Berndroth im Rhein-Lahn-Kreis im August: Die Ukrainerin Alla Kramer ist endlich wieder zu Hause bei ihrer Familie. Lange Monate der Angst und des Wartens sind vorbei. Eigentlich könnte alles wieder normal sein, so wie vor dem russischen Angriff auf die Ukraine vor mittlerweile sechs Monaten.
Doch die gelernte Krankenschwester will nicht all zu lange bleiben. Sie denkt darüber nach, zurück in ihr Heimatland zu gehen und sich dort einer Hilfsorganisation anzuschließen, die an die gefährlichsten Orte in der Ukraine fährt, dort bei Evakuierungen hilft und Tote birgt. "Die brauchen immer Menschen, die helfen", sagt die 44-Jährige.

Ukrainerin überlegt, erneut in den Krieg zu fahren
Und da ist sie wieder mit voller Wucht: die Angst um Alla. Für ihre Familie im Taunus ist ihr Vorhaben eine Schreckensbotschaft. "Klar brauchen die Leute, denen gehen auch viele verloren", sagt ihr Mann Kai und meint die Hilfsorganisation von der seine Frau redet. Er schüttelt den Kopf, sagt, er verstehe es...weiter spricht er nicht.
"Für jede Familie ist es schwer."
Alla Kramer weiß, dass es schwierig ist für ihre Familie. "Aber für jede Familie ist es schwer", sagt sie und es klingt fast wie eine Entschuldigung, eine Rechtfertigung. Dennoch macht die Angst ihrer Familie etwas mit ihr. Sie beginnt zu überlegen: Ist es richtig, nochmal zu fahren - in einen noch gefährlicheren Einsatz als sonst schon?
Als Krankenschwester im Ukrainekrieg
Rückblick: Der Ukraine-Krieg hatte gerade angefangen, da fuhr die gebürtige Ukrainerin in ihre Heimat, um zu unterstützen. Seit 20 Jahren war sie da bereits in Deutschland, arbeitete als Krankenschwester in Wiesbaden. In den Krieg zu fahren, war eine Hau-Ruck-Entscheidung, die ihre Familie verkraften musste.
Denn die hatte Angst um ihre Frau und Mutter. "Es ist schwer," sagt die 18-jährige Tochter Jasmin damals. Dennoch könne sie verstehen, warum sie es mache. "Wie könnte sie ruhig hier sitzen, wenn in ihrem Land so viele schreckliche Dinge passieren?"
Der Hof in Berndroth wird zur Sammelstelle für Spenden
Auch sie wollen von Deutschland aus helfen und starten eine Sammelaktion für Spenden. Da kommt viel zusammen, und das Engagement rund um die Spenden hält die Familie in Atem. Doch Aktionen, die ihre Mutter in der Ukraine macht, beunruhigen die Familie immer wieder. Zum Beispiel, dass sie Medikamente in das umkämpfte Kiew fahren will. Dort, wo zu diesem Zeitpunkt noch Bomben einschlagen.
"Wie könnte sie ruhig hier sitzen, wenn in ihrem Land so viele schreckliche Dinge passieren?"
Umso größer ist die Erleichterung, als Alla Kramer Mitte Mai zu ihrer Familie zurückkehrt. Jasmin vergisst fast, dass sie keine Schuhe anhat, als sie losrennt, um ihre Mutter zu begrüßen. Doch die Normalität hält nicht lange an. Mit vielen Spenden im Gepäck geht es für Alla Kramer im Juni zurück in den Krieg. Zuhause im Taunus bleibt wieder nur die Angst zurück.

Zwischen Familie und Hilfseinsatz
Doch wie oft kann sie das ihrer Familie noch zumuten? Jetzt, im August, wo Alla Kramer wieder zu Hause in Berndroth ist, ist sie sich nicht mehr so sicher, ob sie überhaupt wieder in die Ukraine fährt. "Meine Kinder haben Angst um mich. Gerade für meine Tochter ist es sehr schmerzhaft", sagt sie. Gleichzeitig wird sie gerade als Krankenschwester in der Ukraine auch gebraucht. Ob sie wirklich noch einmal zurückfährt und sich der Hilfsorganisation anschließend wird? Noch hat Alla Kramer sich nicht entschieden.