Rettungshubschrauber der Bundeswehr war erst am Tag nach der Flut im Ahrtal (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Picture Alliance)

Später Hubschraubereinsatz wirft Fragen auf

Flutkatastrophe: Warum flog die Bundeswehr erst am nächsten Tag?

Stand

Während der Flut im Ahrtal war der Bedarf an Hubschraubern mit Seilwinden groß. Nach SWR-Recherchen hat die Bundeswehr einen solchen Hubschrauber ganz in der Nähe stationiert. Zum Einsatz kam er aber erst am nächsten Morgen.

Nur wenige Flugminuten vom Ahrtal entfernt ist in Nörvenich (NRW) ein neuer Hubschrauber der Bundeswehr mit Seilwinde, Hochleistungssuchscheinwerfern und Wärmebildkamera stationiert. Er kann nach Angaben der Bundeswehr auch nachts fliegen. Zum Einsatz kam er erst am Morgen nach der Flutkatastrophe, zusammen mit einem identisch ausgestatteten Helikopter der Bundeswehr aus Niederstetten in Baden-Württemberg.

Im rheinland-pfälzischen Untersuchungsausschuss sagte Heinz Wolschendorf, Referatsleiter Brand-, Katastrophen- und Zivilschutz der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) in Rheinland-Pfalz, Anfang April aus, er habe in der Nacht vom 14. auf 15. Juli "händeringend" versucht, Hubschrauber zu finden, die über eine Seilwinde verfügen und auch nachts fliegen können - europaweit.

Bundeswehr verweist auf schlechtes Wetter im Ahrtal

Nach SWR- und WDR-Informationen wurden am frühen Abend des 14. Juli auch die beiden Bundeswehr-Hubschrauber aus Nörvenich und Niederstetten angefragt. Auf SWR- und WDR-Nachfrage teilte ein Sprecher des Heeres mit, am Abend des 14. Juli seien aufgrund des Wetters keine Hubschraubereinsätze im Ahrtal möglich gewesen.

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Nachfragen dazu, warum einem Hubschrauber der hessischen Polizei sowie zwei weiteren Hubschraubern des ADAC am Abend des 14. Juli Einsätze über dem Ahrtal möglich waren, der Bundeswehr aber nicht, ließ der Sprecher unbeantwortet - mit Verweis auf die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen den früheren Landrat des Kreises Ahrweiler sowie einen ehrenamtlichen Feuerwehrmann, der am Abend der Flutkatastrophe die Einsatzleitung innehatte.

Keine Antwort auf Frage zu zweitem Spezial-Hubschrauber

Auch unbeantwortet ließ die Bundeswehr die Fragen danach, warum der Hubschrauber aus Baden-Württemberg, der nach SWR- und WDR-Recherchen unter deutlich besseren Wetterbedingungen hätte starten können, ebenfalls am Boden blieb sowie die Frage danach, warum die beiden nachtflugfähigen Bundeswehr-Hubschrauber auch nach einer deutlichen Besserung der Wetterlage ab 23 Uhr nicht zum Einsatz aufbrachen.

Am Abend der Flutkatastrophe kamen nach SWR- und WDR-Informationen insgesamt vier Hubschrauber über dem Ahrtal zum Einsatz. Nur der Hubschrauber der Polizeifliegerstaffel Hessen verfügte über eine Seilwinde, um vom Wasser eingeschlossene Menschen zum Beispiel von Hausdächern zu retten.

ADAC-Hubschrauber hatte keine Seilwinde

In der ARD-Dokumentation "Die Flut - Chronik eines Versagens" sagt Stefan Goldmann, der für die ADAC Luftrettung am Abend des 14. Juli im Einsatz war: "Das war der größte Schmerz. Die Menschen dachten, jetzt kommt der Hubschrauber, der wird uns jetzt helfen. Aber ich hatte keine Rettungswinde, und hatte dort keine Möglichkeit, in der Situation zu helfen, außer vielleicht dann das Ganze zu dokumentieren und darauf hinzuweisen, was gerade unter mir passiert."

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SWR