Der Grund für den gigantischen Stau ist die strenge Corona-Politik Chinas: Shanghai befindet sich seit Ende März in einem harten Lockdown. Die Folgen sind mittlerweile bis in die Pfalz zu spüren.
Krisensitzungen in Ludwigshafen
"Die Situation ist wirklich beängstigend", sagt Frank Hirsch, Chef der Firma HCL-Logistics in Ludwigshafen. Er habe schon mehrere Krisensitzungen mit Reedereien gehabt. Sehr besorgt ist auch Andreas Roer, der das Container-Terminal der Firma Contargo in Wörth (Kreis Germersheim) leitet.
Die Verbraucherpreise werden wegen der Container-Misere weiter steigen, befürchtet Stefan Iskan, Professor für Logistik und Wirtschaftsinformatik an der Hochschule Ludwigshafen: "Es muss zwingend davon ausgegangen werden, dass die hohen Inflationsraten für einen längeren Zeitraum anhalten werden."
In Wörth hängen die Waren fest
Das Wörther Container-Terminal platzt derzeit aus allen Nähten. Auf mehreren hundert Metern Länge stehen rote, blaue, grüne und rosafarbene Metallbehälter. Immer vier Stück übereinander in vier bis sechs Reihen nebeneinander. Alle sind gefüllt mit Waren aus der Pfalz. Die Firma Contargo würde die Container gerne per Schiff oder Zug nach Rotterdam und Antwerpen schicken, damit sie dort auf Seeschiffe umgeladen werden. Doch auch die dortigen Terminals sind voll. Denn etliche Seeschiffe sind nicht gekommen, weil sie im Stau vor Shanghai stehen.
Container kommen wieder zurück
Jeden Tag gibt es in Wörth kuriose Situationen: "Vorhin mussten wir 35 Container, die schon auf dem Binnenschiff standen, per Kran wieder herunterhieven", berichtet Andreas Roer. Denn aus Rotterdam kam die Meldung, dass für die Container dort kein Platz ist. Andere Behälter machen unfreiwillig "eine Rundreise", wie Roer sagt. Sie verlassen Wörth per Binnenschiff in Richtung Nordsee, und kommen ein paar Tage später wieder zurück, weil sie in den Seehäfen nicht angenommen worden sind.
Lösung? Nicht in Sicht.
In den kommenden Wochen wird sich die Situation zuspitzen, befürchtet der Terminal-Chef. Dann werde es keine leeren Container mehr geben. 2.500 Stück stehen stets am Wörther Hafenbecken. Industrieunternehmen aus der Pfalz können sie buchen, wenn sie Behälter zum Verladen ihrer Waren brauchen. Andreas Roer rechnet vor: "Rund 800 bis 1.000 Schiffe stehen vor Shanghai im Stau, jedes beladen mit 10.000 bis 20.000 Containern. Das sind insgesamt bis zu 20 Millionen Behälter." Die Hafengesellschaft Hamburg geht davon aus, dass es weltweit rund 38 Millionen Standard-Container gibt. Demnach ist mittlerweile mehr als die Hälfte aller Container durch den Stau blockiert.
Logistik-Experte: Das wird Jahre dauern
Dass sich der Schiffsstau vor Shanghai schnell auflöst, glaubt Andreas Roer nicht. Ende März hatte China einen strengen Lockdown über die Millionenmetropole verhängt, nachdem die Zahl der Covid-Infektionen stark gestiegen war. Ganze Stadtviertel wurden mit Zäunen abgeriegelt. Im Hafen fehlen deshalb tausende Arbeitskräfte für das Be- und Entladen der Schiffe.
Selbst wenn der Lockdown am größten Hafen der Welt aufgehoben wäre, würde es sehr lange dauern, den Schiffsverkehr wieder in Gang zu bringen, befürchtet Logistik-Professor Stefan Iskan von der Hochschule Ludwigshafen: "Die aktuelle Lage lässt sich in den kommenden ein bis zwei Jahren nicht auflösen."
Immerhin: keine Notlage für die Verbraucher
Was hat das für Auswirkungen für den Verbraucher? Die Lieferengpässe werden sich weiter verschärfen, prophezeit Logistik-Professor Stefan Iskan: "Ob es bei bestimmten Lebensmitteln zu einer Verknappung kommt, das kann im Moment noch nicht abschließend bewertet werden. Zu einer Notlage dürfte es allerdings nicht kommen." Auf jeden Fall werden viele Produkte noch teurer, sagt Iskan, allein schon wegen der Transportkosten, die wegen des Container-Mangels weiter nach oben schießen würden.
Einzige Lösung aus Sicht des Professors: Die Industrie muss unbedingt versuchen, keine Engpass-Rohstoffe und Engpass-Teile in der Produktion ihrer Endprodukte zu verwenden. Außerdem stärker auf lokale Lösungen setzen und auf die Kreislaufwirtschaft. "Daraus ergeben sich gute Chancen für den Wirtschaftsstandort Pfalz."
Im Hafen von Wörth wird Andreas Roer von Contargo auch in den kommenden Wochen und Monaten mit dem Container-Chaos kämpfen müssen: "Wir hoffen auf eine schnelle Lösung des Problems. Aber ganz ehrlich: Wir wissen nicht, wie das auf die Schnelle passieren könnte. Wir können nur reagieren und nicht agieren, da wir von den Seehafen-Terminals abhängig sind."