Gedenktafel für Landjuden in Selters

Antisemitismusbeauftragte: Angriff auf Gedenktafel "widerwärtig und abscheulich"

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Constantin Pläcking
SWR-Reporter Constantin Pläcking aus dem Studio Koblenz. (Foto: SWR)

In der Nacht auf Sonntag wurde in Selters im Westerwald eine Gedenktafel für Juden zerstört. Die Antisemitismusbeauftragte und der Stadtbürgermeister zeigten sich betroffen.

Die Beauftragte der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin für jüdisches Leben und Antisemitismusfragen, Monika Fuhr (SPD), hat mit Betroffenheit auf die Zerstörung der Gedenktafel für Juden in Selters reagiert. Der Angriff auf die Gedenktafel sei "widerwärtig und abscheulich", sagte sie. Jüdisches Leben und jüdische Kultur gehörten zu Rheinland-Pfalz. Sie habe in diesem Zusammenhang auch mit Stadtbürgermeister Rolf Jung (parteilos) telefoniert.

Antisemitismus als Motiv?

Die Gedenktafel wurde nach Angaben der Polizei wahrscheinlich gegen 0:20 Uhr mutwillig zerstört. Die etwa 100 x 50 Zentimeter große Glastafel sei dabei zerbrochen. Der komplette untere Teil der Tafel lag in Scherben am Boden.

Die Polizei ermittelt nach eigenen Angaben in alle Richtungen. Auch eine Aussage zum Motiv - etwa ob die Tat einen antisemitischen Hintergrund habe - lasse sich zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht machen. Die Polizei bittet Zeugen sich bei der Polizeiinspektion Montabaur zu melden.

Stadtbürgermeister von Selters ist bestürzt

Stadtbürgermeister Jung sagte gegenüber dem SWR: "Es ist schlimm, es trifft ins Herz." Er selbst habe die zerstörte Tafel begutachtet. Nach seiner Aussage sei aufgrund der Spuren zu erkennen, dass die Tafel durch einen heftigen Schlag zerstört wurde. Vielleicht sei es ein Baseballschläger oder ein Nageleisen gewesen, so Jung. Für Hinweise, die zur Aufklärung führen, lobe er 500 Euro aus.

Jüdische Gemeinde in Selters wurde von Nationalsozialisten ausgelöscht

Die Glastafel erinnerte an die ehemalige jüdische Gemeinde in Selters im Westerwald, die es bis zur Zeit des Nationalsozialismus in der Stadt gab. Nach Angaben des Historikers Uli Jungblut wurde die zu diesem Zeitpunkt 350 Jahre alte jüdische Gemeinde während des Nationalsozialismus ausgelöscht. Das sei vor allem durch Auswanderung, Deportationen und durch den Holocaust passiert.

Im Jahr 1938 habe es in Selters mehrere Pogrome gegeben, der größte während der Reichspogromnacht am 9./10. November 1938. An diesem Tag sei beispielsweise die Synagoge angezündet, Juden aus ihren Häusern verschleppt, gefoltert und grundlos in das örtliche Gefängnis gebracht worden. Einige Juden aus Selters seien deswegen in andere Länder wie die USA, Großbritannien oder die Niederlande ausgewandert. Die meisten Juden aus Selters wurden allerdings von den Nationalsozialisten verschleppt und in verschiedenen Konzentrationslagern ermordet.