Das Geschäft im Juwelier- und Pfandhaus Hermann in Koblenz brummt. Die Kundschaft wartet schon vor der Tür, bis aufgeschlossen wird. Etliche wollen aber gar nichts kaufen, sondern vielmehr verpfänden.
Armend Kuqi, Gutachter für Edelsteine und Diamanten bei Herrmann, sagt, seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine würden deutlich mehr neue Kunden kommen. "Wir stellen fest, dass wir etwa 30 Prozent Neukunden haben, also Kunden, die zum ersten Mal in unser Haus kommen. Und man merkt auch, dass mittlerweile die Mittelschicht betroffen ist." Und auch der Schmuck, der verpfändet wird, sei hochwertiger geworden, so Kuqi.
Im Pfandhaus Herrmann steht der Inhaber einer Gebäudereinigungsfirma. Die Geschäfte laufen nicht gut. Viele Firmen arbeiten im Homeoffice und kündigen oder reduzieren die Reinigungsverträge. Was bleibt ihm übrig? Er verpfändet seine Rolex, die er sich in guten Zeiten leisten konnte. 15.000 Euro zahlt ihm das Pfandhaus dafür. Maximal vier Monate hat er nun Zeit, die Uhr wieder abzuholen, ansonsten muss der Pfandleiher sie öffentlich versteigern. So schreibt es die Pfandleiherverordnung vor.
Pfandhaus in Koblenz zählt mehr Kunden aus dem Mittelstand
Dass Geschäftsleute, zum Beispiel auch Handwerker, sich im Pfandhaus schnelles Geld holen, ist gar nicht so selten. Bernd Barz, Filialleiter des City Leihhauses in Landau und Ludwigshafen erzählt folgende Situation:
"Ein Handwerker braucht dringend Geld, um Löhne auszuzahlen, aber die Kunden zahlen nicht rechtzeitig. Deswegen zur Bank gehen, ist manchen zu aufwändig oder sie würden gar kein Geld bekommen. Also wird eine Maschine oder ein Firmenwagen für zwei Wochen verpfändet. Das Pfandhaus stellt das Geld innerhalb von Minuten zur Verfügung und der Handwerker kann seine Leute ausbezahlen. Hat sein Kunde bezahlt, löst er das Pfand wieder aus. Und alles ist gut."

Barz beobachtet, dass die Stammkundschaft seit einiger Zeit wieder öfter kommt. Kunden, die am Ende des Monats noch 50 bis 200 Euro brauchen, um über die Runden zu kommen. "Sehr viele bringen dann ihre Handys und holen sie am Monatsanfang wieder ab", erklärt er. Dass es viele neue Kunden gibt, und nicht mehr nur aus den ärmeren Gesellschaftsschichten sondern auch aus dem Mittelstand, kann er nicht bestätigen. "Ich erwarte, dass die Pfandhäuser zum Herbst hin mehr zu tun haben werden, wenn sich die steigenden Energiekosten richtig bemerkbar machen", sagt er.
Pfandhäuser kämpfen gegen Vorurteile
Das Pfandhaus hat in Europa eine Jahrhunderte alte Tradition und aus verschiedensten Gründen haftet ihm zu Unrecht ein schlechtes Image an. "Oft werden Pfandleiher in einem Atemzug mit Hehlern genannt und in die kriminelle Ecke gestellt. Dabei gibt es für das Pfandkreditgewerbe strenge gesetzliche Vorgaben", sagt der Geschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Pfandkreditgewerbes, Wolfgang Schedl.
Die meisten Pfandleiher würden sich auch als eine Art soziale Einrichtung verstehen. "Nicht umsonst wurden Pfandhäuser während der Lockdowns in der Corona-Pandemie als systemrelevant eingestuft", sagt Schedl.
Pfandhaus ist oft die letzte Anlaufstelle
"Zu uns kam einmal ein Rentner", erzählt Kuqi vom Pfandhaus Hermann in Koblenz. "Er hatte kein Geld mehr und bis zur nächsten Rentenzahlung dauerte es. Eigentlich hatte er nichts von Wert, das wir hätten beleihen können. Aber wir haben die Sachen trotzdem angenommen und ihm 60 Euro ausgezahlt, damit er sich was zu essen kaufen konnte. Das macht man dann einfach." Auch ins City Leihhaus nach Ludwigshafen kommen Kunden immer wieder, weil das Geld einfach nicht den ganzen Monat reicht.
Über 90 Prozent der Kunden holen nach Angaben des Zentralverbandes ihre Wertgegenstände auch wieder ab. Für die meisten ist das Pfandleihhaus eine Überbrückungshilfe, bis wieder bessere Zeiten kommen. Wie sich die wirtschaftliche Situation in Rheinland-Pfalz entwickelt, wird man auch daran ablesen können, ob weiterhin so viele Kunden ihre verpfändeten Sachen wieder abholen.