- Wie Lewentz seinen Rücktritt erklärt
- Wann die Nachfolge geregelt werden soll
- Flut-Videos und -Berichte wurden dem Minister zum Verhängnis
- So reagieren CDU, Freie Wähler und AfD auf den Rücktritt
- Bleibt Lewentz SPD-Landesvorsitzender?
Lewentz: Fehler aber keine Vertuschung
Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) erklärte Lewentz am späten Vormittag: "Heute übernehme ich für in meinem Verantwortungsbereich gemachte Fehler die politische Verantwortung." So sei ihm der zuletzt aufgetauchte Einsatzbericht der Hubschrauberstaffel aus der Flutnacht nicht vom Lagezentrum des Innenministeriums zugeleitet worden. "Das war ein Fehler in meinem Verantwortungsbereich", sagte Lewentz.
Der scheidende Minister äußerte sein Bedauern darüber, dass der Einsatzbericht und die Flut-Videos der Hubschrauberstaffel dem Untersuchungsausschuss des Landtags verspätet bereitgestellt wurden. Im Zuge der Bewältigung der Katastrophe seien sicherlich an vielen Stellen Fehler gemacht worden - "Fehler, aber keine Vertuschungen", so Lewentz.
Er sehe zudem, dass er seit einigen Tagen als Minister nicht mehr öffentlich durchdringe, dass seine Argumente nicht mehr aufgegriffen würden. "Das ist für einen Minister nicht gut." Auch aus diesem Grund habe er der Ministerpräsidentin seinen Rücktritt als Innenminister angeboten, so Lewentz.
Michael Ebling soll Nachfolger werden
Dreyer sagte, sie habe den Rücktritt angenommen. "Es ist mir persönlich sehr schwer gefallen, diesem Wunsch zu entsprechen. Roger Lewentz war für mich immer eine wichtige Stütze im Kabinett. Menschlich und fachlich. Ich respektiere seinen Entschluss", so die sichtlich berührt wirkende Ministerpräsidentin.
Dreyer will noch am Donnerstagnachmittag in der Landtagssitzung verkünden, wer Lewentz im Amt nachfolgt. Nach SWR-Information soll der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) neuer rheinland-pfälzischer Innenminister werden.
Videos aus der Flutnacht brachten Lewentz in Bedrängnis
Hintergrund des Rücktritts ist die massive Kritik an Lewentz im Zusammenhang mit der Flutkatastrophe. Der Minister hatte stets erklärt, in der Flutnacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 nur von Einzelereignissen erfahren zu haben. Als kürzlich Flut-Videos eines Polizeihubschraubers auftauchten und zuletzt ein detaillierter schriftlicher Bericht der Piloten, kamen immer mehr Zweifel an der Darstellung des Innenministers auf.
In den Berichten schilderten die Hubschrauberpiloten die dramatische Situation im Ahrtal. Zum Beispiel, dass Häuser bis zum Dach im Wasser standen und verzweifelte Menschen mit Taschenlampen SOS-Signale sendeten.
Im Mittelpunkt der Diskussion stand zuletzt die Frage, wann der Minister in der Flutnacht genügend Informationen hatte, um das katastrophale Geschehen erkennen zu können und darauf zu reagieren. Nach Ansicht der Opposition hätte das Land damals die Einsatzleitung übernehmen müssen. In der Sturzflut, die am Abend am Oberlauf der Ahr einsetzte und die Mündung in den Rhein am frühen Morgen erreichte, kamen mindestens 134 Menschen ums Leben.
CDU: Lewentz hätte sich für persönliche Fehler entschuldigen müssen
Die Oppositionsparteien im rheinland-pfälzischen Landtag begrüßen den Rücktritt von Innenminister Lewentz. CDU-Fraktionschef Christian Baldauf sagte, damit sei Lewentz "endlich seinem Amt, seinem Amtseid und der Verantwortung für die Menschen in unserem Bundesland" gerecht geworden. Der Schritt sei überfällig gewesen. Baldauf kritisierte, dass sich Lewentz in seiner Rücktrittsrede nicht für persönliche Fehler und Fehleinschätzungen entschuldigt habe.
Die politische Aufarbeitung der Flutkatastrophe im Untersuchungsausschuss des Landtags werde intensiviert, kündigte Baldauf zudem an. Es gehe nun darum aufzuklären, wo die Verantwortung von Ministerpräsidentin Dreyer liege. Die CDU behalte sich vor, Dreyer erneut vor den Untersuchungsausschuss zu laden.
Freie Wähler: Rücktritt ist konsequent
Die Freien Wähler bezeichneten den Rücktritt von Lewentz als "geboten und konsequent". Fraktionschef Joachim Streit sagte: "Mit dem freiwilligen Rücktritt hat Roger Lewentz dem Amt und der Demokratie einen großen Dienst erwiesen." Der parlamentarische Fraktionsgeschäftsführer Stephan Wefelscheid zollte Lewentz auch Respekt. Dieser habe sich über viele Jahre in seiner Funktion als Innenminister für Rheinland-Pfalz große Verdienste erworben. "Seiner Rolle als oberster Katastrophenschützer konnte er bei der Ahr-Flut aber leider nicht gerecht werden", so Wefelscheid.
Für AfD kommt der Rücktritt zu spät
Aus Sicht der AfD-Fraktion kommt der Rücktritt des Innenministers viel zu spät. Fraktionschef Michael Frisch sagte, der Rücktritt sei nicht der Einsicht des Ministers, "sondern dem öffentlichen Druck geschuldet". Dem Ansehen des Staates und der Demokratie habe Lewentz damit immensen Schaden zugefügt: "Es bleibt das Bild eines an seinem Posten klebenden Berufspolitikers, der bis zuletzt von seinen Partei- und Regierungskollegen gedeckt wurde", so Frisch. Die Opfer der Flutkatastrophe würden durch den Rücktritt aber ein wenig mehr Gerechtigkeit erfahren.
"Lewentz Aussagen zu Flutvideos waren für die Betroffenen schier unerträglich"
Auch Cornelia Weigand (parteilos) hat sich zum Rücktritt des Innenministers geäußert. Die Landrätin des besonders von der Flut betroffenen Kreises Ahrweiler sagte, sie nehme den Rücktritt zur Kenntnis. Im Innenministerium habe es offenbar Kommunikationsprobleme zwischen dem Minister und den nachgeordneten Stellen gegeben, auch was die Flutnacht und die Zeit danach betreffe. Die Aussagen von Lewentz zu den Polizei-Videos und -Fotos seien "für die Betroffenen hier extrem schmerzhaft und schier unerträglich" gewesen, so Weigand.
Lewentz hatte gesagt, auf den Polizei-Videos aus der Flutnacht könne er keine Katastrophe erkennen, unter anderem weil dort keine Toten und keine eingestürzten Häuser zu sehen seien. In seiner Rücktrittsrede erklärte er nun, sollten seine Aussagen gefühlskalt und herzlos gewirkt haben, so tue ihm dieser Eindruck sehr, sehr leid.
Ampelparteien würdigen Lewentz' Wirken in der Landespolitik
Die drei Ampelparteien zollten Lewentz Respekt für den Rücktritt und würdigten sein langjähriges Wirken in der Landespolitik. Dieser werde "eine Lücke hinterlassen", so SPD-Fraktionschefin Sabine Bätzing-Lichtenthäler. "Er war ein Stabilitätsanker der Koalition. Dafür danken wir Minister Lewentz außerordentlich", sagte FDP-Fraktionschef Philipp Fernis. Mit Roger Lewentz als Vorsitzendem der SPD Rheinland-Pfalz verbindet uns eine vertrauensvolle Zusammenarbeit, hieß es von den Grünen.
Bleibt Lewentz SPD-Landesvorsitzender?
Noch unbeantwortet blieb zunächst die Frage, ob Lewentz Landesvorsitzender der SPD in Rheinland-Pfalz bleiben wird. Er verwies darauf, dass er bis zum nächsten Parteitag im Jahr 2023 gewählt sei. Lewentz fügte hinzu: "Ich nehme mir jetzt eine Auszeit und werde das dann mit den Gremien beraten."
Im Porträt Roger Lewentz - Der Macher in der rheinland-pfälzischen SPD
Er war lange Zeit der Krisenmanager der Landesregierung: Roger Lewentz. Doch im Herbst 2022 trat er als Innenminister zurück. Als Landeschef wurde er nun aber wiedergewählt.
Lewentz ist der zweite Minister, der in der Folge der Flutkatastrophe sein Amt abgibt. Im April war die Grünen-Politikerin Anne Spiegel als Bundesfamilienministerin zurückgetreten. Sie war zum Zeitpunkt der Flutkatastrophe Umweltministerin in Rheinland-Pfalz gewesen und rund zehn Tage später zu einem vierwöchigen Familienurlaub nach Frankreich aufgebrochen.