Die queere Singer-Songwriterin Oktober aus Kaiserslautern im Interview zum Diversity Day. (Foto: @mara.em)

Interview zum Diversity Day am 31. Mai

"Keiner kann von außen sagen, was du bist und wen du liebst"

Stand
AUTOR/IN
Michelle Habermehl
Bild von Michelle Habermehl, Redakteurin im SWR Studio Kaiserslautern (Foto: SWR)

Oktober ist eine Singer-Songwriterin aus Kaiserslautern und queer. Sie erzählt, warum es wichtig ist, offen damit umzugehen und was Berlin und Kaiserslautern gemeinsam haben.

SWR Aktuell: Dein bürgerlicher Name ist Clara. Als Singer-Songwriterin bist du als "Oktober" unterwegs. Woher kommt der Name?

Oktober: Ich mache sehr nostalgische, melancholische Musik mit Texten, die eher in so ein stürmisches, kuscheliges Wetter passen. Es ist halt nicht das ganze Jahr über Herbst, deswegen ist für mich die Lösung gewesen, einfach selbst der Herbst zu sein. Und ich liebe Herbstfarben. Ich trage fast nichts anderes. Ich liebe einfach Erdfarben und rot-orangene Töne. Ich meine, man sieht es ja auch (lacht und zeigt auf ihre Haare). Und ich fand den Klang von Oktober einfach schön.

SWR Aktuell: Du hast bislang drei Singles veröffentlicht. Die letzte ist im Februar rausgekommen. Was passiert in nächster Zeit so musikalisch bei dir?

Oktober: Ich rödele gerade an neuen Produktionen. Es sind schon ganz viele fertig geschrieben Songs auf meiner Festplatte, die eigentlich nur noch verpackt werden müssen. Und da bin ich gerade viel am Schreiben und bin viel im Studio.

SWR Aktuell: Du bist der Musik wegen nach Berlin gezogen, bist aber auch ab und an hier in der Pfalz und trittst hier auf. Was würdest du sagen, wo ist deine Heimat?

Oktober: Kaiserslautern. Ganz klar. In Berlin ist mein Zuhause, in Kaiserslautern meine Heimat.

SWR Aktuell: Du gehst sehr offen damit um, dass du queer bist. Du hast es ja zum Beispiel auf deiner Instagram-Seite stehen. Dir ist es also wichtig, dass klar zu zeigen?

Oktober: Ich weiß, wie wichtig es mir war, Künstler:innen zu sehen, die sich als queer definieren, in meiner persönlichen Entwicklung, aber auch in meiner Musik. Das möchte ich auch ein Stück weit zurückgeben. Für mich stand es nie im Raum zu lügen, was meine Identität angeht. Ich definiere mich als queer, zurzeit als bisexuell. Ich glaube nicht, dass man das definieren muss, wenn man gerade noch auf der Suche ist oder einfach das Gefühl hat, in diesem "In-Between" schon angekommen zu sein. Ich glaube, es ist einfach wichtig zu repräsentieren und Queer-Sein auch eine Art Plattform zu geben und in queeren Spaces auch aufzutreten. Aber vor allem finde ich noch wichtiger, in nicht queeren Spaces aufzutreten, um Gesicht zu zeigen, weil wir einfach Teil der Gesellschaft sind.

SWR Aktuell: Gab es da jemanden, die oder der dich inspiriert hat?

Oktober: Eine Freundin von mir, die in der Oberstufe in unsere Klasse gekommen ist, war die erste mir nahe stehende Person, die Queer-Sein so selbstverständlich ausgelebt hat. Das war einer der ersten Momente, in denen ich mich auch vor mir selbst geoutet habe. Außerhalb meines privaten Umfeldes war das war für mich ganz, ganz eindeutig Dodie. Sie ist eine Musikerin, bisexuell und nicht-binär. Ich höre sie schon seit ich 16 bin. Sie hat auch einen Song geschrieben übers bisexuell-sein. Mich hat das so unfassbar inspiriert, jemanden zu sehen, der Musik und Queer-Sein verbindet, dass ich mir nicht hätte vorstellen können, das auszulassen in meiner Künstler-Biografie.

SWR Aktuell: Wie hat es sich für dich angefühlt, als du dich das erste mal als queer definiert hast?

Oktober: Also erstmal hat es sich richtig angefühlt. Also einen Begriff zu finden, der einem so viel zurückgibt von sich selbst, was man noch nicht kennt. Das ist einfach eine unfassbar interessante Erfahrung, aber auch eine sehr prägende Erfahrung. Ich glaube aber auch, dass Begriffe nicht unbedingt wichtig sind, um Sexualitäten valide zu machen. Ich glaube auch, man braucht keine Erfahrung in seiner Sexualidentität, um sich queer nennen zu dürfen. Ich glaube, dass kann dir keiner von außen sagen, was du bist und wen du liebst. Ich hatte auch nie so ein richtiges Coming-Out. Ich hab‘s einfach in den passenden Momenten erzählt. Ich glaube, ich habe schon immer gewusst, dass ich ein bisschen der Norm abweiche. Aber vielleicht ist man auch grundsätzlich als Künstler:in abweichend (lacht).

"Ich habe auch in Kaiserslautern nie gelogen, was meine Geschlechtsidentität oder meine Sexualität angeht."

SWR Aktuell: Kaiserslautern und Berlin wirken ja auf den ersten Blick total anders. Wie anders ist auch der Umgang mit queeren Menschen in den zwei Städten? Ist er so unterschiedlich oder liege ich da vielleicht auch falsch mit meiner Einschätzung?

Oktober: Ja und nein. In Berlin leben einfach schon mal mehr Menschen. Hier ist natürlich die Community größer. Es kommt eben auf den Menschen an, ob man Gleichgesinnte sucht oder nicht. Es gibt auch in Kaiserslautern queere Spaces. Und grundsätzlich ist auch jedes Konzert, das von einer queeren Person abgehalten wird, ein queerer Safe-Space. Kaiserslautern schätze ich nicht als sehr konservativ ein. Ich glaube, die Stadt ist offen für Menschen wie mich. Und ich bin ja auch nicht nach Berlin gezogen, um hier plötzlich meine Wahrheit zu leben. Ich hab auch in Kaiserslautern nie gelogen, was meine Geschlechtsidentität oder meine Sexualität angeht. Es war für mich, zum Glück, nie ein schlimmes Thema. Und das beweist mir, dass die Menschen, die ich in meinem Umfeld habe in Kaiserslautern, aber auch in Berlin, einfach Menschen sind, die ich gerne um mich habe. Weil das Thema einfach mit sehr viel Respekt aufgenommen wird.

SWR Aktuell: Du machst also überwiegend gute Erfahrungen mit deiner Offenheit zum Queer-Sein?

Oktober: Auf jeden Fall überwiegend gute. Wenn man Musik veröffentlicht, aber auch wenn man live spielt oder ein bisschen anders aussieht oder sich die Haare färbt, bekommt man so oder so immer gemischte Reaktionen und das ist beim Queer-Sein genauso. Aber grundsätzlich ist der Schnitt unfassbar positiv und das freut mich sehr. Ich weiß aber auch, dass das ein krasses Privileg ist und dass es nicht allen Menschen so geht, die sich outen. Und dass auch bisexuell sein diesen Fluch und Segen hat. Je nachdem in welcher Art Beziehung man steckt, sieht man nach außen vielleicht heterosexuell aus und dass man dann deswegen weniger Hass entgegen geschickt bekommt, das ist der Segen. Aber es hat auch den Fluch, dass man oft nicht als queer angesehen wird oder das überhaupt anerkannt wird.

SWR Aktuell: Was möchtest du als Künstlerin für mehr Diversität in der Gesellschaft tun?

Oktober: Da mir queere Künstlerinnen so viel vorgelebt haben, möchte ich genauso, dass meine Konzerte Safe Spaces sind für queere Personen. Konzerte mit einem queeren Publikum sind einfach grundsätzlich immer wie ein großer Familientreff, wo plötzlich alle sie selbst sein können. Es ist so schön, dass ich das als Job machen kann. Ein Konzert als Safe Space: Das ist mein oberstes Ziel.

Das Interview führt SWR-Aktuell-Redakteurin Michelle Habermehl.

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