Polizeikontrolle an der Mall in Kaiserslautern (Foto: SWR)

Diskussion über Kriminalstatistik des BKA

Fühlen sich die Menschen in Kaiserslautern sicher?

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Janina Schreiber
Bild von Janina Schreiber, Redakteurin in der SWR-Umweltredaktion (Foto: Annkatrin Gentges)

Kaiserslautern will mit einer Studie herausfinden, wie sicher sich die Menschen in der Stadt fühlen. Die Studien-Leiterin erklärt, wie die Forschung funktioniert.

Die Kritik von Bürgermeisterin Beate Kimmel (SPD) an der Kriminalitätsstatistik des Bundeskriminalamts (BKA) hat eine generelle Diskussion um die Sicherheit in Kaiserslautern aufkommen lassen. Ende September soll eine Studie der Technischen Universität Kaiserslautern (TUK) zum Thema "Sicherheitsgefühl" vorgestellt werden. Daraus wollen Stadt und Polizei dann ableiten, wo in Kaiserslautern Handlungsbedarf besteht. SWR.de hat mit der Leiterin der Studie darüber gesprochen, warum sich Menschen in einer Stadt unsicher fühlen.

SWR.de: Wie kommt es, dass sich Menschen in ihrer eigenen Stadt, in der Heimat, unsicher fühlen? Welche Faktoren spielen dabei eine Rolle?

Tanja Dannwolf: Häufig wird in der öffentlichen Debatte die Polizeipräsenz in den Vordergrund gerückt. Dies ist jedoch nur ein Aspekt unter vielen, die hier eine Rolle spielen. Auch sind die Ergebnisse von Studien zum Zusammenhang zwischen objektiver Kriminalität in einer Gegend und dem Sicherheitsgefühl nicht eindeutig. Darüber hinaus untersucht die Forschung noch verschiedene andere Faktoren.

Ein solcher Faktor ist beispielsweise die Opfererfahrung. Das heißt, wer selbst schon mal Opfer von Kriminalität geworden ist, oder im Bekanntenkreis davon erfahren hat, der kann sich unsicher fühlen. Allerdings sind die empirischen Befunde nicht so eindeutig.

Frauen und ältere Menschen meist unsicherer

Ein weiterer Faktor, der viel untersucht wurde, ist die Vulnerabilität. Beispielsweise haben Frauen und ältere Menschen durchschnittlich ein schlechteres Sicherheitsgefühl. Generell unterscheiden sich Menschen in ihrer Fähigkeit, mit Opfererfahrung und der Sorge vor Kriminalität umzugehen. Das hängt unter anderem von finanziellen Ressourcen und Bildung ab, aber auch davon, wie der Sozialstaat funktioniert. Deutschland hat im internationalen Vergleich ein hohes Sicherheitsgefühl. Das wird hier auch auf den Sozialstaat zurückgeführt.

"Wer selbst schon mal Opfer von Kriminalität geworden ist, der kann sich unsicher fühlen."

Das Sicherheitsgefühl kann auch durch Unsicherheit in anderen Lebensbereichen beeinflusst werden. Beispielsweise stellen derzeit Krisen wie die Corona-Pandemie, die andauernde Inflation oder der Angriffskrieg in der Ukraine mögliche Einflussfaktoren dar.

SWR.de: Inwiefern spielt die Stadt, wie sauber sie ist und wie sie aussieht, eine Rolle?  

Dannwolf: Das ist ein weiterer, relevanter Faktor. Die Nachbarschaft und wie eine Person sozial in der eigenen Wohngegend eingebunden ist, ist wichtig. Die Wahrnehmung, dass es gemeinsame Werte und ein hohes Maß an informeller sozialer Kontrolle in der Nachbarschaft gibt, sollte das Sicherheitsgefühl stärken.

Müll auf der Straße kann das Sicherheitsgefühl negativ beeinflussen

Hier kommt auch die häufig zitierte "broken windows-Theorie" ins Spiel. Wenn es in einer Gegend Anzeichen für einen Verfall von Normen gibt, also entweder Müll auf der Straße liegt oder Gruppen zusammenstehen, unter denen viele Betrunkene sind, kann das als Zeichen für nichtexistierende soziale Kontrolle gewertet werden und das Sicherheitsgefühl negativ beeinflussen.

"In einer schlecht beleuchteten, engen Gasse fühlt man sich bei Dunkelheit eben weniger wohl als in einer gut beleuchteten, belebten Straße."

Solche "incivilities" können nach dieser Theorie eine negative Spirale in Gang setzen. Dann kann diese Missachtung von Normen dazu führen, dass andere Menschen diese Norm ebenfalls nicht beachten. Wenn da also schon Müll auf der Straße liegt, ist es wahrscheinlicher, dass jemand seinen Müll dazu wirft, als wenn dort keiner liegen würde. Und die Beschaffenheit von Orten beeinflusst auch das Sicherheitsgefühl. In einer schlecht beleuchteten und engen Gasse fühlt man sich bei Dunkelheit eben weniger wohl als in einer gut beleuchteten, belebten Straße.

SWR.de: Die Statistik des Bundeskriminalamtes zeigt, dass die Zahl der Verbrechen in Kaiserslautern im Vergleich zu den Vorjahren zurückgegangen ist. Wie kommt es zu dieser Diskrepanz zwischen Sicherheitsgefühl und der tatsächlichen Zahl an Verbrechen? Man müsste doch meinen, dass das Sicherheitsgefühl wächst, je weniger Verbrechen es gibt?

Dannwolf: Ihre Frage unterstellt, dass das Sicherheitsgefühl eine direkte Funktion von Kriminalität ist und es einen quasi deterministischen Zusammenhang gibt. Das ist nicht der Fall. Zudem gibt es ja gar keine veröffentlichten empirischen Daten zum aktuellen Sicherheitsgefühl der Kaiserslauterer Bevölkerung! Als Sozialwissenschaftlerin kann ich nur davor warnen, aus einem Eindruck aus sozialen Netzwerken, persönlicher Kommunikation und Leserbriefen auf das allgemeine Sicherheitsgefühl in einer Stadt zu schließen.

Mein Eindruck war auch, dass der Bericht zu Kaiserslautern, der ja beispielsweise von einer guten Aufklärungsquote der Polizei spricht, untergegangen ist durch die Veröffentlichung des Rankings des BKA. Ich denke, es ist sehr wichtig, sich alle Daten sehr gründlich und auch deliktspezifisch anzuschauen und in eine sachliche Diskussion einzusteigen. Übrigens: Skandalisierung von Kriminalität in den Medien ist auch ein guter Weg, das Unsicherheitsgefühl in die Höhe zu treiben.

SWR.de: Kaiserslautern ist mit seinen knapp 100.000 Einwohner eine „kleine“ Großstadt. Wenn im Stadtteil A etwas passiert, erfährt man das in Stadtteil B und C noch am selben Abend. Durch Facebook-Gruppen hat die Geschwindigkeit der Nachrichtenübermittlung stark zugenommen. Ist das eher ein Problem für das Sicherheitsgefühl oder sehen Sie darin auch eine Chance?

Dannwolf: Wer sich in einer Gegend nicht sicher fühlt, reagiert in der Regel mit Vermeidungsverhalten. Ich gehe also nicht mehr raus oder an bestimmte Orte. Das wiederum mindert meine Lebensqualität und Lebenszufriedenheit. Ich denke, dass soziale Netzwerke dem entgegenwirken können. Soziale Netzwerke transportieren häufig auch ein positives Bild, das Vermeidungsverhalten entgegenwirken kann. Man geht vielleicht doch eher zur Party in der Stadt, wenn man sieht, dass dort viele Freundinnen und Freunde gerade Spaß haben und ihnen eben nichts passiert. Ich gehe zumindest mal davon aus, dass es auch positive Nachrichten über das Leben in Kaiserslautern in den sozialen Netzwerken gibt.

Soziale Netzwerke können helfen, frühzeitig zu warnen

Es kann ja auch mehr Sicherheit geben, dass man durch soziale Netzwerke eventuell auch frühzeitig gewarnt wird, wenn wirklich irgendwo etwas passiert. Außerdem kann ich damit schnell einen Freund informieren, wenn ich alleine unterwegs bin und mich unsicher fühle.

Generell hängt die Wirkung von sozialen Netzwerken von der jeweiligen Bubble ab, in der man sich bewegt. Wenn sich alles nur noch um Kriminalität dreht, kann das natürlich auch angstmachend oder verzerrend sein.

SWR.de: Was können Stadt und Polizei tun, um den Menschen ein sicheres Gefühl zu geben?

Dannwolf: Die Stadt geht – wie ich finde – einen guten Weg und hat erstmal die Studie zur empirischen Erfassung des Sicherheitsgefühls in Auftrag gegeben. Generell gilt, dass nicht nur die Stadt und die Polizei für das Sicherheitsgefühl zuständig sind. Das Sicherheitsgefühl ist nicht identisch mit dem Kriminalitätsgeschehen. Selbst auf Ebene der Stadt wird die Zuständigkeit häufig bei der Ordnungsbehörde gesehen, aber das betrifft auch andere Bereiche wie das Sozialdezernat.

Sicherheitsgefühl in Kaiserslautern verbessern durch Sozialarbeit und Stadtteilfeste

Viele Dinge können das Sicherheitsgefühl verbessern, das reicht von interkulturellen Begegnungszentren, Quartiersmanagement und Schulsozialarbeit, Seminaren gegen Rassismus, Stadtteilfeste, Freundlichkeit im Umgang mit anderen bis hin dazu, dass jede Hundebesitzerin und jeder Hundebesitzer den Kot des Hundes entsorgt. Aber auch das Land und der Bund können durch die Entschuldung Kaiserslauterns dazu beitragen. Es ist dem Sicherheitsgefühl auch nicht zuträglich, wenn die Menschen den Eindruck bekommen, dass die öffentliche Hand nicht mehr handlungsfähig ist. Breiter Wohlstand, soziale Sicherheit und gute öffentliche Infrastruktur führen auch zu höherem Sicherheitsgefühl.

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