbert glaubt auch, dass es für viele Gläubige einfacher und bequemer ist, in der gewohnten Kirche zu bleiben oder ganz auszutreten.

"Altkatholisch" - ein irreführender Name?

Und der Kirchenvorstands-Vorsitzende Peter Schmid vermutet, dass es auch mit dem Namen "Altkatholiken" zu tun haben könnte. Viele würden dahinter ein eher rückwärtsgewandtes Glaubensbild vermuten. "Ich habe gehört, dass Andreas Sturm, der ehemalige Generalvikar aus Speyer, den Vorschlag gemacht hat, "reformiert katholisch" zu sagen. Ich glaube auch, dass der Name "altkatholisch" uns eher schadet."

Landau rechnet mit neuen Mitgliedern

Die altkatholische Gemeinde in Landau erwartet, dass wegen des Übertritts des ehemaligen Generalvikars im Bistum Speyer, Andreas Sturm, nun mehr Gläubige auf ihre Kirche zukommen. Schmid glaubt, durch die öffentliche Diskussion werde nun viel mehr bekannt, dass in den alkatholischen Gemeinden bereits viele Reformen gelebt werden, die in der römisch katholischen Kirche viel schwerer umzusetzen sind.

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SWR