Alles, was für andere selbstverständlich ist - Shoppen gehen, sich zwischen anderen Menschen bewegen und überhaupt alleine nach draußen gehen - ist für Nicole Kunkel eine riesige Herausforderung. Die 39 Jahre alte Koblenzerin hat Angst, sie hat Albträume, manchmal überfällt sie sogar richtige Panik. Seit "Lotta" in ihr Leben trat, wird das alles aber einfacher, erzählt Nicole Kunkel: Der Assistenzhund helfe ihr jetzt dabei, solche alltäglichen Dinge besser zu bewältigen.
"Mit Lotta kann ich alltägliche Dinge besser bewältigen."
Dazu muss die Koblenzerin mit der Labradorhündin aber täglich üben. Lotta lernte zum Beispiel, sich zwischen ihre Beine zu stellen, um ihr in einer Menschenmenge Sicherheit zu geben. Die Hündin holt sie auch aus depressiven Phasen und Panikattacken. Dann stößt sie Nicole Kunkel mit der Nase an oder leckt ihr über das Gesicht.
Assistenzhunde können PTBS-Patienten unterstützen
Assistenzhunde für Patienten mit einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) können beispielsweise nachts das Licht anmachen, um ihre Besitzer aus einem Albtraum herauszuholen oder sie können Hilfe holen. Die Tiere brauchen dafür nicht einmal ein Kommando: Sie reagieren schon auf kleinste Verhaltensänderungen bei ihren Besitzern und bemerken so etwa schon den Beginn einer Panikattacke. Bei Krankheiten wie Diabetes oder Epilepsie werden Hunde deshalb schon lange darauf trainiert, Patienten zu unterstützen.
Koblenzerin hat jetzt viel mehr Lebensqualität durch Lotta
Nachdem Lotta vor zweieinhalb Jahren als Welpe bei Nicole Kunkel eingezogen ist, hat sie das Leben der schwer traumatisierten Frau radikal verändert. Und mit jedem Schritt nach draußen, gewinnt die Koblenzerin ein bisschen mehr Lebensfreude zurück. Denn Lotta habe ihr die Freiheit verschafft, wieder alleine rausgehen zu können. "Ich habe vor Freude geweint, als ich das erste Mal mit ihr alleine im Wald war. Weil ich das Gefühl hatte, ich kann das jetzt wieder machen. Und mit jeder positiven Erfahrung, dass das gar nicht schlimm ist, dass mir nichts passiert, werde ich immer sicherer."
Assistenzhunde für psychich Kranke sind teuer
Lange hat Nicole Kunkel um Lotta kämpfen müssen. Sie selbst hätte sich den Hund und seine Ausbildung durch professionelle Trainer zum Assistenzhund nicht leisten können. Der "Bundesfonds Sexueller Missbrauch" hat ihr dabei geholfen. Hilfe, die gut investiert ist, sagt ihr Therapeut Bernd Patczowsky aus Lehmen.
Er freut sich über ihre deutlich sichtbaren Fortschritte und ist der Ansicht, dass Behörden und Krankenkassen Assistenzhunde für psychisch Kranke viel mehr unterstützen sollten: "Wenn jemand blind ist und bekommt einen Blindenhund, das versteht jeder. Aber wenn jemand eine Krankheit hat, die man ihm nicht ansieht, eine psychische Krankheit, dann ist das etwas anderes." Selbst bei den Behörden sei noch nicht durchgedrungen, dass auch psychisch kranke Menschen noch mehr Unterstützung bräuchten, kritisiert er.
Traumatisierte Koblenzerin hat Buch über Leben mit Lotta geschrieben
Nicht zuletzt deshalb hat Nicole Kunkel aus Koblenz ein Buch über ihr Leben mit Lotta geschrieben. Nach eigenen Angaben erhält sie zahlreiche Reaktionen auf "Lotta und ich - Licht im Dunkel." Das zeige ihr, dass sie mit ihren Problemen nicht alleine ist.
In ihrem Buch beschreibt die 39-Jährige, wie Lotta in ihr Leben trat und ihre erste gemeinsame Zeit: Das Kennenlernen und das Training. Nicht ohne Humor, einmal aus Lottas und das andere Mal aus ihrer eigenen Perspektive. Die Koblenzerin beschreibt aber auch ihren Kampf mit den Behörden, die ihr ohnehin schweres Leben noch schwerer gemacht hätten. Und sie erzählt von ihren Erfahrungen mit Hundetrainern, die oft auch alles andere als positiv waren. Das Buch kostet 16 Euro 95, es ist im Buchhandel im Baltrum Verlag/Edition Scharf erhältlich.