Interview zur Amtseinführung

Neuer Leiter des Polizeipräsidiums Jürgen Süs: "In Koblenz lebt es sich sehr sicher!"

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Jürgen Süs ist der neue Leiter des Polizeipräsidiums Koblenz. Im Interview mit dem SWR erklärt er, welche Herausforderungen er bei der Polizei sieht und angehen will.

Jürgen Süs leitet als designierter Präsident des Polizeipräsidiums Koblenz das größte im Land. Er ist verantwortlich für die strategische Ausrichtung des Präsidiums, für die Abwehr von Gefahren und die Verfolgung von Straftaten in einem Zuständigkeitsbereich, in dem mehr als 1,2 Millionen Menschen leben. Süs muss sich aber auch um das Personalmanagement kümmern und um die Zusammenarbeit mit anderen Behörden, Kommunen und Organisationen, die gemeinsam die Sicherheit in der Region gewährleisten.

SWR Aktuell: Was wollen Sie denn für Schwerpunkte als Polizeipräsident setzen?

Jürgen Süs: Bei den inhaltlichen Schwerpunkten, die mir gemeinsam mit unserer Führungsmannschaft wichtig sind, müssen wir unseren Auftrag im Auge behalten. Unsere Kernaufgabe ist es dafür zu sorgen, dass die Bürgerinnen und Bürger weiterhin sicher leben können. Und danach müssen wir uns ausrichten und orientieren. Zu den vielen Themen, die wir auf der Agenda haben, ist zu überlegen: Wie bleiben wir ein stabiler und stabilisierender Akteur der Inneren Sicherheit? Gerade, wenn - was wir alle nicht wünschen - unruhigere Zeiten beginnen sollten. Wir merken in unseren Diskussionen, dass die Übergänge zwischen innerer und äußerer Sicherheit immer fließender werden. Wir beschäftigen uns jetzt mit Drohnenüberflügen und mit Fake News, wir beschäftigen uns auch mit Fragen des Zivil- und des Bevölkerungsschutzes, obwohl das nicht originär etwas mit Polizeiarbeit zu tun hat. Aber das sind Herausforderungen und darauf müssen wir vorbereitet sein. Ein weiteres Anliegen wird sein, die Digitalisierung weiter gut zu begleiten und zu schauen: Wo brauchen wir technische Unterstützung bis hin zur künstlichen Intelligenz, um mit den riesigen Mengen an Daten gut umgehen zu können? Denn wir haben die Erkenntnis gewonnen, dass wir gar nicht so viel Personal haben und einstellen können, um mit diesen Datenmengen vernünftig umzugehen.

SWR Aktuell: Können Sie da ein konkretes Beispiel nennen?

Jürgen Süs: Ein Beispiel sind sichergestellte Handys. Diese Handys haben inzwischen oft Speicherkapazitäten von einem Terabyte. Und das bedeutet, dass wir etwa in WhatsApp hunderte Chatgruppen finden, und in jeder einzelnen Chatgruppe sind unendlich viele Teilnehmer, Tausende von Bildern, Tausende von Sprachnachrichten. Wenn diese Kommunikation dann noch in einer anderen Sprache geführt wird und Dolmetscher die Dinge übersetzen müssen, dann wird deutlich, warum wir unbedingt einen nächsten Schritt gehen müssen. Und da sind wir aber wirklich in guten Gesprächen mit den zuständigen Staatsanwaltschaften und auch mit dem Innenministerium.

SWR Aktuell: Wie hat sich die Polizeiarbeit Ihrer Meinung nach verändert? Ist es mehr geworden bei zu wenig Ressourcen?

Jürgen Süs: Das würde ich jetzt so nicht unterschreiben. Ich würde sagen, die Arbeit hat sich inhaltlich verändert. Und die Geschwindigkeit, in der unterschiedliche Themen zu bearbeiten sind. Wenn Sie mich fragen, ob wir hinreichend gut mit Haushaltsmitteln und mit Personal ausgestattet sind, dann sage ich: Ich würde mir gern die Strukturen in der Behörde anschauen, ob wir überall unsere Hausaufgaben gemacht haben. Wenn wir dann davon überzeugt sind, an dieser Stelle fehlt uns etwas, dann würde ich auch das offene Gespräch mit dem Innenministerium weiterführen.

SWR Aktuell: Das heißt, Sie sind momentan mit den Ressourcen, die Ihnen zur Verfügung stehen zufrieden? Oder wo versuchen Sie, beim Innenministerium mehr herauszuholen?

Jürgen Süs: Ja, es gibt Bereiche, wo wir sagen, da müssen wir uns Gedanken machen. Zum Beispiel im Bereich der IT - da suchen wir natürlich händeringend nach Fachpersonal. Wir sind in Koblenz aber in Konkurrenz zu vielen öffentlichen Arbeitgebern. Wir haben hier viele Bundesbehörden, und alle ringen um die gleichen Fachleute. Da sind wir schon im Gespräch mit dem Innenministerium und müssen uns fragen, ob wir an der Stelle überhaupt noch konkurrenzfähig bleiben.

SWR Aktuell: Wie ist es denn um den Nachwuchs bestellt?

Jürgen Süs: Wir hatten zwischenzeitlich eine Phase, wo wir einen Bewerberrückgang hatten. Da sind wir aber jetzt wieder in einer sehr positiven Entwicklung. Das hat auch mit den unterschiedlichsten Initiativen der Dienststellen zu tun, die viele Ideen entwickelt haben. Etwa, dass ein Streifenwagen dort anhält, wo sich junge Menschen aufhalten, um zu sagen: Ich öffne jetzt mal den Kofferraum - schaut doch mal, was wir alles dabei haben. Um so ins Gespräch zu kommen. Trotzdem glaube ich, ist es klug, auch über alternative Wege nachzudenken. Wenn ich eben von den IT-Spezialisten gesprochen habe, dann haben wir jetzt die ersten Sonderlaufbahnen in der Polizei. Dabei sprechen wir nicht vor allem junge Menschen an die zur Polizei wollen, sondern sagen: Du hast ein Studium in einer Fachrichtung, die in der Polizei nachgefragt wird. Werde doch IT-Kriminalist oder IT-Analyst oder Wirtschaftskriminalist bei uns. Wir haben jetzt auch eine Kooperation mit der Hochschule und sind zu ersten Gastvorlesungen beim Fachbereich IT gewesen. Und natürlich verfolgen wir die Absicht, auch kluge Köpfe aus diesen Studiengängen für das Polizeipräsidium Koblenz zu gewinnen.

SWR Aktuell: Täuscht der Eindruck oder hat sich die Kriminalität verändert?

Jürgen Süs: Meine Wahrnehmung ist, dass sich Kriminalität deutlich verändert hat. Sie wird internationaler bei den Taten, aber auch bei den Tatverdächtigen und den Straftätern. Und wir merken deutlich, dass die Kriminalität sich im digitalen Raum ausbreitet. Die Zahl der Wohnungseinbrüche ist nach intensiven Bemühungen zurückgegangen und wir haben eine Entspannung bei den Sprengungen von Geldautomaten. Aber wir haben zunehmend eine Verlagerung des Kriminalitätsgeschehens im digitalen Raum. Wir haben deshalb bei allen Polizeipräsidien im Land Kommissariate zu Bekämpfung dieser Kriminalität eingerichtet. Das ist so ein Beispiel, wo man merkt, dass auch die Organisation dieser Veränderung folgt.

SWR Aktuell: Wie würden Sie die Sicherheitslage im Norden des Landes grundsätzlich einschätzen?  

Jürgen Süs: Also im Bereich des Polizeipräsidiums Koblenz haben wir keine Hotspots und Kriminalität wie wir sie aus anderen großstädtischen Milieus kennen. Wenn Sie mich fragen: Wohin richten wir unser Augenmerk im Kriminalitätsgeschehen in der analogen Welt? Dann sind das besonders sozialschädliche Kriminalitätsformen wie der Callcenter-Betrug. Also da, wo vornehmlich ältere Menschen um ihre Ersparnisse gebracht werden. Wenn wir jetzt schauen, wie das Kriminalitätsgeschehen im Norden von Rheinland-Pfalz aussieht, dann sage ich: Im bundesweiten Vergleich leben wir im Norden sehr, sehr sicher. Und es arbeitet sich als Polizei auch wesentlich angenehmer als in anderen Ecken Deutschlands.

SWR Aktuell: Wie schätzen Sie denn die Gefahren für die Polizisten und Polizistinnen ein, die auf den Straßen unterwegs sind?

Jürgen Süs: Der Polizist oder die Polizistin muss heute beim Einschreiten anders auf der Hut sein als noch vor 20, 30 oder 40 Jahren, als der Umgang noch davon geprägt war, dass man den Polizistinnen und Polizisten in der Regel als Respektspersonen begegnet ist. Heute muss man vorsichtiger sein. Die Schutzausstattung folgt dem. Wir haben jetzt das Distanz-Elektroimpulsgerät als sinnvolle Ergänzung zwischen der körperlichen Gewalt und der Schusswaffe. Und natürlich haben wir Schutzwesten.

SWR Aktuell: Noch ein Blick in die Zukunft - was steht da konkret an Projekten hier im Polizeipräsidium an?

Jürgen Süs: Wir richten im Polizeipräsidium in Koblenz gerade eine neue Führungszentrale ein. Von dort aus werden künftig der Notruf und die Einsätze für all unsere Dienststellen zentral disponiert. Das ist die gravierendste Veränderung, die wir im Moment vorhaben. Wir haben in Lahnstein ein Kommissariat zur zentralen Anzeigenbearbeitung geschaffen, da werden Delikte der Massen- und Alltagskriminalität zentral für das Polizeipräsidium bearbeitet. Das schafft Freiräume an anderen Stellen, in die wir dann investieren, zum Beispiel im Bezirksdienst oder auch zur Bekämpfung der Schwerstkriminalität.

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