"Für eine gute Betreuung unserer Kleinsten brauchen wir vor allem gut ausgebildete Erzieherinnen und Erzieher", erklärte Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) zum Start der gesetzlichen Neuregelungen Anfang Juli. Das neue Kita-Gesetz werde die Qualität in der Kindertagesbetreuung in Rheinland-Pfalz weiter verbessern. Das Problem: Mehr Erzieherinnen und Erzieher für die Kitas lassen sich nicht verordnen, wie die neue Pflicht, den Kindern dort ein Mittagessen anzubieten und sie sieben Stunden durchgehend zu betreuen.
Kitaverband beklagt riesigen Fachkräftemangel
"Der Fachkräftemangel ist riesig", beklagt der Kita-Fachkräfteverband in Rheinland-Pfalz. Die Vorsitzende Claudia Theobald weist auf die Stellenangebote bei der Agentur für Arbeit hin. Dort werden aktuell in 741 Ausschreibungen Erzieherinnen und Erzieher für Rheinland-Pfalz gesucht (Stand 26.11.2021). Dabei schreiben laut Theobald nicht alle Träger ihre Stellen bei der Agentur aus und in etlichen Ausschreibungen werden gleich mehrere Stellen bei einem Träger angeboten.
Bei aktuell 2.745 Kindertagesstätten im Land - laut Angaben des Bildungsministeriums - dürften damit in der Tat sehr viele auf Personalsuche sein. Mitglieder des Fachkräfteverbands nehmen die Situation mit Galgenhumor: "In unserer Chatgruppe wurden im August und September so viele Stellenangebote gepostet, dass eine Kommentatorin spaßeshalber vorschlug, es sollten doch lieber die Kitas posten, die voll besetzt wären. Das wäre dann übersichtlicher", berichtet Claudia Theobald dem SWR.
Personalpläne des Bildungsministeriums gehen offenbar nicht auf
Wenig gefruchtet hat bisher offenbar auch die Strategie des Landes, dass mehr Kita-Personal aus anderen Fachbereichen gewonnen werden kann. Ministerin Hubig erklärte Ende Juni: Da Erzieherinnen und Erzieher nicht überall leicht zu finden seien, könnten auch bis zu 30 Prozent andere Fachkräfte in den Kitas arbeiten, um den Übergang zu erleichtern. So könnte zum Beispiel ein Gärtner in einer Kita mit Naturschwerpunkt arbeiten oder eine ausgebildete Musikerin in einer Kita mit dem Schwerpunkt musikalische Bildung.
Aber, Politik trifft hier offenbar auf Wirklichkeit. "Ich kenne bis jetzt keine Einrichtung mit einer solchen Kraft", sagt die Verbandsvorsitzende Theobald. Was sie auch nicht verwundere: "Warum sollten Leute mit einer guten Berufsausbildung oder gar Studium für einen Hilfslohn in der Kita arbeiten wollen?"
GEW gegen Einsatz von Personal aus anderen Fachbereichen
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Rheinland-Pfalz hält sowieso nichts davon, Personal aus anderen Fachbereichen für Kitas zu gewinnen. Die stellvertretende Landesvorsitzende Kathrin Gröning sagte dem SWR: "Die in der Fachkräftevereinbarung benannten profilergänzenden Kräfte lehnen wir im Rahmen des Personalschlüssels ab. Fachfremde Kräfte dürfen nicht dafür hergenommen werden, um dem Fachkräftemangel zu begegnen."
Gröning arbeitet in einer kommunalen Kita in Mainz. Dort seien aktuell fünf Stellen unbesetzt. Als pädagogische Fachkraft sei sie manchmal allein mit 20 Kindern, nur unterstützt durch eine Hilfskraft ohne pädagogische Ausbildung.
"Die meistens Kitas können Anforderungen wohl nicht erfüllen"
Aufgrund von Anfragen und Rückmeldungen von GEW-Mitglieder in den Kitas geht die Gewerkschaft davon aus, dass die meisten Einrichtungen die neuen gesetzlichen Vorgaben zur Zeit nicht erfüllen können. Dabei geht es im Kern um eine durchgehende siebenstündige Betreuung mit Mittagessen für die Kinder. Neben Personal fehle es vor allem an Räumen, Ausstattung und Küchen in den Kindertagesstätten. Auch der Kita-Fachkräfteverband berichtet, dass aus den genannten Gründen die "sieben Stunden nicht flächendeckend" umgesetzt werden.
Bildungsministerium sieht Fortschritte bei Umsetzung der Vorgaben
Das Bildungsministerium teilte dem SWR auf Anfrage mit: "Stand November haben bereits über 2.000 Einrichtungen Platzangebote mit mindestens 7 Stunden Betreuungszeit am Stück. Viele weitere Einrichtungen sind auf dem Weg dahin, diese Vorgabe zu erfüllen." Zum Stichtag 8.11.2021 bieten demnach mehr als 2.500 Einrichtungen eine Verpflegung an. Das bedeute aber nicht, dass es für jedes Kind auch Mittagessen gebe, heißt es vom Ministerium.
"Aber natürlich brauchen wir Fachkräfte, die gefunden werden müssen, damit sie diese Stellen besetzen können."
Bildungsministerin Hubig sagte dem SWR: "Mit dem neuen Gesetz wird es neue Stellen und damit natürlich auch mehr Fachkräfte in unseren Kitas geben. Das ist eine richtig gute Nachricht." Wie das gelingen soll, kann die Ministerin aber auch nicht genau erklären. Sie kündigte unter anderem eine Fachkräfteinitiative auf Bundes- und Landesebene an. Zudem habe das Land die Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern attraktiver gemacht und die Zahl der Ausbildungsplätze erhöht.
Zudem erwähnte Hubig erneut die Möglichkeit, Personal aus anderen Fachbereichen zu gewinnen. Diese könnten dazu beitragen, "die starken Teams in unseren Kitas noch stärker zu machen", hatte die Ministerin im Sommer erklärt. Eine Meinung, die in den Kindertagesstätten bisher kaum geteilt wird.