Der neue rheinland-pfälzische Ministerpräsident Alexander Schweitzer (SPD) ließ dem SWR mitteilen, eine politische Einflussnahme auf dieses Verfahren sei nicht angezeigt. Er verstehe den Wunsch der Hinterbliebenen nach einer gerichtlichen Aufarbeitung. Das strafrechtliche Verfahren sei aber auch noch nicht abgeschlossen, so Schweitzer.
"Generalstaatsanwaltschaft muss über Beschwerde entscheiden"
Die Betroffenen hätten von ihrem Recht Gebrauch gemacht und Beschwerde gegen die Entscheidung der Staatsanwaltschaft eingelegt, das Ermittlungsverfahren gegen den damaligen Landrat und einen Mitarbeiter einzustellen. Über die Beschwerde habe nun die Generalstaatsanwaltschaft zu entscheiden.
Angehörige hatten Schweitzer Ultimatum bis 25. Oktober gestellt
Im Kampf um die Wiederaufnahme von Ermittlungen wegen der Flutkatastrophe hatten die Hinterbliebenen von Opfern der Flutkatastrophe den Ministerpräsidenten am Mittwoch aufgefordert, tätig zu werden. Sie wollen nicht hinnehmen, dass die Staatsanwaltschaft Koblenz die Ermittlungen gegen Ex-Landrat Jürgen Pföhler (CDU) im April 2024 eingestellt hat.
Bei einer Pressekonferenz in Koblenz am Mittwoch hatte ihr Anwalt Christian Hecken Schweitzer aufgefordert, sich für ein "rechtsstaatliches Verfahren" einzusetzen. Hecken vertritt unter anderem die Familie Orth, deren Tochter Johanna bei der Flut starb, und Werner Michael Minwegen, der beide Eltern verlor. Er sagte, man setze Schweitzer eine Frist bis zum 25. Oktober.
Ein Zeitraum von einem Monat sei zumutbar, um sich einzuarbeiten, sagte Hecken weiter. Schweitzer habe die Verpflichtung dafür zu sorgen, dass die Flutkatastrophe endlich aufgearbeitet werde. Vor allem solle er sich anschauen, so der Hinterbliebenen-Anwalt, warum der Justizminister von Rheinland-Pfalz sich "überhaupt nicht in der Verantwortung sieht".
Beschwerde gegen die Einstellung des Ermittlungsverfahrens
Hecken hat im Auftrag der Hinterbliebenen bereits Beschwerde dagegen eingelegt, dass die Staatsanwaltschaft Koblenz das Ermittlungsverfahren gegen den ehemaligen Landrat eingestellt hat. Wann die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz darüber entscheiden wird, ist aber noch unklar.
Hecken kritisiert unter anderem, dass schwerwiegende methodische Fehler gemacht worden seien. "Es kann nicht sein, dass man als Staatsanwaltschaft alle 135 Fälle über einen Kamm schert und alle Fälle gleich beurteilt." Man müsse sich jeden Fall einzeln im Detail anschauen.
Es wurde nicht vor der Ahr-Flut gewarnt
Der Hydrologe Erwin Zehe vom Karlsruher Institut für Technologie sagte, die Einstellung der Ermittlungen sei nicht vertretbar. Der Hochwasserexperte wies darauf hin, dass die Katastrophe bereits am frühen Nachmittag des Fluttages absehbar gewesen sei. Trotzdem seien keine entsprechenden Warnungen ausgesprochen worden.
Dass der Landrat sich darum nicht gekümmert hatte, sah die Staatsanwaltschaft nicht als direkten Grund dafür, dass in der Nacht Menschen ertrunken sind. Nach Ansicht der Behörde war nicht sicher, ob die Betroffenen die Warnungen überhaupt ernst genommen und sich in Sicherheit gebracht hätten.
Die eingeladene Strafrechtsexpertin Prof. Dr. Ingeborg Puppe sagte aber, dass diese Frage keine Rolle spielt. Weil sie gar nicht erst gewarnt worden seien, hätten die Ahranlieger gar nicht die Entscheidung gehabt, sich an die Warnungen zu halten oder nicht.
Angehörige der Opfer fordern Gerichtsprozess
Ralph Orth, der bei der Flut seine Tochter verlor, sagte bei der Pressekonferenz am Mittwoch: "Es muss eine Notwendigkeit sein, dass dieser Fall vor ein Gericht kommt." Werner Michael Minwegen ist der Meinung, dass die Staatsanwaltschaft durch die Einstellung des Verfahrens Opfern und Angehörigen "eine absolute Transparenz und einen Rechtsglauben" versage.