Der heute 51 Jahre alte Angeklagte muss sich wegen Mordes und 20-fachen Mordversuchs verantworten - vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Koblenz. Laut Anklage wird Peter S. der rechtsextremen Szene zugeordnet. Die Zuständigkeit des OLG Koblenz in Rheinland-Pfalz ergibt sich aufgrund eines Staatsvertrages mit dem Saarland.
Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten außerdem Brandstiftung mit Todesfolge und Brandstiftung mit versuchter Todesfolge vor. Er sitzt seit dem Frühjahr in Untersuchungshaft.
Verteidiger kritisiert Anklage zum Brandanschlag
In einer Eröffnungserklärung kritisierte der Verteidiger des mutmaßlichen Mörders Peter S. die Anklageschrift. Die Bundesanwaltschaft versuche den Prozess unzulässigerweise zu politisieren, um eine vermeintliche Verbindung zu den rassistischen Übergriffen der frühen 1990-er Jahre in ganz Deutschland herzustellen. Für einen späteren Zeitpunkt kündigte er eine Einlassung des Angeklagten an.
Damit war der erste Prozesstag nach 30 Minuten vorbei. Die Verhandlung wird am 28. November fortgesetzt. Bislang sind neun Verhandlungstage angesetzt - bis Mitte Dezember. Im Vorfeld des Prozesses hieß es vom Oberlandesgericht Koblenz, dass Peter S. die Tat bestreite.
das ARD radiofeature Mordfall Yeboah – Doku über die späte Verfolgung rechter Gewalt
Samuel Yeboah stirbt 1991 bei einem Brandanschlag. 30 Jahre später wird ein Neonazi verhaftet. Wurde auch bei weiteren Brandanschläge unzureichend ermittelt, rechte Gewalt bewusst kleingeredet?
31 Jahre nach Brandanschlag: Angehörige hoffen auf Aufklärung
Nach früheren Angaben der Bundesanwaltschaft soll sich S. am späten Abend des 18. Septembers 1991 in Saarlouis mit Gesinnungsgenossen in einer Gaststätte getroffen und über die rassistisch motivierten Anschläge auf Unterkünfte für Ausländer in Hoyerswerda gesprochen haben.
Dabei hätten seine Gesprächspartner deutlich gemacht, dass sie solche Anschläge auch in ihrer Stadt begrüßen würden. In Hoyerswerda hatte es im September 1991 über mehrere Tage rassistisch motivierte Übergriffe gegeben. Die Ausschreitungen waren der Beginn einer ganzen Serie von rechtsextremen Gewalttaten in Deutschland.

Samuel Yeboah erlitt schwere Brandverletzungen im Flüchtlingsheim
Nach Schließung der Kneipe am frühen Morgen des 19. Septembers sei der mutmaßliche Täter S. in die Asylbewerberunterkunft in Saarlouis gegangen, "um dort aus seiner rechtsextremistischen und rassistischen Gesinnung heraus einen Brand zu legen", so die Bundesanwaltschaft.
Der damals 20-Jährige habe im Treppenhaus Benzin verschüttet und angezündet. Das Feuer habe sich mit großer Geschwindigkeit ausgebreitet. Im Flur des Dachgeschosses erfasste es den 27 Jahre alten Samuel Yeboah. Er starb noch am selben Tag an schwersten Verbrennungen und einer Rauchvergiftung.
Brandanschlag in Saarlouis gehört bislang zu den ungelösten extremistischen Mordfällen
Zwei weitere Bewohner konnten sich nur durch Sprünge aus dem Fenster retten, wobei sie Knochenbrüche erlitten. Die übrigen 18 Bewohner konnten sich unverletzt in Sicherheit bringen. Nach dem Anschlag blieben die Ermittlungen zunächst ohne Erfolg und wurden eingestellt.
Der Fall galt als bekanntester ungelöster extremistischer Mordfall Deutschlands. Erst vor zwei Jahren hatte die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen wegen neuer Erkenntnisse wieder aufgenommen und den Fall des ungeklärten Brandanschlags übernommen.

Neue Ermittlungen zum Brandanschlag durch eine Zeugin
Fast drei Jahrzehnte lang hatte der Fall bei der Polizei geruht. 2019 meldete sich plötzlich eine Zeugin. Sie berichtete der Polizei von einem Grillfest, auf dem sie mit einem Gast über den Brandanschlag ins Gespräch gekommen sei. Der Mann habe schließlich erklärt, dass er es gewesen sei und die Polizei ihn nie erwischt habe.
Aufarbeitung bei der Polizei erst Jahrzehnte später
Im Januar 2021 wurden die Wohnung und der Arbeitsplatz von S. durchsucht, ausgelöst durch eine Zeugenaussage. Anfang April 2022 folgte die Festnahme. Zu diesem Anlass entschuldigte sich der saarländische Polizeipräsident Norbert Rupp dafür, dass "offensichtlich auch Defizite in der damaligen Polizeiarbeit" zur Einstellung der Ermittlungen geführt hätten. Eine Arbeitsgruppe arbeitet seitdem mögliche Versäumnisse auf.
Bisherigen Erkenntnissen zufolge funktionierte die saarländische Polizei in der damaligen Organisationsstruktur - zum Beispiel in der dezentralen Bearbeitung von Tötungsdelikten - in Teilen nicht richtig. Es seien Defizite bei der Erhebung, Verarbeitung und Weitergabe von Informationen festgestellt worden. Diese Versäumnisse würden intensiv aufgearbeitet.