In Altenburg an der Ahr fühlen sich manche Anwohner von ihren Versicherungen im Stich gelassen (Foto: SWR)

Elementarversicherer in der Kritik

Nach der Flutkatastrophe - wollen sich Versicherungen vor Zahlungen drücken?

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Oliver Böhm

Partner in der Not, damit werben Versicherer gerne für sich. Doch das, was Flutopfer von der Ahr derzeit erleben, ist weit entfernt davon. Es steht der Verdacht im Raum, dass Versicherungen versuchen, Schäden kleinzurechnen.

Betroffene aus dem Ahrtal sprechen ein dreiviertel Jahr nach dem Hochwasser mit Blick auf ihre Elementarversicherer von Intrigen. Sie beklagen, dass sie sich von Versicherungen hintergangen fühlen und man erst gar nicht das Gespräch mit ihnen sucht.

Streit um 200.000 Euro

Im Clinch mit der Versicherung liegt Jürgen Küchler. Seit Wochen streitet er mit der Direkt-AS, wie er wiederaufbauen kann. Sein Wohngebäude in Altenburg an der Ahr musste direkt nach der Flut abgerissen werden, da war nichts mehr zu retten. Doch bevor er sein Haus wieder aufbauen kann, muss geklärt werden, was mit der maroden Scheune passiert, die an sein altes Haus anschloss. Der Gutachter der Versicherung meint, dass die Scheune wieder aufgebaut werden kann.

Das sieht das Architekt Markus Blasweiler, der im Ahrtal seit rund acht Monaten Anwohner berät, anders. Er hat Zweifel, ob der Boden unter der Scheune überhaupt noch tragfähig ist. Auch die Untere Baubehörde hat ein Betreten bereits strengstens verboten - wegen Einsturzgefahr.

Gutachterstreit: Es gibt im Ahrtal in Rheinland-Pflaz Streit zwischen Flutopfern und Versicherern, was mit beschädigten Gebäuden zu tunist. (Foto: SWR)
Sanieren oder besser abreißen und neu bauen? Darum wird gestritten.

Großen Frust schiebt auch Mark Kreuzberg. Das Wasser stand ihm in der Flutnacht im ersten Obergeschoss bis zur Brust. Seine Versicherung, die R&V aus Wiesbaden, hat 250.000 Euro für den Wiederaufbau angeboten, doch das ist offenbar viel zu wenig. Sein Architekt schätzt die Sanierungskosten auf mindestens 450.000 Euro.

Ein zweifelhaftes Angebot

Es steht der Vorwurf im Raum, dass dieses Vorgehen System hat. Dass die ein oder andere Versicherung versucht, die Elementarschäden an den Häusern ihrer Kunden kleinzurechnen. Markus Gerd Krämer, Fachanwalt für Versicherungsrecht, sagte dem SWR, Versicherer hätten ihm vorgeschlagen, die Versicherten könnten sich die Differenz zu den tatsächlichen Kosten vom staatlichen Wiederaufbaufonds holen. Das habe er aber abgelehnt, schließlich gehe es bei dem Fonds um Steuergeld.

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Das sagen die Versicherungen

Der SWR fragt bei der R&V-Versicherung von Mark Kreuzberg nach, ob sie nach diesen Überlegungen verfahren. Die Versicherung weist das entschieden zurück: "Die Elementarschadenversicherung der R+V ersetzt den Schaden unabhängig von staatlichen Leistungen im vollen Umfang zum Neuwert. Staatliche Leistungen sind somit nicht Teil unserer Betrachtung."

Die Versicherung von Jürgen Küchler wiederum sagt dem SWR auf Nachfrage eine weitere Prüfung zu und räumt ein: "Da mittlerweile die Kostenschätzung auch für den Neubau der Scheune vorliegt, mussten wir feststellen, dass der Kostenunterschied zwischen Umsetzung 'Abriss und Neubau' und 'Sanierung bestehender Scheune' gravierend ist."

Unrealistische Preisannahmen

Doch wie kann es überhaupt zu völlig unterschiedlichen Einschätzungen bei den Kosten wie im Fall Kreuzberg kommen? Architekt Markus Blasweiler erklärt, dass zum Beispiel die in den Gutachten angesetzten Preise für Rohstoffe häufig fernab der Realität liegen würden. Zudem sieht er die von den Versicherungen beauftragten Gutachter kritisch. Die seien natürlich ihren Auftraggebern gegenüber verpflichtet. Und er beobachtet derzeit eine gewisse Verschleppungstaktik. "Wir haben immer dieselben Streitigkeiten, wir stellen immer wieder dieselben Fragen und kommen einfach nicht vorwärts mit den externen Sachverständigen der Versicherer.

Rheinland-Pfalz hat Vorsorge getroffen

Finanzministerin Doris Ahnen (SPD) sagte dem SWR auf Nachfrage, sie habe von Versuchen der Versicherer gehört, die Kosten auf den Staat abzuwälzen. Sie empfiehlt Betroffenen, sich bei Unstimmigkeiten mit der Versicherung vor Ort im Ahrtal an den Info-Points beraten zu lassen. Im Übrigen sei ein unabhängiges Gutachten nötig, um staatliche Hilfsgelder zu bekommen - da habe das Land Vorsorge getroffen.

Jürgen Küchler leidet unter dem Verfahren. Das Prozedere mit seiner Versicherung stimmt ihn traurig, er ist entsetzt, dass er "das hier als Flutopfer, als Überlebender dann noch mitmachen muss." In der Flutnacht stand die Ahr bis zur Dachrinne, Küchler hockte auf dem Dach und bangte um sein Leben.

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