Am Bahnhof in Koblenz sind Menschen unterwegs, die ihr 9-Euro-Ticket nutzen. (Foto: dpa Bildfunk, SWR, Picture Alliance)

Zu wenig Platz und viele Fahrräder

9-Euro-Ticket: So erlebte ein Zugbegleiter das Pfingstwochenende

Stand

Mit dem Start des 9-Euro-Tickets hat sich am vergangenen Wochenende auch offenbart, wie gut die Bahn auf viele Gäste vorbereitet war. SWR Aktuell hat mit einem Zugbegleiter aus Rheinland-Pfalz gesprochen.

Marvin Tauber (Name von der Redaktion geändert) ist seit 2019 Fahrgastbetreuer bei der vlexx GmbH und wohnt in Mainz. Er hat am Pfingstwochenende gearbeitet und die Zustände in den Zügen hautnah miterlebt. Im Interview hat er uns von vielen Menschen ohne Masken und massiven Problemen mit Fahrrädern erzählt.

SWR Aktuell: Herr Tauber, es war das erste lange Wochenende mit 9-Euro-Ticket-Gästen in den Zügen. Wie haben Sie ihre Arbeitszeit erlebt?

Tauber: Mit einem Wort: anstrengend. Ich hatte Frühschicht, die ging von 5:30 Uhr bis 14:30 Uhr. Und ich hatte in dieser frühen Zeit doch etwas weniger Gäste erwartet. Natürlich war ich innerlich schon seit dem 1. Juni drauf eingerichtet, dass es jetzt täglich volle Züge geben wird, aber es war wirklich mehr, als ich gedacht hatte. Im Normalfall hat man in der Frühe eher die Berufspendler, die Reisenden kommen dann erst im Laufe des Tages dazu.

SWR Aktuell: Wie war die Situation in den Zügen? Waren die so voll, dass es Platzprobleme gab und teilweise Reisende auch wieder aussteigen mussten?

Tauber: Ja, am Samstagmittag war ich in einem Zug von Frankfurt nach Saarbrücken eingesetzt. Da gab es die Situation, dass nach dem Flughafen alle Züge komplett voll waren. Und das, obwohl wir schon mit mehr Waggons gefahren sind. Trotzdem war der Zug überfüllt. Ich musste dann in Rüsselsheim teilweise Leute bitten wieder auszusteigen. Dort wartete am Bahnsteig nämlich ein Rollstuhlfahrer, der seit drei Zügen nicht mitgenommen werden konnte, beziehungsweise an dem dann einfach vorbeigefahren wurde. Da musste ich dann eben schauen, dass ich Leute, die nur nach Mainz oder Wiesbaden wollten, zur S-Bahn umleite.

SWR Aktuell: Das bedingt natürlich auch immer wieder, dass man mit den Menschen ins Gespräch geht. Es wurde unter anderem auch von verbalen Attacken berichtet. Haben Sie denn zwischenmenschlich schwierige Situationen erlebt?

Tauber: Es gab natürlich den einen oder anderen, der sich im Tonfall ein bisschen vergriffen hat, ein bisschen lauter wurde und sich beschwert hat, warum denn nicht noch ein weiterer Waggon angehängt wurde. Ich kann von meiner Seite aber berichten, dass die Leute doch sehr verständnisvoll waren, weil ich mich ihnen gegenüber aber auch verständnisvoll gezeigt habe. Und auch eine Art der Eskalation, dass die Leute sich untereinander irgendwie an die Gurgel gegangen wären, gab es bei mir jetzt nicht.

Reportage: Mainz - Westerland Wie entspannt ist die Fahrt mit dem 9-Euro-Ticket nach Sylt?

Mit dem 9-Euro-Ticket kommt man aktuell so günstig wie nie mit dem Zug aus dem Südwesten bis nach Sylt. Der Fahrpreis ist quasi geschenkt, aber man bezahlt mit Zeit und Komfort. Lohnt sich die Reise?

SWR Aktuell Rheinland-Pfalz SWR Fernsehen RP

SWR Aktuell: Gilt das auch für den Umgang mit der noch geltenden Maskenpflicht?

Tauber: Es gab tatsächlich einen großen Anteil an Menschen, die ohne Maske unterwegs waren. Wenn man die Leute dann drauf hingewiesen hat, waren die meisten doch eher überrascht, nach dem Motto: "Was, hier gilt noch eine Maskenpflicht?" Ich habe dann direkt versucht zu beschwichtigen und an alle, die keine Maske hatten, eine verteilt. Der Verschleiß war auch ziemlich hoch. Allein am Samstag und Sonntag habe ich 150 Masken verteilt. Und dann gab es natürlich auch noch die, die bei jeder Möglichkeit, die Maske herunter gezogen haben. Insgesamt ist es sehr nervig, wenn man bei so vielen Menschen immer wieder auf die Maskenpflicht hinweisen muss. Aber da bin ich mittlerweile Profi.

SWR Aktuell: Um mal noch den Blick auf etwas Positives zu werfen: Was ist denn vielleicht sogar unerwartet gut gelaufen?

Tauber: Befürchtet hatte ich wirklich, dass es zu Ausschreitungen und Diskussionen mit den Fahrgästen kommt, weil die Züge so voll waren. Das war nicht der Fall. Und was man auch sagen muss: Die Kommunikation ist wirklich gut gelaufen. Informationen konnten rechtzeitig verteilt werden. Wir konnten den Leuten früh sagen, wo sie zu welchen Bussen müssen und vieles mehr.

Video herunterladen (8,7 MB | MP4)

SWR Aktuell: Und wo sehen Sie noch Verbesserungsbedarf für die kommenden Monate?

Tauber: Das größte Problem bereiten die Fahrräder. Nicht überall ist es garantiert, dass man sein Fahrrad auch mitnehmen kann. Ich bin in einem Verkehrsverbund eingesetzt, bei dem man gerade am Wochenende sein Fahrrad ganztags kostenfrei mitnehmen kann, aber bei Schienenersatzverkehr entfällt das dann auch wieder. Den Leuten muss bewusst sein: Es gibt keine Garantie, dass man sein Fahrrad mit reinkriegt, vor allem wenn das Fahrradabteil schon voll ist. Die Fahrräder machen alles zusätzlich voller.

Rheinland-Pfalz

Stresstest an Pfingsten Eine Woche 9-Euro-Ticket - eine Bilanz

Am Pfingstwochenende ist es im Regionalverkehr der Bahn auch in Rheinland-Pfalz zu Engpässen und überfüllten Zügen gekommen. Eine Ursache war erwartungsgemäß das 9-Euro-Ticket, das seit Anfang Juni gilt. Es gibt aber auch andere Gründe.

RLP

Start des 9-Euro-Tickets bei Bus und Bahn So lief der erste Tag mit dem 9-Euro-Ticket

Seit Mittwoch kann man mit dem 9-Euro-Ticket überall im Öffentlichen Nahverkehr in Deutschland fahren. Wir haben nachgefragt, wie der erste Tag in Rheinland-Pfalz verlief - und ob man es auch bis Sylt schafft.

Kaiserslautern

Polizei warnt vor gefährlichem Trend Nach Stromschlag wegen Selfie: Jugendlicher außer akuter Lebensgefahr

Der Jugendliche, der durch einen Stromschlag am Bahnhof Einsiedlerhof in Kaiserslautern schwer verletzt worden ist, schwebt nach Angaben der Polizei nicht mehr in Lebensgefahr. Er wollte auf einem Güterwaggon ein Selfie machen.

Stand
AUTOR/IN
SWR