Von außen wirkt der kleine Friseursalon im Westerwald noch ziemlich normal. Aber schon beim Eintreten wird Kundin Anne Giehl digital empfangen: "Salontür hat einen Besucher!", spricht die Stimme aus dem kugelförmigen Digital-Lautsprecher.
An der Decke heizt eine Platte digital temperaturgesteuert den kleinen Raum. Dort stehen zwei schwarze bequeme Ledersessel. Beide haben es in sich. Kundin Anne Giehl hätte gerne die Spitzen ihrer Haare geschnitten und die Haare geglättet.
Schlagzeilen und braungebrannte Surfer beim Haareschneiden
Als sie im größeren der beiden Bedienstühle Platz nimmt, geht es los: Wie von Zauberhand springen weiße Lichtstäbe rund um den Spiegel an. In großen Lettern wird sie begrüßt, am unteren Bildrand laufen die neusten Schlagzeilen aus aller Welt, oben erscheinen Temperatur, Windgeschwindigkeit, Uhrzeit und Tag. In der Mitte zeigt ein Video braun gebrannte Männer, die über haushohe Meereswellen surfen.
Aber fürs Schauen hat Anne Giehl nur wenig Zeit. Denn Friseurin Julia Schumacher setzt ihr eine mit dem Bildschirm-Spiegel kabelverbundene, taschenlampengroße Kamera auf den Kopf. Auf dem Bildschirm erscheint in 800-facher Vergrößerung ihre Kopfhaut und die Haaransätze. "Keine geröteten Stellen, die Haut ist leicht weiß und feucht. Das sieht gut aus", lobt Julia Schumacher.
Haareschneiden bleibt klassisches Handwerk
Dann greift sie ins Regal zu einem Balsam, den sie vor einen "Info-Point" hält. Und wieder erscheinen auf dem Frisierspiegel Informationen zu dem Pflegeprodukt, die sich Anne Giehl aufmerksam durchliest. Das eigentliche Haareschneiden bleibt klassisches Handwerk. Die 36-jährige Friseurmeisterin arbeitet mit Kamm und Schere.
Hiermit fertig, wechselt die Kundin auf den zweiten Sessel. Automatisch fährt die Lehne die Beine hoch, über dem Kopf leuchtet eine warme Infrarotlampe, ebenfalls alles digital. Haare waschen, Kopfmassage, trocknen und fertig ist der Haarschnitt. Anne Giehl ist zufrieden. So kann sie sich auf der Geburtstagsfeier am Abend sehen lassen.
Idee stammt von der Koblenzer Handwerkskammer
Die Handwerkskammer Koblenzer hat Julia Schumacher auf die Idee gebracht, mal den "smarten Friseursalon" zu wagen, erzählt Julia Schumacher. Ein zweistündiges Seminar bei der HWK habe sie dafür qualifiziert. Die Ausrüstung hat 15.000 Euro gekostet, 75 Prozent davon habe das Land im Rahmen des Förderprogramms DigiBoost bezahlt. Das unterstütze und fördere die Kombination von klassischem Handwerk und digitalen Entwicklungen.