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Serie zu Armut und sozialer Teilhabe

Folge 5: Raus aus den Schulden

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Deutsche Journalistenschule München

In Parks kommen Menschen verschiedener sozialer Schichten zusammen. Wir haben sie im Strecktalpark in Pirmasens getroffen. Sieben Tage, sieben Gespräche. Heute: Raus aus den Schulden.

In der fünften Folge geht es um die finanzielle Situation der Stadt. Pirmasens hat jahrzehntelang Schulden angehäuft. Der Stadt fehlt jeglicher Handlungsspielraum. Warum sie trotzdem auf Besserung hofft.

Sina Schanzenbach (links im Bild) ist 27 Jahre alt und studiert in Kaiserslautern. Sie lebt mit ihrer Freundin in Pirmasens.
Elias Stahl (rechts) ist in Pirmasens geboren und aufgewachsen. Er legt als DJ EL1AS in Pirmasens und Umgebung auf.

Die Folgen im Überblick

Das Image war meiner Freundin und mir total egal

Dennis Clauer (CDU) ist Beigeordneter der Stadt Pirmasens. Er kennt die Probleme der Stadt. Die Kasse ist leer, das Geld für neues fehlt. Trotzdem soll die Skateanlage nun erneuert werden.

Auf den Spielplatz gehen, einen Abend im Theater verbringen, Fußball spielen im Verein - so kommen Menschen zusammen. Doch wenn kein Geld da ist für Klettergerüste, Bühnenbilder und Netze für die Fußballtore, dann fallen die Möglichkeiten weg, dass Menschen sich begegnen. Für all das sind die Gemeinden und Landkreise verantwortlich. Je mehr Geld in den Kassen ist, desto vielfältiger sind die Angebote. Wenn eine Kommune pleite ist, wird soziale Teilhabe immer schwieriger.

Keine Stadt hat so wenig Geld wie Pirmasens

Pro Einwohner ist keine andere Stadt in Deutschland so hoch verschuldet wie Pirmasens. Für das Jahr 2021 melden die Kämmerer insgesamt rund 410 Millionen Euro, mit denen die Stadt in der Kreide steht. Das sind umgerechnet 10.239 Euro Schulden für jeden Pirmasenser. Und die Schulden pro Bürger wachsen immer weiter. Seit 2006 haben sie sich mehr als verdoppelt.

Die Mieten für HartzIV-Empfänger, die Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten, Kitaplätze - Aufgaben, die von den Kommunen übernommen und bezahlt werden müssen.

Pirmasens gibt etwa die Hälfte seines Budgets für Soziales aus. Tendenz steigend. Somit bleibt kaum Geld, um Gebäude zu renovieren oder abzureißen, für Kultur oder Sport.

Die hohen Sozialausgaben legen sich wie eine Schlinge um den Hals der Stadtverwaltung. Und lassen kaum mehr Luft zum Atmen. Zum Beispiel wartet die Stadtbücherei in Pirmasens seit Jahren vergeblich auf ein neues Gebäude.

Die Stadtbücherei in Pirmasens. (Foto: SWR, Deutsche Journalistenschule München)
Die Stadtbücherei in Pirmasens... Bild in Detailansicht öffnen
Detail der Stadtbücherei Pirmasens (Foto: SWR, Deutsche Journalistenschule München)
...wartet seit Jahren vergeblich auf ein neues Gebäude. Bild in Detailansicht öffnen
Stadtbibliothek Pirmasens von außen (Foto: SWR, Deutsche Journalistenschule München)
Das Gebäude ist von außen schon ziemlich heruntergekommen. Bild in Detailansicht öffnen
Die Stadtbibliothek Pirmasens von außen. (Foto: SWR, Deutsche Journalistenschule München)
In der Stadtbücherei in Pirmasens kann man natürlich Bücher ausleihen, aber sie bietet unter anderem auch Deutschkurse an und Informationen für Flüchtlinge aus der Ukraine. Bild in Detailansicht öffnen

Armut und Reichtum - in deutschen Kommunen ungleich verteilt

Armut und Reichtum - in deutschen Kommunen ungleich verteilt

Laut Analysen der Bertelsmann-Stiftung aus dem Jahr 2021 kommen von den 100 meist verschuldeten Städten und Kreisen in Deutschland 30 aus Rheinland-Pfalz.

Woher kommen die Schulden?

Martin Junkernheinrich beschäftigt sich seit Jahren mit Städten wie Pirmasens. Er forscht an der TU Kaiserslautern zu Kommunalverschuldung.

In den vergangenen Jahrzehnten ist Pirmasens immer kleiner geworden. Der Wegzug und der wirtschaftliche Niedergang sind der Stadt anzusehen. Jede dritte Gewerbefläche in der Innenstadt steht leer, beim Wohnraum sieht es kaum besser aus.

Problem Kassenkredite

Wenn Oberbürgermeister Markus Zwick (CDU) in die Bücher seiner Stadt schaut, sieht er nichts, was ihm Freude bereitet. Ein Großteil der städtischen Kredite sind sogenannte Kassenkredite. Die funktionieren ähnlich wie Dispokredite in einem Privathaushalt. Eigentlich nimmt man sie auf, wenn der letzte Monat ausnahmsweise schlecht lief, wenn man kurzfristig das Konto überzogen hat. Aber Pirmasens ist ständig im Dispo.
Bei diesen Kassenkrediten, auch Liquiditätskredite genannt, ist der Zinssatz nicht festgelegt. Das war in Zeiten, in denen die Zinsen niedrig waren, ein kalkulierbares Risiko. Doch die Zinsen steigen wieder drastisch.

Licht am Ende des Tunnels für Pirmasens?

Die Lage könnte sich bessern. Damit die Kommunen in Deutschland genug Geld für ihre Aufgaben haben, müssen die Bundesländer sie mit Geld ausstatten. Die Stadt Pirmasens beklagt, dass sie seit Jahren zu wenig Geld von der Landesregierung in Mainz bekommt. Zusammen mit anderen Kommunen hat Oberbürgermeister Zwick das Land verklagt. Anfang September hat die Landesregierung reagiert und den Finanzausgleich zwischen den Kommunen neu geregelt. Pirmasens könnte ab 2023 mehr Geld bekommen.

Zu wenig, findet Oberbürgermeister Zwick. “Kosmetik statt Problemlösung”, nennt er die neue Verteilung. Die prekäre Situation, in der Pirmasens sich befindet, würde damit kaum gelöst werden.

Verfassungsänderung für Schuldenschnitt

Noch wichtiger als die neue Gelderverteilung durch das Land ist eine vom Landtag beschlossene Verfassungsänderung: Mit ihr kann das Bundesland etwa die Hälfte der Kassenkredite von Städten, Gemeinden und Landkreisen übernehmen. Das wären drei Milliarden Euro. Die Landesregierung kündigte an, dass "die besonders betroffenen Kommunen besonders stark entlastet werden. Insofern wird gerade die Stadt Pirmasens besonders stark von der Entschuldung profitieren."

Die andere Hälfte der Schulden könnte möglicherweise der Bund übernehmen. Die Ampel-Parteien haben im Koalitionsvertrag vereinbart, die Kommunen von Altschulden zu entlasten. Passend dazu sagte Bundesfinanzminister Christian Lindner den Zeitungen der Funke Mediengruppe im Mai: "Wir müssen die betroffenen Kommunen jetzt entschulden, damit Spielraum für Investitionen bleibt. Die Zeit drängt, denn die Zinswende wird auch auf Städte und Gemeinden durchschlagen."

Diese Zinswende ist nun eingetreten. Nach einem Jahrzehnt der niedrigen Leitzinsen hat die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsen wieder angehoben. Für Kreditnehmer wie die Stadt Pirmasens bedeutet das, dass es noch teurer wird, Kredite zurückzuzahlen, weil die Zinsen wieder steigen.

Für eine Schuldenübernahme durch den Bund wäre eine Grundgesetzänderung notwendig, für die es eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag braucht. Also bräuchte die Ampel-Koalition die Zustimmung zumindest von Teilen der Opposition. Auch der Bundesrat müsste zustimmen. Andere Bundesländer mit weniger stark verschuldeten Kommunen, beispielsweise Bayern und Baden-Württemberg, sind nicht begeistert vom Plan der Bundesregierung und könnten sie blockieren. Bayerns Finanzminister hat bereits Widerstand angekündigt.
Und auch im Umfeld von Lindner sind sich nicht alle einig über den richtigen Weg. Der ökonomische Chefberater des Finanzministers, Lars Feld, sagte dem Handelsblatt im Mai: "Die vorgeschlagene Entlastung hochverschuldeter Städte und Gemeinden setzt den Ländern falsche Anreize. Es kann nicht sein, dass der Bund für einzelne Länder einspringt."

Trotz wenig Geld: Clauer möchte Mountainbikestrecke

Wenn der Skatepark im Strecktal fertig gebaut ist, schwebt Denis Clauer schon ein nächstes Projekt vor: Eine Mountainbikestrecke am Eisweiher soll es sein. Er wird dafür wohl wieder auf Betteltour gehen müssen. Es ist ein Teufelskreis, aus dem die Stadt Pirmasens aus eigener Kraft kaum herausfindet.

Für mehr Geschichten aus der Stadt, klicken Sie sich über unsere interaktive Karte durch den Strecktalpark!

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