Liebesbriefe wie diese lagern im Archiv der Professorin Eva Lia Wyss an der Universität Koblenz. Es ist nach  Universitätsangaben das einzige seiner Art in Deutschland.  (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Picture Alliance)

Niedergeschriebene Gefühle als Forschungsobjekte

Koblenzer Archiv bewahrt tausende Liebesbriefe auf

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Im "Liebesbriefarchiv" der Universität Koblenz-Landau lagern rund 20.000 Liebesbriefe aus mehreren Jahrhunderten. Im Bürger-Projekt "Gruss-und-Kuss" kann jeder helfen, sie zu erforschen.

Sie lagern unter nüchternem Neonlicht in der Bibliothek der Universität Koblenz, aufgereiht im grauen Magazinregal: In den weißen Pappkartons werden die niedergeschriebenen Gefühle von Liebenden für die Ewigkeit verwahrt. "Oh, mein liebes M.", heißt es etwa in in einem Briefwechsel aus dem Jahr 1949, "es war mir, als wollte das Herzlein zerspringen."

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Die Sprachwissenschaftlerin Eva Wyss hat Ende der 1990er Jahre begonnen, Liebesbriefe zu sammeln. "Mir ist damals bewusst geworden, dass es zu Liebesbriefen keine empirische Forschung gibt", sagt die Schweizerin, die an der Universität Koblenz-Landau unterrichtet. Nur ausgewählte Briefe berühmter Persönlichkeiten wie Komponisten oder Dichter seien bekannt, darüber hinaus nichts.

Koblenzer Professorin erforscht Wandel der Liebesbriefe im Laufe der Zeit

In zwei Tageszeitungen schaltete Eva Wyss einen Aufruf - und hatte schnell rund 2.500 Briefe zusammen. Ein Forschungsprojekt über den Liebesbrief im 20. Jahrhundert folgte. Doch was ein "Liebesbrief" sei, könne gar nicht definiert werden, betont die Professorin. Dieser habe sich im Laufe der Zeit immer wieder geändert.

Die Professorin Eva Lia Wyss hält ein Bündel mit handgeschriebenen Liebesbriefen: Sie erforscht an der Universität in Koblenz Liebesbriefe und hat dazu mehrere zehntausend in einem Archiv gesammelt.  (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Picture Alliance)
Die Professorin Eva Lia Wyss erforscht an der Universität in Koblenz Liebesbriefe und hat dazu mehrere zehntausend in einem Archiv gesammelt. Picture Alliance

Die ältesten Stücke im Liebesbriefarchiv stammen aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Handgeschriebenes findet sich ebenso wie auf Schreibmaschine getippte Briefe, säuberliche Handschriften und Gekrakel, Zeichnungen und Verzierungen auf den Seiten. Es gibt Briefe von Erwachsenen, Kindern und Jugendlichen. Auch E-Mails und Whatsapp-Nachrichtenverläufe werden inzwischen aufbewahrt.

Koblenzer Forscherin: Liebesbriefe kommen nicht aus der Mode

Auffällig sei auch, dass sich offenbar immer mehr jüngere Menschen dazu entschlössen, Briefe zu schreiben. "Wir haben ausführliche Briefe von Jugendlichen, die gerade eben noch zwei Stunden telefoniert haben, aber erklärten, sie wollten das im Brief jetzt ausführlicher besprechen."

Dass die Kommunikation per Whatsapp mit Emojis, Symbolen oder Grußformeln unpersönlicher geworden ist, könne sie so nicht bestätigen, erklärt die Sprachwissenschaftlerin Birte Gnau-Franké von der Universität Koblenz-Landau. "Emojis ersetzen ein sprachliches Zeichen, sind in vielen Fällen visuell stärker."

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Bürgerprojekt an Uni Koblenz: Ehrenamtliche transkribieren Liebesbriefe

Zur weiteren Erforschung trägt das Verbundprojekt "Gruß und Kuss - Briefe digital" bei. Bei dem Projekt, das das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert, kümmert sich die Technische Universität Darmstadt um eine Digitalisierung der Liebesbriefe, um den Inhalt zu Forschungszwecken zugänglich zu machen.

Zugleich sind Bürgerinnen und Bürger bei einem sogenannten Citizen-Science-Projekt aufgerufen, selbst mitzuforschen: Viele Interessenten transkribierten Texte, weil sie in der Schule noch Kurrent- oder Sütterlinschrift gelernt hätten, erklärt die wissenschaftliche Mitarbeiterin Lena Dunkelmann, die am Campus Koblenz das Projekt betreut. Bürgerwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler sollen aber auch ermuntert werden, Themen wie "Heimliche Liebe" oder "Liebe auf Distanz" als Gegenstand der Forschung zu bearbeiten.

Gruß und Kuss (Foto: Pressestelle, Universität Koblenz)
Liebesbriefe aus dem Archiv Pressestelle Universität Koblenz

Immer wieder kommen neue Liebesbriefe im Archiv dazu

Und immer wieder erreichen die Archivmitarbeiterinnen neue Liebesbriefe. "Das ist unser Alltagsschatz, den es zu bewahren gilt", diese Reaktion habe sie immer wieder gehört, sagt Sprachwissenschaftlerin Gnau-Franké. Vor der Digitalisierung wird alles geschwärzt, was die Verfasser identifizieren könnte. "Den Persönlichkeits- und Datenschutz nehmen wir sehr ernst", sagt Wyss.

Für die Zukunft hofft die Professorin, dass durch das "Gruß-und-Kuss"-Projekt ganze Briefverläufe systematisch untersucht werden können - und dass die Digitalisierung des Materials weitergeht. "Damit auch alle, die nach uns kommen, darauf zugreifen können. Wir sind dann eines der ersten Archive, das Alltagssprachkultur institutionell als Sammlung bewahrt." Auch der Briefwechsel von 1949 bleibt so bewahrt - und mit ihm die Erinnerungen eines Verliebten an einen glücklichen Sonntagabend: "Du weißt, was ich meine. Ich glaube, wir zwei hatten alles Glück für uns allein reserviert am selben Abend."

Das "Gruß und Kuss»-Team lädt zur wöchentlichen Liebesbriefsprechstunde per Zoom ein: Die nächste Veranstaltung im Rahmen des "Gruß und Kuss"-Projekts findet am 17.02.22 von 17 bis 18:30 Uhr online über Zoom statt. 

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SWR