Martin Brudermüller, Vorstandsvorsitzender des Chemiekonzerns BASF, (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture alliance/dpa/dpa-POOL | Uwe Anspach)

Drohender Produktionsstopp in Ludwigshafen

BASF-Chef warnt: Das bedeutet Gas-Boykott für deutsche Wirtschaft

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Weniger Gaslieferungen aus Russland könnten laut BASF zu einem Produktionsstopp in Ludwigshafen führen - auch mit Folgen für den Alltag. Der BASF-Chef warnt, dass ein Import-Stopp von Gas die deutsche Wirtschaft in die schwerste Krise seit dem Zweiten Weltkrieg führen könnte.

Russland hat am Donnerstag entschieden, dass westliche Staaten ab dem 1. April Konten bei der Gazprombank eröffnen müssen, um weiter russisches Gas zu erhalten. Andernfalls würden die Erdgaslieferungen an "unfreundliche Länder" gestoppt. Wegen Russlands Krieg in der Ukraine wird in Deutschland gerade heftig diskutiert, ob die Bundesrepublik nicht auf russisches Gas verzichten sollte.

Ein Teil einer Fabrikanlage der BASF in der Dämmerung. Der Konzern rutscht wegen der hohen Energiepreise in Deutschland in die roten Zahlen. (Foto: dpa Bildfunk, Picture Alliance)
Laut BASF droht in Ludwigshafen womöglich ein Produktionsstopp, sollte zu wenig Gas aus Russland geliefert werden

BASF-Chef warnt vor Boykott: "Folgen größer als durch Pandemie"

BASF-Chef Martin Brudermüller warnte gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung jetzt aber eindringlich vor diesem Schritt. Das könne "die deutsche Volkswirtschaft in ihre schwerste Krise seit Ende des Zweiten Weltkriegs bringen", sagte er. Es könne vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen das Aus bedeuten. Viele Bürger würden die Risiken eines Boykotts von russischem Gas noch stark unterschätzen, so Brudermüller.

"Wollen wir sehenden Auges unsere gesamte Volkswirtschaft zerstören? Das, was wir über Jahrzehnte hinweg aufgebaut haben?"

Der Staat werde die Einbußen nicht abfangen können, die in der Wirtschaft durch Gasmangel entstehen würden. "Die Dimensionen, über die wir hier reden, sind noch viel größer als bei Ausbruch der Corona-Pandemie," so Brudermüller. Wenn sich Deutschland beeile, könne es sich in rund fünf Jahren erst von Russlands Gas lösen, etwa mit Flüssiggas aus den USA.

Die Vorstandsvorsitzenden von RWE und BASF, Markus Krebber und Martin Brudermüller (Foto: Pressestelle, BASF)
BASF-Chef Brudermüller (rechts) arbeitet beim Thema Klimaschutz auch mit anderen Firmen zusammen und plant etwa einen gemeinsamen Offshore-Windpark in der Nordsee.

Weniger Gas könnte für BASF Produktionsstopp bedeuten

Die Pfalz rund um Ludwigshafen könnte einen Boykott schnell zu spüren bekommen. Die IHK warnt, dass es viele Branchen treffen kann. Nach BASF-Angaben müsste bei einem Erdgasmangel die Produktion von Basis-Chemikalien und Folgeprodukten gedrosselt werden. Wenn das Unternehmen weniger als die Hälfte des Gases geliefert bekommt, müsste sogar der Betrieb in Ludwigshafen gestoppt werden. Das würde auch die Arbeitskräfte betreffen.

BASF-MItarbeiter (Foto: dpa Bildfunk, Picture Alliance)
Ein Produktionsstopp könnte auch die Arbeitsstellen in Ludwigshafen betreffen.

BASF begrüßt Frühwarnstufe in Sachen Gas

Deshalb begrüßte das Unternehmen auch, dass die Bundesregierung inzwischen die Frühwarnstufe im "Notfallplan Gas" ausgerufen hat. Sollte es einen Lieferstopp von russischem Gas geben, sind nach Ansicht der BASF einige Teile des Werks in Ludwigshafen auf der Prioritätenliste weit oben. Die Kläranlage und die Strom-Kraftwerke seien als systemrelevant einzustufen und als Erstes mit Gas zu versorgen.

Erdgas unentbehrlich für Chemieproduktion

Das Erdgas, das die BASF bezieht, wird nach eigenen Angaben zu 60 Prozent für die Energiegewinnung bei der Produktion und zu 40 Prozent als Rohstoff selbst verwendet. Ein Betriebsstopp hätte somit weitreichende Folgen für viele Industriesparten und Lebensbereiche.

"Erdgas lässt sich in der Chemieproduktion weder als Rohstoff noch als Energieträger kurzfristig ersetzen."

Was wird in Ludwigshafen eigentlich produziert?

Die Chemieindustrie liefert die Ausgangsprodukte für fast alle produzierenden Industrien. In Ludwigshafen stellt die BASF zum Beispiel Stoffe für den medizinischen Bedarf her, etwa für Schutzanzüge, Desinfektions- und Reinigungsmittel oder für medizinische Geräte. Diese Endprodukte werden gerade auch in großen Mengen bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie gebraucht.

Aber es werden auch Stoffe produziert, die danach für die Herstellung von Waren des täglichen Bedarfs gebraucht werden, zum Beispiel für Lebensmittel, Verpackungen oder für Toiletten- und Hygieneartikel. Fällt die BASF in der Produktionskette aus, weil in Ludwigshafen das Gas fehlt, um die Maschinen anzutreiben, dann fehlen die Stoffe für die Weiterverarbeitung. Resultat: die oben genannten Produkte werden langfristig knapper.

Gelände der BASF (Symbolbild) (Foto: SWR)
Gelände der BASF (Symbolbild)

Erdgas als Rohstoff für Dünger und Medizin

Zwei wichtige Rohstoffe, die direkt aus Erdgas gewonnen werden, sind Ammoniak und Acetylen. Acetylen steckt in vielen Produkten des täglichen Bedarfs: in Kunststoffen, Arzneimitteln, Lösemitteln, Elektrochemikalien oder auch hochelastischen Textilfasern. Fehlen diese, bekommen unter anderem auch die Auto- und Baubranche Nachschubprobleme.

Ammoniak wird dagegen zum Beispiel zur Herstellung von Dünger verwendet. Fehlt der Dünger, könnten die Erträge der Bauern sinken, warnt eine Sprecherin der BASF. Das würde "den bereits äußerst angespannten Markt zusätzlich belasten." Weniger Gas in Deutschland könne also die Knappheit an Düngemitteln weltweit weiter verschärfen und Grundnahrungsmittel noch teurer machen.

Sorge: Betriebsstopp könnte auch Arbeitsplätze kosten

Der Chef der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE), Michael Vassiliadis hatte bereits zuvor vor einem Stopp der Gasimporte aus Russland gewarnt. Das BASF-Werk in Ludwigshafen sei ohne russisches Gas nicht mehr stabil zu betreiben, sagte der IG BCE-Chef, der auch im Aufsichtsrat der BASF sitzt. Er befürchtet dann massive Arbeitsplatzverluste. Das wollte die BASF so aber nicht bestätigen. Aktuell arbeiten im BASF-Stammwerk in Ludwigshafen rund 39.000 Mitarbeiter.

IHK: Viele Unternehmen bedroht, Weinflaschen werden Mangelware

Die Industrie- und Handelskammer Pfalz sieht viele Unternehmen in Gefahr, sollte es zu einem Gas-Stopp aus Russland kommen. Ab September könne sich die Situation in den Betrieben zuspitzen, sagte IHK-Hauptgeschäftsführer Tibor Müller auf SWR-Anfrage. Besonders betroffen wären dann Unternehmen, die viel Energie verbrauchen. Dazu gehören alle pfälzischen Papier-, Glas-, Chemie und Zement-Betriebe.

Als Beispiel nannte Müller, dass keine Weinflaschen mehr produziert werden könnten und in der Folge Winzer ihren Wein nicht mehr abfüllen und verkaufen könnten.

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