SWR Aktuell: 100 Milliarden Sondervermögen für die Bundeswehr – das ist wahrscheinlich eine Entscheidung, die Sie grundsätzlich begrüßen, oder?
Jens Obermeyer: Ja natürlich. Es war längst überfällig. Und wir werden sehen, dass wir trotzdem in manchen Bereichen weiterhin unterfinanziert bleiben werden. Wo genau das sein wird, kann ich jetzt noch nicht abschätzen, weil ich ja auch nicht in die Entscheidungsprozesse eingebunden bin. Aber nehmen wir zum Beispiel den Kampfjet F-35, der jetzt kommen soll. Dafür ist bereits eine große Summe eingeplant. Es wird bei den Entscheidungen vor allem darum gehen, wo die Bedarfe sind. Wie kann man angesichts der momentanen Lage ein Gegengewicht zur Ukraine-Krise mit den Nato-Partnern zu bilden und Akzente zu setzen.
"Das entlastet ungemein und gibt den Kollegen im BAAINBw und der Industrie Handlungssicherheit."
SWR Aktuell: Wenn auf das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) Bestellungen für 100 Milliarden Euro zukommen - wie wird das in der Praxis ablaufen? Wahrscheinlich wird nicht das ganze Geld auf einmal fließen, oder?
Obermeyer: Bundesfinanzminister Lindner hat den Haushalt ja vorgestellt. Und da ist zu erkennen, dass das auf mehrere Jahre verteilt wird. Das BAAINBw und die Industrie wären auch nicht in der Lage, das Ganze aus dem Nichts heraus umzusetzen. Ich schätze, dass die 100 Milliarden über 10 bis 15 Jahre gestaffelt werden. Aber dadurch, dass es jetzt diese feste Zusage gibt, kann man jetzt auch langfristige Verträge eingehen. Man muss jetzt nicht immer jährlich schauen, ob das Geld weitergezahlt wird, um einen Vertrag zu verlängern. Das entlastet ungemein und gibt den Kollegen im BAAINBw und der Industrie eine Handlungssicherheit.
Grundausbildung bei der Bundeswehr Vier Tage Biwak mit der Bundeswehr in Bruchsal - jetzt auch im Fernsehen
Zur Grundausbildung bei der Bundeswehr gehört das sogenannte Biwak. Hier üben die Soldaten im Gelände, was sie vorher gelernt haben. Was dort passiert, zeigt eine vierteilige SWR-Reportage aus Bruchsal.
SWR Aktuell: Wie schnell ist die Industrie Ihrer Meinung nach in der Lage, zu handeln und dem Bedarf der Bundeswehr nachzukommen?
Obermeyer: Einige Produkte wird die Industrie schnell bereitstellen können. Es gibt aber auch Produkte, die wird man nicht so ohne weiteres verfügbar machen können. Munition zum Beispiel ist durch den Ukraine-Krieg aktuell schwierig zu beschaffen. Einfacher hingegen kann jetzt etwa durch eine Erhöhung der Stückzahl werden. Nehmen wir mal das Beispiel gepanzerte Transportfahrzeuge. Davon haben wir im Moment zu wenige. Die Bestellung läuft aber. Da könnte man jetzt relativ schnell den Vertrag mit dem Hersteller verlängern. Dann hätten wir in dem Bereich schnell eine Vollausstattung, die wir uns vorher nicht leisten konnten. Andere Techniken, die erst entwickelt werden müssen, dauern natürlich länger.
Wir brauchen aber sehr moderne Entwicklungen, damit wir uns gegenüber einem Gegner technologisch auch behaupten können. Deshalb nützt es nichts, alte Entwicklungen aus der Schublade zu kaufen, die die Industrie nicht los wird. Da muss man jetzt sehr differenziert hinschauen: Wo lässt sich der Bedarf schnell decken? Wo müssen wir Entwicklungen anstoßen, um langfristige Lösungen zu finden? Und welcher Schuh ist es, der uns angesichts der momentanen Sicherheitslage am meisten drückt?
"Das Geld ist in den vergangenen Jahren knapp gewesen."
SWR Aktuell: Wie sieht es bei modernen Luftabwehrsystemen aus - ist das ein Bereich, in den Ihrer Meinung nach auf jeden Fall investiert werden müsste?
Obermeyer: Auf jeden Fall. Das wurde schon einmal angedacht, hat bislang aber das Budget gesprengt. Wenn man zum Beispiel Überschallraketen abfangen will, ist das schon eine große technologische Herausforderung. Und da muss man sehr viel Manpower, Energie und Geld hineinstecken. Und das Geld ist in den vergangenen Jahren knapp gewesen. Aber jetzt gibt es einen anderen Fokus und ich gehe davon aus, dass man ein solches System entwickeln und auch beschaffen wird. Da könnte man meines Erachtens ein erstes System in zwei bis drei Jahren entwickeln und das immer weiter ausbauen.
"Es wäre eine große Erleichterung und Entlastung für die Mitarbeiter des BAAINBw, wenn bürokratische Hürden abgebaut würden."
SWR Aktuell: Inwiefern gehen Sie davon aus, dass die Abläufe beim Bestell- und Beschaffungsprozess straffer und schneller werden?
Obermeyer: Ja, die Bürokratie ist wirklich in den vergangenen Jahrzehnten überbordend geworden. Auch die Auflagen etwa für Gefechtsfahrzeuge sind enorm. Da wäre es eine große Erleichterung und Entlastung für die Mitarbeiter*innen des BAAINBw, wenn bürokratische Hürden abgebaut würden. Das ist meine große Hoffnung, dass wir da jetzt einen großen Schritt weiterkommen. Ich hoffe auch, dass es nicht bei einmal 100 Milliarden bleibt, sondern dass es ein kontinuierlicher Prozess wird, dass die Bundeswehr mehr Geld bekommt und so besser ausgestattet werden kann.
Das Interview führte SWR-Reporterin Kathrin Freisberg.