In Zweibrücken könnte es künftig einen Laden geben beziehungsweise Fachgeschäft, in dem medizinisches Cannabis als auch Cannabis für den Freizeitkonsum verkauft wird. Dahinter steckt das Cannabis-Modellprojekt. Bei dem möchten bereits rund 30 Städte mit solchen Fachgeschäften mitmachen. Das Ziel des Projekts: Eine wissenschaftliche Begleitung und Untersuchung der Auswirkungen von Cannabis. Hinter diesem Modellprojekt steckt Initator Professor Sven Gottschling. Er ist Chefarzt im Zentrum für altersübergreifende Palliativmedizin und Kinderschmerztherapie am Hombuger Universitätsklinikum des Saarlandes.

SWR-Aktuell: Was genau ist das Cannabis-Modellprojekt?
Professor Sven Gottschling: Vor einem Jahr wurde festgelegt, dass Anbau, Konsum und Besitz legal sind. Die Problematik dabei: Wenn ich nicht anbaue, wo bekomme ich das dann her? Der Erwerb war weiterhin illegal. Seit Kurzem ist aber die Möglichkeit da, dass man über einen Sonderantrag über das Bundeslandschaftsministerium Modellprojekte startet. Dabei ist der Verkauf in gezielten Regionen oder Städten an Menschen möglich, die sich bereit erklären, an einem wissenschaftlichen Forschungsprojekt teilzunehmen. Diese Teilnehmer müssen während der Studie Fragebögen ausfüllen, um THC-haltige Produkte kaufen zu können.
SWR-Aktuell: Was wollen Sie mit dem Cannabis-Projekts erreichen?
Gottschling: Durch die Legalisierung darf jeder bis zu 25 Gramm Cannabis mit sich führen. Das führt dazu, dass Dealer weiterhin relativ ungestört ihre Geschäfte machen können. Wenn sie von der Polizei kontrolliert werden, können sie einfach behaupten, es sei Eigenbedarf. Was wir wissen, dass Straßen-Cannabis oft hochgradig belastet ist – mit Pestiziden, Schwermetallen und sogar Fäkalkeimen. Das sind Stoffe, die Konsumenten sich in die Lunge ziehen und damit ihre Gesundheit massiv gefährden. Außerdem bleibt der Schwarzmarkt aktiv und Menschen kommen in Kontakt mit Dealern, die ihnen beim nächsten Kauf auch gefährliche Drogen andrehen könnten.

Das Ziel des Modellprojekts ist es, medizinisch geprüften Cannabis zu einem fairen Preis anzubieten und so den Schwarzmarkt auszutrocknen – so wie es schon in anderen Ländern, wie Kanada, erfolgreich gelungen ist.
SWR-Aktuell: Bei der letzten Stadtratsitzung in Zweibrücken kam es zu Diskussionen. Was halten Sie davon, dass es da mehrere Meinungen gibt?
Gottschling: Es gab bereits zwei Stadtratssitzungen dazu. Die erste war sachlich und produktiv. In der zweiten Sitzung wurde die Entscheidung verzögert, vor allem durch die CDU und AfD. Ich fand das enttäuschend. Ein CDU-Kollege, der auch Arzt ist, hat mich sogar persönlich angegriffen. Vorher hat er mich nicht kontaktiert. Es gibt viele unbegründete Ängste: Zum Beispiel, dass Zweibrücken zu einem "Mini-Holland" werden könnte. Dabei ist das Projekt klar darauf ausgerichtet, nur registrierte Bürger mit Wohnsitz in Zweibrücken zu betreffen. Leider wird die Diskussion hier oft unsachlich geführt. Trotzdem hoffe ich, dass man sich am Ende für das Projekt entscheidet, da es für die Region viele Chancen bietet, insbesondere für wissenschaftliche Forschung. Fast 30 Städte, unter anderem Frankfurt, haben für das Projekt auch schon Anträge gestellt.
SWR-Aktuell: Wie kann Cannabis Menschen helfen?
Gottschling: Seit 2017 gibt es das Cannabis-als-Medizin-Gesetz. Das ermöglicht, Cannabis als Schmerzmittel einzusetzen. Also zum Beispiel bei Schlafstörungen, Muskelverspannungen, Epilepsie oder Tourette-Syndrom. Es hilft auch bei entzündlichen Erkrankungen und in der Palliativversorgung. Das liegt daran, dass unser Körper Cannabinoid-Rezeptoren in fast allen Geweben hat. Die spielen eine Rolle bei Regeneration, Schmerz und anderen Funktionen.
Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene sollten Cannabis meiden, da der Konsum die Gehirnentwicklung stören kann und das Risiko für Psychosen steigt.
SWR-Aktuell: Cannabis hat auch Nachteile - wer sollte auf keinen Fall konsumieren?
Gottschling: Schwangere und stillende Frauen sollten auf jeden Fall auf Cannabis verzichten, weil THC über die Nabelschnur oder die Muttermilch an das Kind weitergegeben wird. Das kann zu gesundheitlichen Folgen führen, wie einem erhöhten ADHS- oder Autismusrisiko. Auch Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene sollten Cannabis meiden, da der Konsum die Gehirnentwicklung stören kann und das Risiko für Psychosen steigt. Deshalb empfehlen wir in unserem Modellprojekt ein Mindestalter von 21 Jahren, auch wenn es gesetzlich ab 18 Jahren erlaubt ist. Bei schwerkranken Kindern, die auf Cannabis-basierte Medizin angewiesen sind, erfolgt die Anwendung unter strenger ärztlicher Aufsicht. Auch hier in sehr niedrigen Dosen und nicht zum Rauchen.