Für Innenminister Roger Lewentz (SPD) ist der Fall klar: In Deutschland kommt man um die flächendeckende Einführung einer Elementarschadenversicherung nicht herum. "Wir haben Starkregenereignisse von Bayern bis Norddeutschland", sagte Lewentz der Nachrichtenagentur dpa zur Begründung.
"Die Versicherungswirtschaft muss die finanziell tragfähigen Bedingungen einer solchen Solidarversicherung berechnen, damit aus den Beiträgen aller Hausbesitzer auftretende Schäden möglichst abgedeckt werden können", so Lewentz weiter. Justizminister Herbert Mertin vom Koalitionspartner FDP sieht das skeptisch und führt vor allem verfassungsrechtliche Gründe an.
Justizminister Mertin sieht eine Pflichtversicherung skeptisch
"Es würde das Lebensrisiko eines abgrenzbaren Bevölkerungskreises auf die gesamte Versichertengemeinschaft verlagert, obwohl es derzeit für die allermeisten Eigentümer möglich wäre, sich individuell gegen entsprechende Elementarschäden zu versichern", so Mertin.
Eine Pflichtversicherung für Elementarschäden würde zudem einen hohen Verwaltungsaufwand sowohl für die Versicherer als auch für den Staat bedeuten, der die Versicherungswirtschaft und die Eigentümer entsprechend beaufsichtigen müsste. Der FDP-Politiker nennt noch einen weiteren Grund: "Eine Pflichtversicherung würde außerdem insbesondere Privaten, aber gegebenenfalls auch staatlichen Akteuren, den wirtschaftlichen Anreiz nehmen, vorbeugend in den Hochwasserschutz zu investieren."
Neue Bewertung wegen Klima-Veränderungen?
Die Justizministerkonferenz hatte dem Ministerium zufolge zu dem Thema zuletzt im Juni 2017 einstimmig festgehalten, "dass die Einführung einer Pflichtversicherung nur unter engen verfassungsrechtlichen Voraussetzungen möglich ist und nach den vorliegenden Daten eine Einführung (...) derzeit nicht gerechtfertigt ist". Sie stellten aber auch fest: "Bei klimatischen Veränderungen oder Änderungen der Datenlage zum Versicherungsmarkt wäre eine andere verfassungsrechtliche Bewertung möglich."
Ähnliche Forderungen aus Baden-Württemberg
Lewentz ist nicht der einzige, der eine verbindliche Elementarschadenversicherung fordert. Ähnlich hatte sich zuvor unter anderem der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) geäußert.

Eine Elementarschadenversicherung springt bei Naturereignissen wie Starkregen, Hochwasser oder Erdrutschen ein. Längst nicht alle Hausbesitzer haben sie. Nach Angaben des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) sind in Deutschland derzeit nur rund 46 Prozent der Gebäude über eine solche Police versichert. In Rheinland-Pfalz sind es sogar nur 35 Prozent. So kommt es, dass zwischen den Versicherungsschäden und den tatsächlichen Schäden im Flutgebiet nach Auskunft der GDV eine erhebliche Lücke klafft. Die von ihm bisher veranschlagten rund sieben Milliarden Euro Versicherungsschäden deckten die tatsächlichen Schäden bei weitem nicht ab.
Schäden in etwa so groß wie der Landeshaushalt
Innenminister Lewentz sagte, nach vorläufigen Erhebungen habe man es nach der Flut insgesamt mit einem Schadensbild von über 20 Milliarden Euro zu tun. "Das entspricht ungefähr dem gesamten Landeshaushalt von Rheinland-Pfalz.", so Lewentz weiter.
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Die Versicherungswirtschaft selbst lehnt eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden ab. GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen sagte dem Spiegel, eine solche Pflicht nähme Hausbesitzern und Unternehmen den Anreiz, gegen Flut- und andere Extremwetterrisiken vorzusorgen. Das könne dazu führen, dass entweder die Prämien für die Versicherungsnehmer unbezahlbar hoch oder am Ende die Risiken für die Versicherer untragbar groß würden.
Die Verbraucherzentrale Bundesverband hält dagegen die Einführung einer Pflichtversicherung für Hausbesitzer gegen Extremwetterschäden für notwendig, sofern sich künftig nicht mehr Hausbesitzer gegen Elementarschäden versichern.