- Detlef S. wurde zu 14,5 Jahre in Haft und anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt.
- Die Stieftochter Natascha versucht heute ein normales Familienleben zu führen.
- Gegen das Jugendamt des Kreises Altenkirchen wurden damals schwere Vorwürfe erhoben.
- Im kleinen Ort Fluterschen im Westerwald hat der Fall Spuren hinterlassen.
Das Gericht verurteilte Detlef S. am 22. März 2011 zu 14 Jahren und 6 Monaten Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung. Der damals 48-Jährige hatte seine Tochter und Stieftochter in mehr als 160 Fällen schwer missbraucht und vergewaltigt.
Mit der damals 28-jährigen Stieftochter Natascha zeugte er insgesamt acht Kinder in zehn Jahren. Alle lebten unter einem Dach in dem kleinen Ort im Westerwald. Auch seinen Stiefsohn Björn hatte Detlef S. schwer misshandelt.
Richter bezeichnete Detlef S. als "grenzenlosen Egoisten"
Der Richter bezeichnete den Angeklagten damals als grenzenlosen Egoisten, der sämtliche Familienmitglieder als persönlichen Besitz betrachtet habe. Er habe ein Gebäude der Angst errichtet und mit massiven Bedrohungen und Einschüchterungen zu verhindern gewusst, dass sich die Familie gegen ihn auflehnt.
Die mögliche Höchststrafe für Detlef S. wären 15 Jahre Haft gewesen. Weil der 48-Jährige einen Tag vor dem Urteil noch ein umfassendes Geständnis abgelegt hatte, fiel das Urteil etwas milder aus.
Sicherungsverwahrung nach der Haft
Die Sicherungsverwahrung begründete das Gericht damals damit, dass Detlef S. einen Hang zu Straftaten habe. Nach seiner Entlassung bestünde die Gefahr, dass er weiterhin die eigenen Kinder oder Kinder einer neuen Familie missbrauchen könnte.
Detlef S. hatte seine leibliche Tochter und seine Stieftocher Natascha außerdem zur Prostitution gezwungen. Zwei der Freier wurden in weiteren Prozessen verurteilt. Einer von ihnen floh damals.
Natascha S. wirft ihrer Mutter vor, von dem jahrenlangen Missbrauch gewusst zu haben. Staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen die Mutter wurden aber eingestellt. Natascha hat heute keinen Kontakt mehr zu ihr, sagt ihre Anwältin Katharina Hellwig, die Natascha als Nebenklägerin vertreten hat. Mit der leiblichen Tochter von Detlef S. stehe sie aber sporadisch in Kontakt.
Stieftochter Natascha lebt heute normales Familienleben
"Die heute 37-jährige Natascha versucht ein normales Leben mit ihrem Ehemann und ihren Kindern zu leben", erzählt Katharina Hellwig. Ein Sohn ist bereits ausgezogen und hat selbst ein Kind. Vier Kinder leben bei ihr, die anderen in einer Einrichtung. Natascha ist seit zehn Jahren in therapeutischer Behandlung.
Vorwürfe gegen das Jugendamt des Kreises Altenkirchen
Im Zusammenhang mit dem Prozess kamen auch schwere Vorwürfe gegen das Jugendamt des Kreises Altenkirchen auf. Dieses hatte im Jahr 2000 die Adoption von Natascha und ihrer leiblichen Brüder Björn und Peter zugelassen, obwohl bereits zwei Jahre zuvor körperliche Misshandlungen in der Familie aktenkundig geworden waren.
Während des Strafverfahrens gingen Anzeigen gegen den Jugendamtsleiter wegen unterlassener Hilfeleistung und "Begünstigung von sexuellen Handlungen mit Minderjährigen" bei der Polizei ein. Ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft wurde damals allerdings eingestellt.
Darüber hinaus hatte das Jugendamt ein Rechtsgutachten bei einem ehemaligen Richter in Auftrag gegeben. Dieses kam zu dem Ergebnis, dass dem Jugendamt keine Versäumnisse in dem Fall vorzuwerfen sind.
Nataschas Anwältin Katharina Hellwig sieht das anders: "Es fing damit an, dass die Akten nicht nummeriert waren, das also zu jedem Zeitpunkt jedes Blatt aus der Akte hätte genommen werden können, was auf irgendwelche Hinweise hindeutete. Komischerweise hatten die Mitarbeiter des Jugendamtes auch alle eine 'Amnesie', die für mich nicht erklärlich war."

Bürgermeister: Fluterschen von Medien überrannt
In Fluterschen selbst hat der Fall Spuren hinterlassen - auch bei Bürgermeister Ralf Lichtenthäler, der damals schon im Amt war. "Ich hatte beim Aufräumen meines Büros den Ordner zu den Ereignissen kürzlich noch zufällig in der Hand. Die Menschen im Ort haben die schrecklichen Ereignisse bis heute nicht verarbeitet," sagt er.
Für den kleinen Ort, in dem gerade mal 750 Einwohner leben, sei es sehr belastend gewesen national und international in den Medien gewesen zu sein. Es seien unzählige Journalisten gekommen, die zum Teil die Bewohner beim Gassigehen verfolgt hätten und mit ihnen sprechen wollten.
"Ich habe damals sogar den Bürgermeister von Amstetten angerufen", erzählt Lichtenthäler. Von ihm habe er sich Rat geholt, wie der Ort am besten mit dem ganzen Medienrummel umgehen könne. Im österreichsichen Amstetten lebte Josef Fritzl, der seine Tochter im Keller gefangen hielt, vergewaltigte und mit ihr sieben Kinder zeugte. In Anlehnung an diesen sehr ähnlichen Fall, wurde Detlef S. in den Boulevardmedien deshalb auch "Der deutsche Fritzl" genannt.
Das Haus, in dem die Familie lebte, gibt es noch. "Darin wohnen auch wieder Menschen", erzählt der Bürgermeister. Während der Flüchtlingskrise hätten dort bis zu 15 Flüchtlinge gelebt. Während dieser Zeit habe es einige Umbauten im Haus gegeben, so Lichtenthäler.