Dieser Richterspruch hat Jaqueline aufatmen lassen: Der High Court of Namibia, das höchste Gericht im Land, hat den Antrag auf Straferlass von Thomas F. abgelehnt - dem Mann, der im Juni 1998 ihre Mutter in der Küstenstadt Swakopmund in Namibia ermordet hatte. Der Gedanke, dass er aus der Haft freikommen könnte, hatte die junge Westerwälderin in den vergangenen Wochen sehr belastet. Deshalb sei sie über den Richterspruch des High Court of Namibia vom Freitag sehr erleichtert, sagte Jaqueline dem SWR.
"Ich bin über den Richterspruch sehr erleichtert."
Drei Mal hat Thomas F. seit seiner Verurteilung wegen Mordes an Jaquelines Mutter versucht, aus der Haft frei zu kommen. Zuletzt wandte er sich im Oktober 2021 an das höchste Gericht in Namibia. Der deutsche Auswanderer wollte erreichen, dass er zur Bewährung oder zur bedingungslosen Entlassung empfohlen wird. So, wie es das namibische Gefängnisgesetz vorsehe. Doch der High Court entschied gegen ihn: Unter anderem mit der Begründung, im namibischen Gefängnisgesetz sei keine Höchstdauer für lebenslange Freiheitsstrafen vorgesehen.
Berüchtigter Mordfall in der Kriminalgeschichte von Namibia
Man hört Jaqueline an, wie schwer es ihr fällt, über Thomas F. zu sprechen. Er ist ihr leiblicher Vater, doch Jaqueline nennt ihn so nicht mehr und will auch nicht als seine Tochter bezeichnet werden. Trotzdem war es ihr wichtig, über ihre Geschichte zu sprechen. "Es muss sein, denn es wäre für mich ein noch größeres Problem, wenn er aufgrund einer Lüge frei käme", sagte Jaqueline, die heute im Westerwald lebt, vor kurzem dem SWR. Zuerst hatte das Online-Medium BEN-Kurier aus dem Rhein-Lahn-Kreis berichtet.
Auch rund 25 Jahre nach der Tat gilt der Fall des deutschen Thomas F. als einer der bekanntesten in der namibischen Kriminalgeschichte: Der Auswanderer ermordete im Sommer 1998 seine Ehefrau Monika - Jaquelines Mutter - mit zwei Schlägen gegen den Kopf. Danach zerstückelte er ihre Leiche und kochte Teile davon ein. Die Behälter mit ihren sterblichen Überresten versteckte er danach auf dem Dachboden.
Von Namibia in Afrika in den Westerwald
Die Ehe der beiden sei zerrüttet gewesen, schrieb damals etwa die Zeitung "The Namibian" aus der namibischen Hauptstadt Windhoek. Es habe Streit gegeben, weil Thomas F. seine Aufenthaltsgenehmigung in Namibia verlieren sollte und seine beiden Kinder mit zurück nach Deutschland nehmen wollte. Seine Frau Monika dagegen habe sich in Afrika ein eigenes Leben aufbauen wollen.
"Ich habe schon als Kind geahnt, dass er meine Mutter getötet haben könnte."
Jaqueline war gerade vier Jahre alt, als sie zusammen mit ihrem jüngeren Bruder von Familienangehörigen zurück nach Deutschland geholt wurde. Die beiden Kinder wuchsen nach dem Mord an ihrer Mutter im Westerwald auf. Schon als Kind habe sie geahnt, dass er ihre Mutter getötet haben könnte, erzählt Jaqueline. Intensiv nachgefragt habe sie aber erst als Teenagerin mit zwölf oder dreizehn Jahren.
Namibische Medien berichten immer wieder über Fall von Thomas F.
Im Prozess stritt Thomas F. die Tat zunächst ab. Trotzdem wurde er Ende 1999 wegen Mordes und Leichenschändung zu lebenslanger Haft verurteilt. Schon seit 2013 kämpft er für seine Freilassung und hat in diesem Zusammenhang die Vorwürfe von damals doch noch gestanden - 14 Jahre nach dem Mord an Monika.
Lokale Zeitungen in Namibia berichteten zuletzt ausführlich über die mündliche Anhörung vor dem High Court im vergangenen Dezember, bei der es über die mögliche Freilassung von Thomas F. ging - etwa die deutschsprachige "Allgemeine Zeitung AZ" aus Windhoek. Über den Fall des als "Fleischer von Swakopmund" bekannt gewordenen Mörders werde in Namibia immer viel gesprochen, bestätigte auch Jana Genth, ARD-Korrespondentin in Südafrika. Als Deutsche werde sie in Namibia auch heute noch oft auf den Fall angesprochen.
Diese Zeitungsberichte schickten Bekannte an Jaqueline. Was sie da las, entsetzte die junge Westerwälderin, wie sie dem SWR sagte: In den Berichten wurde betont, dass ihr jüngerer Bruder sich im Gerichtssaal dafür eingesetzt habe, dass Thomas F. nach mehr als 22 Jahren aus dem Gefängnis entlassen wird.
Nach den Zeitungsberichten habe der Bruder dabei der zuständigen Richterin einen Brief überreicht und darin behauptet, er und auch seine Schwester Jaqueline hätten dem heute 54-Jährigen beide vergeben. Die Geschwister warteten darauf, dass er zurück nach Deutschland komme. Sie hätten sogar schon eine Wohnung für ihn renoviert.
Jaqueline wehrt sich gegen Behauptung ihres Bruders
"Das stimmt nicht", sagte Jaqueline dem SWR und betonte im Gespräch, dass ihr Bruder ausdrücklich nicht in ihrem Namen gesprochen habe: Ihr Bruder habe seit ein paar Jahren Kontakt zu Thomas F. und habe auch sie immer wieder dazu drängen wollen. Das lehne sie aber strikt ab. Weil ihr der Druck zu groß geworden sei, habe sie schließlich auch den Kontakt zu ihrem Bruder abgebrochen und seit etwa fünf Jahren nicht mehr mit ihm gesprochen.
Seine Angaben vor dem High Court in Namibia seien deshalb eine Lüge gewesen, sagte Jaqueline. Sie hatte aber große Angst davor, dass sie die Entscheidung der Richter beeinflussen könnte. Deshalb informierte Jaqueline verschiedene Zeitungen und Radiostationen in Namibia über ihren Widerstand gegen eine mögliche Haftentlassung. Jetzt ist sie froh, dass Thomas F. nicht freigelassen und nach Deutschland abgeschoben wird, sondern in Haft bleibt. Sonst hätte er möglicherweise plötzlich vor ihrer Tür im Westerwald gestanden.