Ein SWR-Reporter-Team hat den Praxistest gemacht: 100 Hausarztpraxen in Rheinland-Pfalz wurden angerufen – mit einer einfachen Frage: 'Nehmen Sie noch neue Patienten auf?' Die Reporterinnen und Reporter gaben sich als Neuzugezogene aus, die einen Hausarzt suchen. Das Ergebnis? Besonders auf dem Land sieht es düster aus.
Ob dieses Stadt-Land-Gefälle auch für die Westpfalz zutrifft und welche Erfahrungen unsere Reporterin mit dem Praxispersonal gemacht hat, erfahren Sie nun:
Mein Selbsttest startet in Kaiserslautern: Nach dem Zufallsprinzip wähle ich online mit Hilfe der Arzt- und Psychotherapeutensuche der Kassenärztlichen Vereinigung drei Hausarztpraxen aus. Beherzt greife ich zum Hörer, die erste Enttäuschung folgt prompt.
Trotz Stress: Das Personal in den Praxen ist freundlich
"In diesem Quartal können wir leider keine Patienten mehr aufnehmen", sagt freundlich eine Medizinische Fachangestellte am anderen Ende der Leitung. "Versuchen Sie es doch nochmal im April." Im Hintergrund höre ich emsiges Gemurmel und schnelle Schritte. Offenbar ist die Praxis proppenvoll.
In der zweiten Praxis läuft es etwas besser. Zwar könne man mir als Neupatientin nicht direkt einen Termin geben, ich soll aber gerne zur offenen Sprechstunde kommen. Das macht Mut und tatsächlich habe ich beim dritten Anlauf Erfolg. "Ja, wir haben noch Kapazitäten", sagt erneut eine ausgesprochen freundlich klingende Stimme.

Sofort gebe ich mich als Journalistin zu erkennen und komme ins Gespräch. Innerhalb von 14 Tagen könne die Praxis in der Regel einen Termin möglich machen. Falls man aber nicht so flexibel in den Zeiten sei, könne es auch bis zu sechs Wochen dauern. Im Notfall ginge es aber auch schneller.
Einen Unterschied zwischen Privat- und Kassenpatienten machen wir nicht.
Diese Aussage ist alles andere als selbstverständlich. Immer mehr Praxen geben in Deutschland ihren Kassensitz auf und behandeln nur noch Selbstzahler und Privatversicherte. Laut dem Privatärztlichen Bundesverband hat sich die Zahl seiner Mitglieder in den letzten Jahren fast verdoppelt. Geschäftsführer Thomas Ems schätzt, dass es bundesweit mittlerweile 15.000 bis 20.000 Privatpraxen gibt.
Die Gründe: Sie hoffen auf weniger Bürokratie, weniger Stress oder flexiblere Sprechzeiten.
Zahl der Privatpraxen in Deutschland steigt Warum eine Ärztin aus Kaiserslautern nur noch Privatpatienten behandelt
Bundesweit gibt es immer mehr private Arztpraxen. Zum Jahreswechsel hat auch eine Ärztin aus Kaiserslautern ihren Kassensitz aufgegeben und behandelt nur noch Privatpatienten.
Weniger Einnahmen durch Kassenpatienten
An Privatpatienten verdienen Hausärzte in Deutschland mehr, weil es keine feste finanzielle Obergrenze gibt. Dagegen bekommen Ärzte nur eine bestimmte Summe für die Behandlung von gesetzlich Versicherten – egal, wie viele Patienten sie behandeln. Wenn das Budget aufgebraucht ist, verdienen sie an zusätzlichen Behandlungen weniger oder gar nichts mehr.
Neues Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz will Abhilfe schaffen
Der Bundesrat entscheidet am Freitagvormittag über ein neues Gesetz für Hausarztpraxen. Künftig sollen Hausärzte für alle Leistungen voll vergütet werden – ohne Budgetgrenze. Was das bedeutet:
Leistung soll bezahlt werden Neues Gesetz zu Hausarztpraxen - was es verbessern soll
Der Bundesrat hat am Freitag einem Gesetz zu Hausarztpraxen zugestimmt. Das Honorar für Hausärzte soll dadurch nicht mehr begrenzt sein. Was das bedeutet.
Angespannte Lage in Pirmasens und Zweibrücken
Nachdem mein Selbsttest in Kaiserslautern recht gut gestartet ist, wendet sich das Blatt bei meinen Stichproben in Pirmasens und Zweibrücken. Insgesamt habe ich es bei sechs Praxen probiert. Leider ging niemand ans Telefon. Stattdessen vertröstete mich meist eine Bandansage. In einem Fall wurde mir dabei eine Notfallnummer angeboten - immerhin.
Typisches Stadt-Land-Gefälle zeigt sich in der Westpfalz nicht
Überraschend erfreulich gestaltete sich die Suche nach einem neuen Hausarzt im Kreis Kaiserslautern und im Kreis Kusel. Gleich neun Praxen waren bereit mich als Neupatientin aufzunehmen, darunter Rodenbach, Wolfstein oder Ramstein-Miesenbach. Da ich vorgegebenen habe kein akutes Problem zu haben, hätte ich im Schnitt eine dreiwöchige Wartezeit in Kauf nehmen müssen.

Nachdem ich mich zu erkennen gegeben habe, komme ich erneut mit einer Medizinischen Fachangestellten ins Gespräch. Meine Frage, ob die Praxis Privatpatienten lieber aufnehme als gesetzlich Versicherte, empörte sie fast: "Natürlich platzt auch unsere Praxis aus allen Nähten, die Unterscheidung hasse ich aber."
Mensch ist Mensch, egal wie er oder sie versichert ist.
Fazit vom Selbstversuch
Meine Suche nach einem neuen Hausarzt in der Westpfalz verlief zäh. Doch bei gut der Hälfte der angerufenen Praxen konnte ich einen Termin ergattern. Obwohl die Hintergrundgeräusche verrieten, dass es in den Praxen meist turbulent zuging, waren alle Angestellten am Telefon sehr freundlich. Anders als in anderen Teilen des Landes konnte ich in der Westpfalz kein Stadt-Land-Gefälle erkennen.
Hinweis: Der Selbsttest ist eine stichprobenartige Momentaufnahme und nicht repräsentativ. Ziel war es, ein Stimmungsbild aus Rheinland-Pfalz zu zeichnen. Die Befragung lief anonym, daher werden keine Praxen namentlich genannt. Und klar: Alle zugesagten Termine wurden selbstverständlich direkt wieder abgesagt.