Gerichtspräsident kritisiert langes Genehmigungsverfahren

Landgericht Koblenz am Limit: Zu wenig Platz für große Prozesse

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Das Landgericht Koblenz braucht mehr Platz für Großverfahren. Ein zweiter großer Saal ist schon lange geplant, aber immer noch nicht umgesetzt, kritisiert Gerichtspräsident Stephan Rüll - und warnt vor den Folgen.

Jeder Angeklagte hat das Recht auf ein zügiges Verfahren - das schreibt der Gesetzgeber vor. Niemand soll unnötig lange auf ein Urteil warten müssen, schon gar nicht in Untersuchungshaft. Doch genau dieses Recht könnte am Landgericht Koblenz gefährdet werden, fürchtet Gerichtspräsident Stephan Rüll.

Der Präsident des Landgerichts Koblenz, Stephan Rüll, in seinem Büro. Er hofft, dass das Landgericht bald einen zweiten großen Saal für Gerichtsprozesse bekommt.
Der Präsident des Landgerichts Koblenz, Stephan Rüll, hat kaum noch Bücher in seinem Büro. Die brauche er auch nicht mehr, sagt er. Man könne im Internet alle Gesetze, Kommentare und Entscheidungen finden und nachlesen. Deshalb brauche man auch die Bibliothek im Landgericht nicht mehr.

Landgericht Koblenz hat nur einen großen Gerichtssaal

Denn im Landgericht Koblenz gibt es nur einen Gerichtssaal, der groß genug ist für Verfahren mit mehr als fünf Angeklagten. Für solche Verfahren braucht man Platz - für die Richter und Angeklagten, Staatsanwälte und Verteidiger, Sachverständige und Zeugen, Wachleute, Protokollführer, mögliche Dolmetscher und Zuschauer. "Bis jetzt bekommen wir das alles gerade noch so hin", sagt Rüll. Doch in Zukunft könnte es eng werden.

Nach seinen Angaben gibt es immer mehr solcher Großverfahren am Landgericht Koblenz, etwa bei Banden im Bereich der Internetkriminalität. Beginne ein Prozess, sollte er möglichst zwei Mal in der Woche verhandelt werden, damit das Verfahren zügig laufen kann, sagt Rüll. Das bedeute aber auch, dass eigentlich nur zwei solcher Verfahren parallel am Landgericht stattfinden können.

Bis jetzt bekommen wir das alles gerade noch so hin.

Was passiert aber, wenn plötzlich mehr große Verfahren hinzukommen, die aus Platzmangel nicht oft genug verhandelt werden können? Dann könnte es laut Rüll dazu kommen, dass Angeklagte möglicherweise aus der U-Haft entlassen werden müssen, weil der Prozess zu lange dauert. Oder dass für viel Geld eine Ausweichmöglichkeit angemietet werden muss, etwa eine Halle.

Aus der Bibliothek soll ein Gerichtssaal werden

Rüll geht Ende Juni in den Ruhestand. Bis dahin wollte er das Platz-Problem eigentlich gelöst haben. Doch daraus wird nichts. Und das, obwohl es seit fast fünf Jahren schon eine Lösung gibt. Die Bibliothek im Landgericht Koblenz könnte für Großverfahren umgebaut werden, denn sie wird nicht mehr gebraucht.

Die Idee für den Umbau stammt nach Angaben des Gerichtspräsidenten aus dem Herbst 2020. Damals reichte Rüll das Konzept beim rheinland-pfälzischen Justizministerium ein. Bereits zwei Wochen später kam grünes Licht: Der Landesbetrieb Liegenschafts- und Baubetreuung (LBB) bekam den Auftrag zur Prüfung und Kostenschätzung.

Wann kommt der neue große Gerichtssaal?

Der Gerichtspräsident hoffte damals, dass der neue Saal 2024 fertig sein würde. Jetzt sieht es mindestens nach 2027 aus. Denn nach fast fünf Jahren befindet sich das Projekt laut Rüll immer noch in der Genehmigungsplanung.

Die leeren Regalen in der nicht mehr genutzten Bibliothek im Landgericht Koblenz: Der Raum mit angrenzendem Leseraum soll zu einem neuen Saal für Großverfahren werden.
Die Bibliothek im Landgericht Koblenz wird nicht mehr genutzt und soll mit dem angrenzenden Leseraum zu einem etwa 270 Quadratmeter großen Gerichtssaal ausgebaut werden. Das soll eine Entlastung für das Platz-Problem werden.

Die Machbarkeitsstudie mit Kostenschätzung lag nach rund zwei Jahren vor. Dann dauerte es weitere sechs Monate, bis die LBB-Zentrale in Mainz ihre Niederlassung in Koblenz beauftragte, die konkrete Planung und Ausschreibung vorzubereiten. Jetzt würden die ersten Aufträge ausgeschrieben. "Vielleicht müsste man mal die Abläufe bei der zuständigen Landesbehörde überprüfen und verbessern?", fragt Rüll mit Blick auf die lange Planungsdauer.

Es ist schon erstaunlich, dass das so lange dauert.

LBB weiß noch nicht, wann der Umbau losgeht

Die Antwort, die der Landesbetrieb Liegenschafts- und Baubetreuung (LBB) auf diese Frage gibt, ist nicht sonderlich konkret. Das Projekt ziehe sich so in die Länge, heißt es in einer Antwort auf eine Anfrage des SWR, weil "von der ersten Idee des Umbaus der Bibliothek in einen zweiten Schwurgerichtssaal zunächst die Anforderungen an den Gerichtssaal formuliert werden mussten."

Man habe erstmal prüfen müssen, ob der Umbau baulich und technisch überhaupt möglich ist, etwa mit Blick auf die Statik und den Brandschutz: Daher konnte der LBB erst im Frühjahr 2023 mit der Umsetzung der Maßnahmen beauftragt werden.

Momentan werde geklärt, was der Umbau kosten wird und wie er genau ablaufen soll. Weiter heißt es von der LBB-Zentrale in Mainz: "Belastbare Angaben zum Baubeginn sind zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht möglich. Die Bauzeit an sich ist mit rund anderthalb Jahren veranschlagt."

Der Präsident des Landgerichts Koblenz, Stephan Rüll, im Treppenhaus: Hier könnte beim Umbau der Bibliothek zu einem Gerichtssaal für Großverfahren ein neuer Fluchtweg entstehen.
Der Präsident des Landgerichts Koblenz, Stephan Rüll, im Treppenhaus: Hier könnte beim Umbau der Bibliothek zu einem Gerichtssaal für Großverfahren ein neuer Fluchtweg entstehen.

Sanierung des ganzen Landgerichts Koblenz wird Mammutaufgabe

"Mit den Kolleginnen und Kollegen vom LBB hier in Koblenz arbeiten wir gut zusammen“, betont Rüll. "Ich weiß nicht, woran es hängt. Es ist schon erstaunlich, dass das so lange dauert." Und im Vergleich zu dem, was dem Landgericht Koblenz noch bevorsteht, sei der Umbau der Bibliothek eigentlich nur eine Kleinigkeit.

Denn das gesamte Gerichtsgebäude aus den 1950er Jahren muss nach seinen Angaben dringend saniert werden, auch energetisch. Doch eine Sanierung bei laufendem Betrieb sei unmöglich: Durch die Stahlbetonskelettbauweise breite sich der Baulärm im ganzen Haus aus. "Dann wird es so laut, dass man sich nicht mehr auf seine Arbeit konzentrieren kann", sagt Rüll. "Und auch keine Verhandlungen führen kann."

Möglicherweise müsse deshalb das gesamte Landgericht Koblenz während der Sanierung vorübergehend an einen anderen Standort verlegt werden. Das werde teuer - und eine Mammutaufgabe für seine Nachfolger in den kommenden Jahrzehnten.

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SWR