Seltene neunstündige Operation

Ärztin im Interview: So kompliziert ist es, eine abgetrennte Hand wieder anzunähen

Stand

Ein Forstarbeiter verliert durch einen Arbeitsunfall im Wald seine Hand. In einer neunstündigen Operation näht die Handchirurgin und Oberfeldärztin Dr. Katrin Ettmüller vom Bundeswehrzentralkrankenhaus in Koblenz sie wieder erfolgreich an. Im Interview erzählt sie, wie kompliziert so eine Operation ist.

SWR Aktuell: Vor einigen Tagen ist ein Mann zu Ihnen ins Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz gekommen, der einen Arbeitsunfall im Wald hatte. Er ist mit der Hand in einen Holzspalter geraten und hat sie sich dabei abgetrennt. Was war denn das Besondere an diesem Fall? 

Dr. Katrin Ettmüller: "Kleinere" Amputationsverletzungen wie Finger, Daumen, das sieht man regelmäßig. Aber dass wirklich mehr oder weniger die gesamte Hand betroffen ist, das ist etwas Besonderes. In diesem Fall war der Schnitt im Bereich der sogenannten Mittelhand, wo die komplexeste Gefäßversorgung stattfindet. Das war die Herausforderung. 

SWR Aktuell: Wie lief das für Sie als Ärztin ab? 

Ettmüller: Es war kurz vor unserem Feierabend, da wurde uns dieser Patient angekündigt. Da ich zurzeit die Einzige in diesem Haus bin, die diese Replantations-Chirurgie auch durchführen kann, bin ich natürlich geblieben. Und nachts um halb vier habe ich dann das Krankenhaus wieder verlassen. Da steht man dann noch relativ lange unter Adrenalin. Das legt sich nach einer solchen OP erst ein, zwei Tage später. Vor allem wenn alles funktioniert, die Hand gut durchblutet ist und auch während der Operation keine Probleme mehr macht. Aber nichtsdestotrotz weiß man natürlich um den Zeitraum, der noch kommt und es ist immer so eine gewisse Beunruhigung mit dabei. Letztendlich brauche ich wirklich etwa die gesamte Woche bis die kritische Phase überstanden ist und ich mich nach so einer Operation dann entspannen kann.  

SWR Aktuell: Wie reagieren denn die Patienten, wenn sie aus der Narkose nach einer solchen Operation wieder aufwachen? 

Ettmüller: Die meisten sind sehr dankbar. Am Anfang muss man das Ganze natürlich noch ein wenig dämpfen, denn die ersten fünf bis sieben Tage sind sehr kritisch. Da kann noch alles passieren und die gesamte Hand dann auch wieder verloren gehen. Aber wenn dieser Zeitraum geschafft ist, sind die meisten einfach nur glücklich, dass die Hand oder der Finger wieder da ist, auch unter der Perspektive, dass eine sehr lange Rehabilitation erforderlich ist. 

SWR Aktuell: Eine solche Operation ist ja relativ selten und auch nicht alle Krankenhäuser können sie überhaupt anbieten. Was ist denn notwendig dafür? 

Ettmüller: Zunächst natürlich eine Ausbildung: Ich persönlich habe zuerst den Facharzt für Plastische Chirurgie gemacht, wo ich mit der sogenannten Mikrochirurgie, also dem feinsten Arbeiten unter dem Mikroskop in Kontakt gekommen bin und das auch häufig durchgeführt habe. Zumal dort auch sehr viel Handchirurgie mit abgebildet wird. Dann kommt die Ausbildung zum Handchirurgen. Man muss in der Lage sein, unter dem Mikroskop arbeiten zu können. Diese Geräte müssen natürlich auch vorhanden sein, das haben auch nicht alle Krankenhäuser. Außerdem muss das Gewebe in einem solchen Zustand sein, dass es wieder zusammengenäht werden kann. Das geht bei geraden Schnitten deutlich einfacher. 

SWR Aktuell: Wie oft kommt eine solche Operation vor? 

Ettmüller: Ganze Hände sind nach wie vor eine Seltenheit, aber einzelne Fingerteile, das ist durchaus häufiger. Mittlerweile werden wir auch gezielt angefragt.  

SWR Aktuell: Wenn bei einem Unfall ein Körperteil abgetrennt wird: Wie transportiert man das denn am besten, um die Chancen auf eine Heilung zu erhalten? 

Ettmüller: Also das Einfachste ist, wenn die Körperteile in einer Tüte verwahrt werden, im Optimalfall vielleicht in einem sauberen Tuch eingewickelt. Diese Tüte wird dann in eine zweite Tüte verpackt, in der sich Eiswasser befindet, um das Ganze zu kühlen. Das Wichtigste ist, dass die abgetrennten Gliedmaßen auf gar keinen Fall direkt mit Wasser oder Eis in Kontakt kommen, denn sonst drohen Erfrierungen. Und dann wird es nahezu unmöglich, sie wieder anzufügen. 

SWR Aktuell: Das hat in diesem Fall ja geklappt: Wie ist denn der Kontakt zu dem Patienten? 

Ettmüller: Der Patient wird über unsere eigene berufsgenossenschaftliche Ambulanz weiter von uns behandelt. Da ist das natürlich schon eine professionelle Ebene. Aber ich würde lügen, wenn ich sage, ich habe kein spezielles Interesse daran, diesen Fall weiter intensiv zu verfolgen! 

Das Interview führte SWR-Reporter Joachim Wulkop.

Noch mehr zum Thema Operationen

Koblenz

Komplizierte und seltene Operation Nach Arbeitsunfall: Ärzte in Koblenz nähen Hand wieder an

Ein Forstarbeiter trennt sich beim Arbeiten im Wald eine Hand ab. Doch er hat Glück: Spezialisten im Bundeswehrzentralkrankenhaus operieren ihn neun Stunden lang - mit Erfolg.

Am Nachmittag SWR4 Rheinland-Pfalz

Stand
AUTOR/IN
SWR