Ein Spielzeug in einer Kindertagesstätte. Im Hintergrund sieht man eine Frau und ein Kleinkind. (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Uwe Anspach)

Mehr Geld, mehr Urlaub

Kita-Beschäftigte aus dem Westen der Pfalz: Lob und Kritik für Einigung im Tarifsteit

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Erziehungskräfte und andere Beschäftigte in sozialen Berufen erhalten mehr Geld und mehr freie Tage. Die Reaktionen auf die Einigung im Tarifstreit fallen in der Westpfalz unterschiedlich aus.

Diese Einigung am späten Mittwochabend kam für viele unerwartet. Die Gewerkschaft ver.di und der Beamtenbund dbb haben sich mit den kommunalen Arbeitgebern darauf verständigt, dass die Beschäftigten zunächst pauschal zwei Tage pro Jahr mehr Urlaub bekommen. Außerdem haben sie die Option, Teile ihres Gehalts in maximal zwei weitere freie Tage umzuwandeln.

Zusätzlich bekommen Erzieherinnen und Erzieher im kommunalen öffentlichen Dienst zum 1. Juli monatlich 130 Euro mehr. Für Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter gibt es ebenfalls ab Juli 180 Euro zusätzlich.

"Ich habe das Gefühl, dass wir ein Leckerli vorgeworfen bekommen haben, aber vor leeren Netzen sitzen."

Mehr Geld löst die Probleme der Kitas nicht

Doch mehr Freizeit und mehr Geld können die Probleme im Kita-Alltag nur bedingt lösen. "Die Einigung kommt für mich überraschend. Ich bin aber wahrscheinlich eine der wenigen, die von dem Ergebnis sehr enttäuscht ist", berichtet die Leiterin einer kirchlichen Einrichtung in Kaiserslautern im Gespräch mit dem SWR.

"Ich habe das Gefühl, dass wir ein Leckerli vorgeworfen bekommen haben, aber vor leeren Netzen sitzen. Das ist auch der Eindruck meines Teams." 130 Euro mehr im Monat klinge erstmal phantastisch. Die Frage sei allerdings, was am Ende davon übrig bleibe. "Leute aus meinem Team haben heute Morgen darüber gewitzelt, was sie mit dem Geld zuerst machen sollen, Schmerzmittel und Beruhigungsmittel kaufen, oder es für die Zusatzkosten bei Strom und Gas zurücklegen."

Mehr Urlaub bedeutet mehr Arbeit für andere in der Kita

Die zusätzlichen freien Tage seien schön. Das bedeute aber auch, dass öfter Leute fehlten, die ersetzt werden müssten. Die Kita-Leiterin hätte sich nach eigenen Angaben Erleichterungen für die Arbeit am Kind gewünscht - zum Beispiel mehr Personal und kleinere Gruppen. "Ich bin seit über 40 Jahren in diesem Beruf. Es kommt immer mehr Arbeit auf uns zu, die wir nicht ausgleichen können." Das betreffe vor allem die Vorbereitungszeit, Gespräche mit Eltern oder die Zusammenarbeit mit den Stellen, die sich beispielsweise um Kindeswohlgefährdung kümmern. Außerdem fehle es an Geld für die technische Ausstattung der Kitas.

Viele Kolleginnen und Kollegen würden bereits jetzt ehrenamtlich länger arbeiten, da sie Überstunden nicht abfeiern könnten: "Entweder man verausgabt sich selbst und wird krank, oder man leistet keine gute Arbeit mehr."

Die Kuh ist vom Eis, aber die Kitas haben weiterhin Probleme

Michael Geckeler arbeitet in einer kommunalen Kita in Marnheim im Donnersbergkreis. Er habe, zum jetzigen Zeitpunkt, ebenfalls nicht mit einer Einigung im Tarifstreit gerechnet und sei "erstaunt, dass sie die Kuh vom Eis gebracht haben". Auf den ersten Blick halte er den Abschluss für gar nicht so schlecht: "Die zusätzlichen freien Tage finde ich gut." Allerdings will sich der Erzieher und Gewerkschafter auch noch einen genauen Überblick über alle Details verschaffen.

Politik soll bessere Bedingungen in Kitas schaffen

"Es wird wie immer zufriedene und unzufriedene Kolleginnen und Kollegen geben, das ist nicht ungewöhnlich", so Geckeler. Er hat nach eigenen Angaben Verständnis für die Einwände derer, die mit dem Abschluss nicht zufrieden sind. Man müsse allerdings klar zwischen Tarif und Politik unterscheiden. Um bessere Rahmenbedingungen für die Arbeit in den Kitas zu erreichen, also beispielsweise mehr Personal und kleinere Gruppen, seien die Arbeitgeberverbände die falschen Ansprechpartner: "Da müssen wir uns mit der Politik direkt streiten."

Kita-Leiterin aus Pirmasens hätte sich mehr erhofft

"Ich habe mir mehr erhofft. Allerdings bin ich auch davon ausgegangen, dass kein Angebot kommt, das wir annehmen können", so Jennifer Distler, Leiterin der Kita im Banana Building in Pirmasens. "Wir hatten den Fokus bei den Verhandlungen auf Entlastung gelegt. Jetzt haben wir zwar mehr Urlaubstage, aber an diesen Tagen müssen wir dann gucken, dass der Dienstplan aufrechterhalten wird." Distler und ihre Kolleginnen und Kollegen hätten sich eher erhofft, dass sie mehr Zeit für die Vor- und Nachbereitung bekommen. Dafür gebe es derzeit 30 Stunden im Jahr. Das sei weniger als eine Stunde pro Woche. "Es gibt so viele Sachen, die vor- und nachbereitet werden müssten und es fehlt die Zeit.“

Dass die Wünsche und Bedürfnisse der Erzieherinnen und Erzieher, nicht zuletzt durch die kürzlichen Kita-Streiks, nun wieder in der Öffentlichkeit stehen, sei ein wichtiger Schritt. "Tarifverhandlungen werden auch genutzt, um die Öffentlichkeit auf andere Probleme aufmerksam zu machen. Es geht um noch mehr!"

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SWR