Der von der Flut betroffene Jakob Petermeier steht lächelnd vor seinem Haus in Ahrbrück (Foto: SWR)

Fluthaus fast wieder wie neu

Besuch bei Flutbetroffenem in Ahrbrück ein Jahr später

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Sabrina Droste

Das Haus von Jakob Petermeier steht nahe der Ahr in Ahrbrück. Durch die Sturzflut im Juli wurde es zu großen Teilen zerstört. Ein Jahr später hat sich vieles getan.

Wer jetzt am Haus der Petermeiers in Ahrbrück vorbeigeht und die Zerstörung drumherum ausblendet, könnte meinen, hier sei in der Flutnacht gar nichts passiert. Zwölf Meter ist das Haus mit dem Spitzdach hoch, die Fassade beige und wie frisch gestrichen. Einzig das gesprungene Fenster im Eingangsbereich gibt noch einen Hinweis darauf, wie das Wasser hier gewütet hatte.

Kurz nach der Flutnacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 sah das noch ganz anders aus. Acht Meter hoch hatte das Wasser der Ahr im Haus gestanden und Schlamm, zerborstene Scheiben, jede Menge Geäst und Müll zurückgelassen. Die Petermeiers hatten wochenlang weder fließend Wasser, noch Strom oder Telefon.

Ehepaar rettete sich in der Flutnacht in den zweiten Stock

In der Flutnacht selbst waren Jakob Petermeier und seine Frau allein zu Hause und konnten sich in den zweiten Stock ihres Hauses retten. Das Wasser sei binnen kürzester Zeit bis zum Treppenabsatz der zweiten Etage gestiegen, erzählt Jakob Petermeier.

"Das Wasser lief ab, wie wenn man den Stopfen einer Badewanne zieht."

Dann, gegen ein Uhr nachts, sei die Ahrbrücke in der Nähe ihres Hauses gebrochen. Sie hatte wie ein Damm das Wasser aufgestaut. Nachdem sie gebrochen war, sei das Wasser abgelaufen. "Wie wenn man den Stopfen einer Badewanne zieht", erinnert sich Petermeier.

Häuser der Nachbarn in Ahrbrück wurden von der Flut weggerissen

Zum Glück für das Ehepaar - höher hätten sie sich nämlich nicht retten können. Ihr Dach hat keine Fenster, durch die der 68-Jährige und seine 67-jährige Frau hätten steigen können. Das hätte uns das Leben kosten können, sagt Petermeier.

"Dass wir beim Dachausbau nicht an Fenster gedacht haben, hätte uns das Leben kosten können."

Vom Balkon aus mussten sie allerdings untätig beobachten und zuhören, wie die Nachbarn schreiend mit ihren Häusern von den Wassermassen weggerissen wurden. Autos mit Insassen seien an ihnen vorbei geschwommen, erzählt Jakob Petermeier. Das Hochwasser ließ ihre gesamte Heimat gnadenlos ertrinken. Die Erinnerung an die Nacht, lasse es ihm auch ein Jahr danach noch "eiskalt den Buckel runterlaufen."

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Schnelle Sanierung dank Elementarversicherung

Nach der schrecklichen Nacht mit all ihrer Zerstörung folgte der monatelange Wiederaufbau. Jakob Petermeier ist einer der Betroffenen, die eine Elementarversicherung hatten. "Dem Mann, der uns die hartnäckig angeboten hat, müssten wir eigentlich die Füße küssen", sagt Petermeier heute. Das Ehepaar erhält schnell das Geld der Versicherung und kann mit der Sanierung beginnen.

Sie hätten außerdem das Glück gehabt, einige Handwerker zu bekommen, erzählt er. Viele Arbeiten hätten sie aber auch selbst gemacht. Das gesamte Haus musste entkernt werden, alle zerstörten Fenster mussten raus. Ihre Heizung wurde bei der Flut - anders als bei so vielen anderen Betroffenen im Ahrtal - nicht komplett zerstört und konnte reaktiviert werden. So kamen die Petermeiers gut über den Winter.

Im Garten hinter dem Haus der Petermeiers stehen noch Wassercontainer nach der Flut im Ahrtal vor einem Jahr. (Foto: SWR)
Als nächstes wollen die Petermeiers in Ahrbrück ihren von der Flut zerstörten Garten wieder herrichten.

Ein Jahr nach der Flut sind noch Kleinigkeiten am Haus zu tun

Das Ehepaar konnte nach der Flut im Haus wohnen bleiben. Allerdings nur im obersten Stockwerk, in dem sie eigentlich eine Ferienwohnung betrieben. Jetzt müssen noch ein paar Kleinigkeiten im Haus erledigt werden: Beispielsweise sind momentan noch ausschließlich provisorische, selbst gezimmerte Türen im Haus angebracht, ein Fenster muss noch ausgetauscht und auch der Garten noch hergerichtet werden. Wenn das alles erledigt sei, hätten sie es schöner als vor der Flut, sagt Jakob Petermeier.

Er ist sich sicher: Wenn sie keine Versicherung gehabt hätten, würde es ihnen heute nicht so gut gehen. Weder was den Wiederaufbau, noch was das Trauma der Flut betreffe. Dass ihnen die finanziellen Sorgen so schnell abgenommen wurden, hätte dazu beigetragen, dass sie den Blick in die Zukunft richten konnten. Er hoffe, dass die Menschen im Ahrtal, bei denen es nicht so schnell voran gehe, auch schnell ihre Hilfsgelder erhielten, sagt Jakob Petermeier. Damit auch sie endlich wieder aufbauen können - und dann hoffentlich "irgendwann auch wieder zur Ruhe kommen."

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Sabrina Droste