Ein Polizeihubschrauber ist auf einem von der Flut verwüsteten Campingplatz gelandet. Nach den verheerenden Überflutungen in Rheinland-Pfalz blicken die Menschen im Ahrtal mit Sorge auf die Wetterprognosen fürs Wochenende.  (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Thomas Frey)

Innenministerium in Erklärungsnot

Staatsanwalt will Vorgänge um Flut-Videos klären

Stand

Die Staatsanwaltschaft Koblenz rechnet bei der Untersuchung der jüngst aufgetauchten Videos aus der Flutnacht im Ahrtal nicht mit schnellen Ergebnissen. Die Koblenzer Polizei hielt die Aufnahmen wohl nicht für entscheidend.

Die Staatsanwälte teilten mit, es handele sich um sieben Videos, die vom späten Abend des 14. Juli bis zum nächsten Morgen aufgenommen worden sein sollen. Die Juristen zeigten sich irritiert, dass die Videos erst jetzt vorgelegt wurden. Der Ablauf müsse dringend geklärt werden. Auch sei nun zu prüfen, ob die Ermittlungen möglicherweise ausgeweitet werden müssten. Dabei sei auch die Befragung der Hubschrauber-Piloten eine Option, hieß es.

Staatsanwaltschaft rechnet nicht mit schnellem Ergebnis zu den Flut-Videos

Die Staatsanwaltschaft Koblenz geht jedoch nicht davon aus, dass bereits in den kommenden Tagen ein Ergebnis zu den Videos vorliegt. Zunächst müssten die Ereignisse der Flutnacht, die in den sieben Videodateien zu sehen sind, örtlich und zeitlich mit den bisherigen Ermittlungsergebnissen in Zusammenhang gebracht werden. "Ich weiß nicht, wie lange das dauert", sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. Die Ermittlungen habe das Landeskriminalamt übernommen.

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Hielt Polizei Aufnahmen für nicht relevant?

Das Polizeipräsidium Koblenz hielt die Hubschrauber-Videos aus der Flutnacht nach Angaben des Mainzer Innenministeriums wohl nicht für entscheidend zur Einschätzung der Lage. Man habe sich auf die weitere Lagebewältigung konzentriert, heißt es in einer Mitteilung des Ministeriums vom Dienstag.

Technische Probleme in der Flutnacht

Hintergrund der Einschätzung ist wohl der Umstand, dass die Videos wegen technischer Probleme durch das schlechte Wetter nicht sofort live übermittelt werden konnten.

Erst am nächsten Morgen seien die Daten auf einem Stick gesichert worden, so das Innenministerium. In der Mitteilung heißt es, dass nach aktuellem Stand im Polizeipräsidium Koblenz entschieden wurde, dass die Videodaten am Morgen keinen entscheidenden Beitrag mehr zur Lagebewältigung hätten leisten können.

Videos letzte Woche im U-Ausschuss gezeigt

Die Videos waren vergangene Woche überraschend aufgetaucht und am Freitag im Untersuchungsausschuss gezeigt worden. In geheimer Sitzung, weil Menschen in Not darauf identifiziert werden könnten, wie es hieß. Dem Vernehmen nach sind auf den Filmen Menschen zu erkennen, die in den Wassermassen um ihr Leben kämpfen. Auch ein abtreibendes Auto mit eingeschalteten Scheibenwischern und Menschen, die mit Taschenlampen um Hilfe morsen, sollen zu sehen sein. Innenminister Roger Lewentz (SPD) und Mitarbeiter der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion sagten aus, die Videos im Ausschuss zum ersten Mal gesehen zu haben.

Innenministerium stuft Videos als vertraulich ein

Zuvor waren die Videos durch das Innenministerium als vertraulich eingestuft worden. Das bestätigte Finanzstaatssekretär Stephan Weinberg (SPD), der Beauftragte der Landesregierung für den Untersuchungsausschuss. Weinberg sagte, dass er bei der Einschätzung der Vertraulichkeit üblicherweise der des Ministeriums folge. Wer die Videos im Innenministerium angesehen und als vertraulich eingestuft hat, ist jedoch weiter unklar.

Staatsanwaltschaft ermittelt seit einem Jahr

Die Staatsanwaltschaft Koblenz ermittelt bereits seit mehr als einem Jahr gegen den früheren Ahrweiler-Landrat Jürgen Pföhler (CDU) und einen weiteren Verdächtigen wegen womöglich zu später Warnungen und Evakuierungen. Nun müssten die näheren Umstände von Auftrag, Entstehung, Kenntnisnahmen, Auswertung und Verbleib der Polizeivideos geklärt werden. Die Ermittlungen könnten noch bis ins Jahr 2023 reichen.

Videos wurden zusammen mit anderen Dokumenten an U-Ausschuss übergeben

Die Videos waren am späten Abend des 14. Juli 2021 von einem Polizeihubschrauber aus aufgenommen worden. Das Innenministerium hatte die Aufnahmen nach eigenen Angaben vergangene Woche Montag auf einem USB-Stick zusammen mit anderen Unterlagen zunächst dem Landtag übergeben, einen Tag später dann den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses. Zuvor hatte AfD-Obmann Michael Frisch vor einigen Wochen zusätzliche Akten für den Ausschuss beantragt.

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Unter diesen entdeckten Ausschuss-Mitglieder vergangene Woche dann zufällig die Videos aus dem Polizeihubschrauber. Es soll geprüft werden, ob die Videos nun auf eine für die Öffentlichkeit geeignete Fassung zusammengeschnitten werden können.

Opposition fordert Lewentz-Rücktritt

AfD-Obmann Frisch mutmaßt, dass die Videos dem Untersuchungsausschuss bewusst vorenthalten wurden. Er spricht von vorsätzlicher Vertuschung von Beweismitteln. Dass Lewentz nichts davon gewusst habe, könne er sich nur schwer vorstellen, so Frisch. Unabhängig davon trage der Innenminister die politische Verantwortung. Frisch forderte deshalb erneut Lewentz' Rücktritt. Auch CDU-Fraktionschef Christian Baldauf sprach von Vertuschung und sagte, Lewentz sei unhaltbar.

Die AfD fordert außerdem, die Videoaufnahmen den Medien zur Verfügung zu stellen. Sie müssten einer "breiten Öffentlichkeit gezeigt werden", sagte Frisch dem SWR. Die Bürger hätten ein Recht darauf, umfassend über die Abläufe der Flutkatastrophe informiert zu werden, um sich selbst ein Urteil bilden zu können. Notfalls werde man die Landesregierung per Klage zwingen, die Aufnahmen zu veröffentlichen. Es gehe jedoch um eine bearbeitete Version der Videos, die die Persönlichkeitsrechte der abgefilmten Menschen in Not berücksichtige, so die Partei.

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