Ein Motivwagen beim Koblenzer Rosenmontagszug 2023: Ein deutscher Michel, dazu ein Schild mit der Aufschrift "Erbsen, Linsen, Kohl und Gras - Michel macht darauf Biosgas!" (Foto: SWR)

Vor dem Start der Kerwesaison

Welche Auflagen müssen Motivwagen im Westen der Pfalz erfüllen?

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Sebastian Stollhof
Sebastian Stollhof (Foto: SWR)

Mehrere Fastnachtsumzüge mussten jüngst aufgrund strengerer Sicherheitsauflagen abgesagt werden. Was bedeutet das für die Fest- und insbesondere Kerwesaison im Westen der Pfalz? In Kirchheimbolanden gab es dazu Informationen.

Der Erlebnistag Deutsche Weinstraße ist ihm im vergangenen Jahr zum Opfer gefallen, mehrere Fastnachtsumzüge mussten jüngst deswegen gestrichen werden: die Rede ist vom neuen Polizei- und Ordnungsbehördengesetz. Die darin vorgeschriebenen strengeren Sicherheitsauflagen für Veranstaltungen stellen Vereine und Gemeinden im Westen der Pfalz vor Probleme. Die Erfüllung der Auflagen kostet Geld.

Ein Thema, das auch nach Fastnacht an seiner Bedeutung nichts verloren hat. Im Gegenteil, laufen doch gerade in der Westpfalz nun die Vorbereitungen für Kerwen und weitere Volksfeste - nicht selten waren diese in der Vergangenheit traditionell mit Umzügen verbunden. So etwa auch die Bierwoche in Kirchheimbolanden.

Welche Vorgaben müssen Umzugswagen erfüllen?

In der dortigen Stadthalle an der Orangerie hatten Stadt und Verbandsgemeinde am Mittwochabend zu einer Informationsveranstaltung speziell zum Thema Festumzüge eingeladen. Axel Witte, Fachberater beim TÜV Rheinland, gab dabei Hinweise, wie ein Umzugswagen aufgebaut sein sollte und welche Vorgaben erfüllt werden müssen.

Wer einen Motivwagen gestalten und darauf Personen mitnehmen möchte, benötigt neben einer Betriebserlaubnis auch ein Gutachten. Gerade beim Thema Betriebserlaubnis wurde in der Vergangenheit ein Auge zugedrückt. Das jedoch ist nun anders, wie der TÜV-Experte verdeutlichte. Er rät, sich um eine solche Erlaubnis frühzeitig zu bemühen.

Auch ein Brauchtumsgutachten wird für Motivwagen benötigt

Denn bevor ein Motivwagen mit Personen darauf an einem Festumzug teilnehmen kann, muss auch noch ein so genanntes Brauchtumsgutachten erstellt werden. Hintergrund ist nach TÜV-Angaben, dass beispielsweise der Personentransport auf Anhängern grundsätzlich untersagt ist und die meist stark veränderten Wagen und Fahrzeuge nicht für den Straßenverkehr zugelassen würden. Deswegen sei ein solches Brauchtumsgutachten erforderlich.

Dabei werde unter anderem überprüft, dass beispielsweise Tische und Bänke mit dem Wagen fest verbunden sind oder rutschfeste Stehflächen, Haltevorrichtungen sowie Brüstungen mit einer Mindesthöhe von einem Meter vorhanden sind.

Laut TÜV kann ein Brauchtumsgutachten auch mehrfach verlängert werden - wenn sich an den Fahrzeugen nichts verändert. Für Betriebserlaubnis wie auch Gutachten fallen Kosten an. Diese können beim ersten Mal bei mehr als 200 Euro liegen.

"Tod der Kerweumzüge"?

Bei der Informationsveranstaltung am Mittwochabend waren diese Kosten ein Thema. Manche sprachen aufgrund der gestiegenen Auflagen vom "Tod der Kerweumzüge". In Kirchheimbolanden findet im Juni die "Bierwoche" statt. Höhepunkt des traditionellen Festes soll am 11. Juni ein Umzug sein.

"Die Herausforderungen sind offensichtlich deutlich größer geworden. Wir arbeiten sehr eng mit dem Ordnungsamt der Verbandsgemeinde zusammen. Wir werden Lösungen finden. Aber es gibt noch erheblichen Diskussionsbedarf und eine Menge Arbeit, die vor uns liegt", sagte Stadtbürgermeister Marc Muchow (CDU) dem SWR.

Die Stadt wolle Motivwagenbauer für den Bierwochen-Umzug unterstützen. "Wir werden die Kosten der Umzugsteilnehmer größtenteils kompensieren können, wenn es Kosten sind, die direkt mit dem Umzug im Zusammenhang stehen", so Muchow.

Ortsbürgermeister befürchten veränderte Kerweumzüge

In vielen kleinen Gemeinden, so ist die Befürchtung, wird eine finanzielle Unterstützung wie in Kirchheimbolanden dagegen nicht möglich sein. "Kerwe ist das größte Fest im Dorf. Und für ein kleines Dorf von 170 Einwohnern ist es immer schon eine sportliche Aufgabe, überhaupt einen Umzug auf die Beine zu stellen. Wir waren froh, wenn wir eine Handvoll Nummern hatten. Da waren natürlich auch Fahrzeuge dabei", sagte etwa Reinhard Horsch (SPD), Ortsbürgermeister von Bennhausen im Donnersbergkreis.

Horsch geht davon aus, dass künftig Kerweumzüge verstärkt aus Fußgruppen bestehen werden. "Auf manch improvisierte Fahrzeuge, wie wir sie hatten, werden wir wohl verzichten müssen."

Die Suche nach Lösungsmöglichkeiten in Pfälzer Gemeinden

Das sieht auch Armin Juchem (FWG) so, Ortsbürgermeister der 2.500 Einwohner zählenden Ortsgemeinde Bolanden. Dort fand bislang einer der größten Kerweumzüge im Donnersbergkreis statt. Nun macht sich auch der Ortsbürgermeister Sorgen, wie es künftig weitergehen soll: "Das bedeutet große Überlegungen in puncto der Kosten. Wir haben 40 Zugnummern. Davon sind 15 bis 18 Wagen, die wir in dieser Form, in dieser Größe künftig nicht mehr haben werden."

Armin Juchem möchte in Bolanden nochmals zu einer weiteren Veranstaltung mit dem TÜV einladen. "Dabei werden wir dann Lösungsmöglichkeiten suchen", so der Ortsbürgermeister.

Verstärkt Autos mit Anhänger im Einsatz?

Diese könnten auch darin bestehen, verstärkt auf Autos mit Anhängern zu setzen, die für den Straßenverkehr zugelassen sind - und darauf keine Personen, sondern Motive zu transportieren. Denn für diese Gefährte sind kein Brauchtumsgutachten erforderlich, wie Jörg Wehrfritz von TÜV Rheinland im Gespräch mit dem SWR berichtet - sofern solche Gutachten nicht grundsätzlich von der örtlichen Ordnungsbehörde vorgeschrieben werden. Gleiches gelte beispielsweise für so genannte Pritschenwagen.

Tipp: Vor dem Wagenbau mit der Prüfstelle Kontakt aufnehmen

Wehrfritz empfiehlt, sich vor einer Veranstaltung zu informieren, welche Gutachten und Auflagen erforderlich sind. Beispielsweise auch, wie viele Personen aus Sicherheitsgründen einen Festwagen begleiten müssen. Denn so etwas lege die örtliche Genehmigungsbehörde fest.

Zudem rät der TÜV-Experte, sich vor dem Bau eines Motivwagens mit einer Prüfstelle kurzzuschließen und abzustimmen, ob die Ideen überhaupt umsetzbar sind.

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