
Ein echtes Kleinod ist der Campingplatz in Lingenfeld inmitten der Natur: Ausgedehnte Altrheinarme zum Paddeln nebenan, eine Wiese für Tagescamper, die gerne auch von der Jugend genutzt wird, eine Badestelle mit kleinem Sandstrand für Schwimmer und Sonnenhungrige und ein Platz mit 386 Parzellen für Dauercamper, die hier teils seit Jahrzehnten jede freie Minute verbringen. Doch damit ist jetzt bald Schluss.
Die Dauercamper müssen ihre Plätze bis zum Jahresende räumen, weil die Kreisverwaltung Germersheim Mängel beim Brandschutz festgestellt und angemahnt hatte. Die Verbandsgemeinde Lingenfeld als Betreiber des Campingplatzes hatte die Wahl, den Platz still zu legen oder ihn grundlegend zu sanieren. Der Rat hatte sich für den Erhalt und die Sanierung ausgesprochen.
Campingplatz Lingenfeld: "Meine Kinder haben Angst, dass ich vereinsame"
Für viele Dauercamper ist das mehr als hart. Die 74-jährige Christiane Olagne beispielsweise kommt seit 25 Jahren hierher. Sie hat das Gefühl, einen vertrauten Lieblingsort, ja ein Stück Heimat zu verlieren: "Mir fällt es sehr schwer, seit 25 Jahren habe ich hier Freunde. Wir treffen und hier immer, schwimmen zusammen, halten mal ein kurzes Schwätzen. Meine Enkel sind hier groß geworden. Denen fällt es auch sehr schwer, hier alles aufzugeben. Und ich kann keinen Neuanfang machen, weil das ist zu teuer. Meine Kinder haben auch Angst, dass ich vereinsame, weil ich in der Stadt wohne.“
"Ich kann keinen Neuanfang machen, weil das ist zu teuer. Meine Kinder haben auch Angst, dass ich vereinsame, weil ich in der Stadt wohne.“
Noch sonnt sich Christine Olagne auf einem Liegestuhl, vor ihrem Dauercampingzelt mit Wohnwagen. Sie will noch die letzten Tage hier ausschöpfen, bevor auch sie ihre Zelte Mitte September abbrechen wird. Ein paar Campingparzellen weiter ist Mario bereits dabei, mit einer Spitzhacke die Fundamente seines Platzes abzubrechen - nach 43 Jahren. Seit er fünf Jahre alt ist, kommt er hierher, sagt Mario. "Früher bin ich halt mit der Oma hergekommen, da hat man das Campen kennengelernt, ist man halt hängengeblieben. Jetzt müssen wir leider hier abbauen und der Abbau macht jetzt schon weh, sehr weh.“

Platzwart: "Solange nichts passiert, ist alles gut"
Zwischen den knapp 390 Parzellen die fast wie kleine Gärten aussehen, mit Holzzäunen, Rasenflächen und Pflanzenkübeln, klaffen Lücken. Etwa ein Drittel der Dauercamper haben ihre Plätze bereits geräumt, sagt Christian Dillinger, Platzwart der Verbandsgemeinde Lingenfeld. Auch für ihn kam die Nachricht überraschend, dass der Campingplatz nicht mehr weiter betrieben werden darf, weil der Brandschutz mangelhaft sei: "Am Anfang hat es mich schon geschockt. Aber im Nachhinein muss ich sagen, wir sind ja auch in einer Zeit, in man die Sicherheit herstellen muss. Das wollen ja die Leute auch. Solange nichts passiert, ist alles gut. Wenn was passiert, ist das Theater groß und dann werden Verantwortliche gesucht.“

Verantwortlich sei dann die Verbandsgemeinde Lingenfeld als Betreiber. Die habe sich trotz der erdrückenden Kosten entschlossen, den Platz zu erhalten und würde gerne im nächsten Frühling mit den Umbau- und Sanierungsarbeiten loslegen und sie noch 2024 abschließen. Die Parzellen sollen dann größer werden, die Wege breiter, es sollen Stromleitungen verlegt und 100 neue Bäume gepflanzt werden. Auch neue Duschen sind geplant. Von den knapp 290 Plätzen bleiben dann noch etwa 200 übrig und die werden wohl viermal so viel an Pacht kosten wie bisher, erklärt der Platzwart.

Plätze kosten nach der Sanierung wohl das Vierfache
Konkret heißt das: Wer bisher jährlich fünf Euro pro Quadratmeter Pacht an die Verbandsgemeinde zahlte, muss künftig mit 20 Euro rechnen. Das ist gerade für ältere Menschen, die hier ihren Lebensabend verbringen wollten, viel zu teuer, weiß Platzwart Dillinger. Einige hätten sich bisher kaum die Pacht von 200 Euro pro Jahr leisten können und könnten nun schon gar nicht den teuren Abriss stemmen. Den müsse die Verbandsgemeinde in diesen Fällen übernehmen und dann zumindest die Kaution einbehalten.

VG Lingenfeld: Kreis hat noch nichts genehmigt
Die Kreisverwaltung Germersheim hat den Bauantrag für die Sanierung des Campingplatzes bisher aber noch gar nicht genehmigt, sagt Peter Beyer (CDU), der als ehrenamtlicher Beigeordneter der Verbandsgemeinde unter anderem für den Campingplatz zuständig ist. Sie habe beim Bauantrag Nachbesserungen gefordert, zuletzt eine Ausgleichsfläche für den Naturschutz.
Beyer will den nachgebesserten Bauantrag bis Ende des Jahres einreichen. Er hofft, dass der Antrag dann schnell genehmigt wird, die Bauarbeiten im kommenden Frühjahr starten und dann auch 2024 durchgezogen werden können. Wahrscheinlich müssten wegen der Arbeiten dann auch die Wiese für Tagescamper und der Zugang zum Baggersee im kommenden Jahr gesperrt werden, aus Sicherheitsgründen, bedauert Beyer.

Dauercamper Lingenfeld: "Da ist ganz viel Frust"
Annette Kraus aus dem schwäbischen Ludwigsburg hat seit elf Jahren mit ihrem Mann und den Kindern einen Dauercampingplatz in Lingenfeld. Auch sie schlagen gerade ihre Zelte und Wohnwagen ab. Kraus kritisiert, dass es viel zu spät und auch schlecht kommuniziert worden sei, dass und zu welchen Bedingungen sie den Campingplatz räumen müssen: "Da ist gerade ganz viel Frust. Andere Plätze haben es vom Hörensagen auch hingekriegt, den Brandschutz während des laufenden Betriebs zu regeln und zu handeln und das wäre hier auch möglich gewesen. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg."
"Ans Menschliche hat man hier wohl hier überhaupt nicht gedacht."
Auch Mario ist der Ärger deutlich anzumerken. Er sei viel auf Campingplätzen in Deutschland unterwegs. Man müsste in Deutschland wegen des Brandschutzes fast jeden Campingplatz abreißen lassen, sagt er. "Totaler Schwachsinn. Das ist für mich reine Politik und die, die das entscheiden, die wissen das auch." Er komme damit zurecht, weil er noch ziemlich jung sei, so der Pfälzer und weiter: "Aber es gibt 70-Jährige, wie meine Eltern und noch Ältere, die hier sind, für die ist es schon richtig hart, die wollten halt in ihrem Alter hier bleiben. Ans Menschliche hat man hier überhaupt nicht gedacht".
Campinplatz Lingenfeld: Warteliste lang
Die älteren Menschen werden wohl nicht mehr die Kraft finden, sich nach der Sanierung einen neuen Platz in Lingenfeld einzurichten, gibt auch Platzwart Dillinger zu bedenken. Schon könnten sich einige kaum die jährliche Pacht von 200 Euro leisten und schon gar nicht das Geld, ihre Plätze jetzt abreißen zu lassen. Das werde dann die Verbandsgemeinde übernehmen und dafür zumindest die Kaution einbehalten.
Dennoch: Das Interesse scheint groß, auf dem sanierten Campingplatz eine Parzelle zu ergattern. Schon jetzt stehen rund 220 Interessenten auf der Warteliste.