Die Zahl der Symptome, die Angela Lautenbach aus Bingen aufzählt, ist groß: Selbst kleinste Anstrengungen wie Gemüse schneiden oder Treppen steigen fallen ihr schwer, sie bekommt schnell Luftnot. Konzentration und Gedächtnis sind angegriffen. Sie hat Schmerzen in den Beinen, Füßen, Gelenken und Händen. Dazu kommen Schlafstörungen und Angstattacken. Die Haare sind ihr büschelweise ausgefallen.
Nach Corona-Erkrankung: "Ich erkenne mich nicht wieder"
Lautenbach hatte am 31.12.2020 einen positiven Coronatest, zwei Tage später kam sie auf die Intensivstation. Sie lag mehrere Wochen im Koma, war auch danach noch monatelang im Krankenhaus und in der Reha. Nun hat sie "Long Covid". "Ich erkenne mich selbst nicht wieder", sagt sie im Gespräch mit Zur Sache Rheinland-Pfalz. Von einer selbstständigen, berufstätigen Frau sei sie zu einer Frau geworden, die von anderen abhängig und auf Hilfe angewiesen sei.
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Nach drei Jahren Corona sind alle Regeln außer Kraft, die Zahlen relativ niedrig. Im Vordergrund stehen nun die Folgen und neue wissenschaftliche Erkenntnisse. Alle News dazu in unserem Blog.
Keine Erfahrungswerte mit neuer Krankheit
Ihren Alltag schafft sie nur mit der Hilfe ihres Sohnes und ihrer Freunde. Keiner kann der Bingerin sagen, ob diese Beschwerden wieder verschwinden. Sie berichtet, wie sie nicht ernst genommen oder nicht verstanden wird. Mit ihren Symptomen fühlt sie sich oft alleine. "Es ist noch ein langer Weg, und wer geht den jetzt mit mir?", fragt Lautenbach. Sie erlebe, dass viele Ärzte und Therapeuten keine Erfahrungswerte haben. Angela Lautenbach wünscht sich zu dem Thema mehr Fortbildungen für medizinisches Personal.

In der Uniklinik Heidelberg gibt es eine auf "Long Covid" spezialisierte Ambulanz. Über 200 Symptome sind dort bisher bekannt. Es gibt erste Erkenntnisse darüber, dass eher Frauen und eher Patienten mit milderen Corona-Verläufen erkranken.
"Long Covid"-Netzwerk
Dort ist inzwischen ein "Long Covid"-Netzwerk entstanden, das die Akzeptanz für die neue Krankheit erhöhen, Ansprechpartner vernetzen, aber auch gezielt Hausärzte, Physio- und Ergotherapeuten schulen will. Ziel sei es, dass Patienten sich schon beim Hausarzt mit der Krankheit gut aufgehoben fühlen, sagt Mitbegründerin Uta Merle, Ärztin und Leiterin der Ambulanz. Noch sei die Krankheit wenig erforscht und unterschätzt.
Die Hälfte der niedergelassen Ärzte in der Region Rhein-Neckar hat bereits an einer solchen Schulung des Netzwerks teilgenommen. In Rheinland-Pfalz gibt es bisher zwar einige Reha-Angebote, aber kein Kompetenzzentrum für "Long Covid".

Hoch: Keine zentrale Einrichtung im Flächenland
Der Gesundheitsminister von Rheinland-Pfalz, Clemens Hoch (SPD), rät Betroffenen, einen niedergelassenen Arzt oder ein Krankenhaus aufzusuchen. "Es gibt im Land keine zentrale Einrichtung, das ist aber in einem Flächenland wie Rheinland-Pfalz auch für uns nicht der richtige Weg", so Hoch. An der Unimedizin Mainz werde mit Förderung vom Land intensiv am längerfristigen Krankheitsbild von Corona-Patienten geforscht. Er nehme wahr, dass die niedergelassene Ärzteschaft sehr genau und sehr behutsam damit umgehe und Erkrankte sehr ernst nehme.
"Auf mich alleine gestellt"
Angela Lautenbach hat Schwierigkeiten, die richtigen Ansprechpartner für ihre Beschwerden zu finden. Die Krankenhäuser in der Umgebung hätten Intensivstationen, aber keine Anlaufstellen für Menschen wie sie. Auch spezialisierte Therapeuten finde sie nicht. "Es kann mir keiner eine Garantie geben, wie lange das noch geht, was ich noch für Folgeschäden zurückbehalten werde", sagt sie. "Das ist etwas, wo ich auf mich alleine gestellt bin."