Vor allem während der pandemiebedingten Lockdowns sei die Gefahr für Frauen Opfer häuslicher Gewalt zu werden gestiegen, sagt Katharina Disch, die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Kaiserslautern. Das Problem für die betroffenen Frauen: "Man sieht die berühmten blauen Flecke nicht mehr, die vielleicht angeblich passiert sind, weil ich die Treppe runter gefallen bin, oder, dass ich mir angeblich beim Kochen die Hand verbrannt habe. Das fällt niemandem mehr auf, weil die Menschen nicht mehr auf der Straße sind, die gehen nicht mehr zur Arbeit."

Aktionstag soll auf die Probleme hinweisen
Um auf das Problem aufmerksam zu machen, werden am Aktionstag "Orange the World" orangene Flaggen gehisst und öffentliche Gebäude in oranger Farbe beleuchtet. Auch Katharina Disch beteiligt sich und will ein Zeichen gegen Gewalt an Frauen setzen. Sie rollt eine Flagge aus, auf der Frau kraftvoll die Arme in die Luft streckt. Diese Flagge hisst der Kaiserslauterer Landrat Ralf Leßmeister (CDU) am Mittwochnachmittag vor dem Rathaus.
Zunahme der Gewalt in Beziehungen "Orange the World" - Aktionstag gegen Gewalt an Frauen in RLP
Aus Anlass des Internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen gibt es auch in Rheinland-Pfalz viele Veranstaltungen. Fast 7.000 Frauen wurden im vergangenen Jahr in engen sozialen Bindungen Opfer von Gewalt.
Gewalt gegen Frauen: Hohe Dunkelziffer
Gewalt an Frauen komme vor allem im häuslichen Umfeld vor, sagt Katharina Disch. Im Jahr 2020 weist die Polizeistatistik etwas mehr als 1.000 Fälle von Gewalt in engen sozialen Beziehungen in der Westpfalz aus. In allein 80 Prozent davon sind Frauen die Opfer. Die gleichen Zahlen zeichnen sich bereits für 2021 ab. Katharina Disch fürchtet, dass die Dunkelziffer weit größer sei.

Mehr Konflikte mit Partner durch Homeoffice
Eine Sprecherin vom Frauenhaus in Kaiserslautern berichtet, dass sich – entgegen der Erwartung – die Zahl der Zuflucht suchenden Frauen während des Lockdowns zumindest in Kaiserslautern nicht wirklich erhöht habe. Stattdessen habe sich das hilfesuchende Klientel verändert. Vermehrt hätten sich Frauen gemeldet, die sich im Homeoffice mit ihren Partnern in Konflikte verstrickt hätten, und bei denen es teilweise zu häuslicher Gewalt in Folge der Homeoffice Regelung gekommen sei. Diese Frauen hätten zwar keine Zuflucht-Möglichkeit im Frauenhaus benötigt, sie seien bei Freundinnen oder im Hotel untergekommen, allerdings seien diese Frauen um Beratungsmöglichkeiten dankbar gewesen.
Frauenhaus komplett belegt
Das Frauenhaus in Kaiserslautern ist das zweitgrößte in Rheinland-Pfalz. Hier können in neun Zimmern Frauen Zuflucht finden. Die seien komplett belegt. Ob die Opfer Zuflucht in Frauenhäusern und bei Beratungsstellen bekommen, hängt nach Angaben der Gleichstellungsbeauftragten Katharina Disch nicht nur davon ab, ob die Kapazitäten ausreichen: "Die Frage ist auch, erkennen Frauen und Mädchen, dass sie wirklich Opfer von Gewalt sind? Gewalt fängt ja nicht damit an, dass ich geschlagen oder vergewaltigt werde, sondern das fängt ja auch schon dann an, dass ich bedroht, kontrolliert oder sozial isoliert werde, dass mein Ex-Partner mich stalkt, dass ich im Internet verfolgt werde, das ist ja subtiler Gewalt, wie beispielsweise, dass mein Partner mir Geld vorenthält, dass er mich ökonomisch macht."
Aufklärung wichtig im Kampf gegen Gewalt an Frauen
Wegen dieser vielen Gesichter von Gewalt an Frauen hält die Gleichstellungsbeauftragte Disch die Aufklärung für einen wichtigen Baustein in der Bekämpfung des Problems. Und die müsse in Kindergärten und Schulen beginnen, sich aber auch fortsetzen beispielsweise in der Unternehmenskultur: "Erzähl nicht deiner Tochter, dass sie diesen Rock nicht anziehen darf, sondern erzähle deinem Sohn wie er sich zu benehmen hat. Denn, Sexismus gibt es, Gewalt auch, auch geschlechtsspezifische Gewalt. Und wir müssen in der Gesellschaft einen offenen Umgang damit finden, sodass die Thematik nicht in diese Schämecke kommt. Nur wenn wir das Problem offen ansprechen, können wir es lösen."
Ein Aktionstag allein könne der Gewalt an Frauen kein Ende setzen, aber es sei ein Anfang, erklärt Disch. Seit 1999 rufen die Vereinten Nationen immer am 25. November zum internationalen Aktionstag gegen Gewalt an Frauen auf. Seit fast zwanzig Jahren beteiligen sich auch Vereine und Organisationen in der Westpfalz daran.