Hermann Krämer sitzt in seinem Arbeitszimmer auf einem braunen Holzstuhl. Er schaut sich eine gebastelte Karte an, die er von einem Jungen zu Ostern geschickt bekommen hat. Hermann Krämer kennt den Jungen von einer Pferdefreizeit für Menschen mit Tourette. "Das gibt sehr viel Mut und Kraft", sagt er. Krämer ist 71 Jahre alt und leidet am Tourette-Syndrom. Seitdem hat er auch mit Depressionen zu kämpfen. Wie lebt er damit?

Diagnose: Tourette-Syndrom
Hermann Krämer, der in Speyer lebt, war zwölf Jahre alt, als er und seine Eltern bemerkten, dass sich etwas an ihm verändert hat. Immer häufiger muss er blinzeln, schneidet Grimassen und schüttelt seinen Kopf. Unkontrolliert und vor allem ungewollt. Nach 18 Jahren Arztbesuchen, Therapien und Medikamenten dann endlich die Diagnose: Tourette-Syndrom. Für den Jungen ist das schwer zu akzeptieren.
In der Schule sei er gehänselt worden, erzählt Krämer. Währenddessen blickt er nachdenklich aus dem Fenster. Bei Mädchen habe er keine Chance gehabt, in die Disco ging er als Jugendlicher dann immer seltener.

Stattdessen: Scham wegen seiner Ticks. Krämer zog sich zurück, wurde depressiv. Die Depressionen hätte sich bei ihm auch durch eine starke Traurigkeit und Lustlosigkeit am Leben bemerkbar gemacht, beschreibt er. Auch heute noch habe er eine depressive Grundstimmung in sich, die er nicht weg bekomme. "Es fühlt sich so an, wie wenn einem ein schweres Gewicht auf Kopf und Schultern lastet."
Niedergeschlagenheit typisch für Depression
Diese niedergeschlagene Stimmung ist ein typisches Symptom von Depressionen, erklärt Psychiater Michael Deuschle. Er ist einer der Vorstandssprecher des Bündnisses gegen Depression Vorderpfalz. Das Bündnis ist eines von 100 Vereinen in Deutschland, die sich dafür einsetzen, dass die Erkrankung Depression bekannter und deutlich schneller erkannt wird.
Was sind Depressionen?
Depression ist eine Erkrankung, von der aktuell 45 Prozent der Deutschen Bürgerinnen und Bürger entweder direkt oder indirekt betroffen sind (Auch Angehörige beeinflusst diese Krankheit). Das zeigt das Deutschland-Barometer Depression an, das von der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention veröffentlicht wird. Michael Deuschle, der auch als Oberarzt am Zentralinstitut für seelische Gesundheit in Mannheim arbeitet, erklärt, dass Depressionen einen Anfang und auch ein Ende haben. Sie treten in Episoden auf und halten länger an.
Symptome von Depressionen sind unter anderem, dass Betroffene keine richtige Freude mehr empfinden und an Antriebs- und Energie-Mangel leiden, sagt Deuschle. Es gibt auch noch viele andere Symptome, die sich von Person zu Person unterscheiden.
Reisen sind mein natürliches Antidepressivum.
Hermann Krämer sagt, er habe seine Depressionen gut im Griff. Er könne sich täglich motivieren, Dinge zu tun, die ihm gut tun. Er genießt auch viel Zeit mit seiner Freundin Susanne. "Die Nähe tut einfach gut, wenn man eine Umarmung bekommt oder gestreichelt wird", sagt der 71-Jährige. Eine der Lieblingsbeschäftigungen des Rentners ist das Reisen. Trotz seiner Erkrankungen, erzählt Krämer, sei er schon durch viele Länder gereist. "Reisen sind mein natürliches Antidepressivum", betont er.
Psychotherapien und Medikamente nutzt der 71-Jährige nicht mehr. Die gelten als reguläres Behandlungsmittel von Depressionen, erklärt Deuschle. Die Erfolgschancen seien hoch.
Betroffener will Mut für andere spenden
Damit vor allem Kinder und Jugendliche besser mit der Diagnose Tourette-Syndrom umgehen können, hat Krämer 2006 ein Buch geschrieben. Es erzählt von einem Dinosaurier mit Tourette und wie dieser durchs Leben streift. Auf der Karte, die Krämer von dem Jungen geschickt bekommen hat, ist der Dinosaurier abgebildet - gemalt von dem Jungen. Im Inneren der Karte hat er mit krakeliger Schrift frohe Ostern gewünscht.
Hermann Krämer erzählt, er habe schon öfter Nachrichten von Kindern erhalten, die das Buch lesen. Es sei ein Mutmacher-Buch für Kinder, gleichzeitig seien die Briefe, die er erhalte, auch ein Mutmacher für ihn selbst.
Informationen rund um seelische Gesundheit
"Das Risiko, dass man selber oder Angehörige von Depressionen betroffen sind, ist sehr groß“, sagt Deuschle. Deshalb müsse die Früherkennung von Depressionen stärker in den Fokus rücken.

Der Gesundheitsmarkt für seelische Gesundheit in Speyer, organisiert vom Bündnis gegen Depression Vorderpfalz, sei da ein wichtiger Baustein. Betroffene und deren Angehörige können ihn am Samstag, 17. Mai, von 10 bis 16 Uhr in der Stadthalle besuchen.
Vor Ort gibt es Vorträge, Ausstellungen und Mitmachaktionen, um mehr über die Erkrankung zu erfahren und sich zu informieren.