SWR Aktuell: Felicia Ewert, Sie sind eine trans Frau. Was bedeutet das für Sie?
Felicia Ewert: Das bedeutet, ich bin eine Frau, der bei der Geburt das Geschlecht männlich zugewiesen wurde. Ich habe selbst sehr viel Zeit gebraucht, um das zu realisieren und dann habe ich tatsächlich nochmal sehr viel Zeit gebraucht, um andere Menschen davon zu überzeugen, dass das wahr ist, dass ich eine Frau bin.
SWR Aktuell: Sie sprechen Ihren Prozess zur Personenstandsänderung an. Der beruht ja noch auf dem Transsexuellengesetz von 1980. Die Ampelkoalition im Bund will das reformieren, dass man sein Geschlecht auf dem Standesamt ändern kann – ohne zwei Gutachten und Gericht. Was halten Sie davon?
Ewert: Das ist bitter notwendig. Nicht nur die Vereinfachung, dass es zu einem einfachen Verwaltungsakt wird. Es geht auch mit einer ganz massiven Kostenersparnis einher. So ein gerichtliches Verfahren ist sehr teuer. Das ist vielen Leuten selbstverständlich nicht bewusst, die das Glück haben, sich niemals damit auseinandersetzen zu müssen.

SWR Aktuell: Wie teuer war das bei Ihnen?
Ewert: Ich habe mehr als 1.200 Euro für dieses Verfahren gezahlt. Das gilt als günstig. Und das hat lange gedauert - über acht Monate. Aber auch das gilt als schnell. Also zeitliche Ersparnis, Kostenersparnis sind positiv. Ich sehe der Gesetzesänderung sehr positiv entgegen. Wie es hinterher in der Praxis ausschaut, das kann ich nicht sagen.
SWR Aktuell: Es gibt auch Kritik an den geplanten Änderungen. Zum Beispiel, dass Männer den vereinfachten Verwaltunsgsakt nutzen könnten, um in Schutzräume für Frauen, etwa öffentliche Toiletten, einzudringen.
Ewert: Dieses Gesetz gibt Männern keine Befähigung, die sie nicht ohnehin schon hätten. An keiner Toilette wird ein Personalausweis kontrolliert. Es wäre eigentlich auch ziemlich schlimm, wenn das der Fall wäre. Aber es wird so dargestellt, als ob es eine magische Barriere vor öffentlichen Toiletten geben würde, wo Männer, die das ausnutzen wollen, nicht durchkommen. Und mit der Änderung des Gesetzes könnten sie das plötzlich. Das können sie auch jetzt jederzeit machen. Das zusätzliche Problem dabei ist: Uns wird schon wieder die Verantwortung für das gewaltvolle Verhalten von Männern zugeschoben.
SWR Aktuell: Sven Lehman, der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, hat gesagt: "Welches Geschlecht ein Mensch hat, kann kein Arzt von außen attestieren." Wie stehen Sie zu dieser Aussage?
Ewert: Die Aussage ist korrekt. Es gibt eine ganz hohe Wahrscheinlichkeit, wenn neugeborene oder noch ungeborene Kinder mit dem Ultraschall untersucht werden, dass das zugeschrieben Geschlecht korrekt ist. Aber das ist eben nicht der Punkt. Es macht nämlich Personen wie uns immer zu einer Ausnahme, zu einer Abweichung von vermeintlicher Normalität. Wir müssen uns dann immer wieder erklären und beweisen.
SWR Aktuell: Sie sprechen am Mittwoch online beim Frauenzentrum Mainz über Transfeindlichkeit, haben auch ein Buch darüber geschrieben. Wo erleben transgeschlechtliche Menschen im Alltag Diskriminierungen?
Ewert: Die Frage ist: Wo passiert es nicht? Allein die Tatsache, dass wir massiv hohe Hürden überwinden müssen, um unsere Ausweisdokumente, um Bankkarten und Sonstiges korrigieren lassen zu können. Selbst wenn ich ein Gerichtsverfahren begonnen habe, dauert das Monate, für manche über ein Jahr, bis wir korrekte Dokumente haben. Das sind dann Momente im Alltag, in denen wir uns sehr häufig erklären müssen, warum wir einen vermeintlich falschen Personalausweis mit uns herumtragen, warum der Name auf der Bankkarte möglicherweise nicht zu unserem Erscheinungsbild passt. Wir stehen unter permanenten Erklärungsbedarf.
SWR Aktuell: Also fühlen Sie sich in unserer Gesellschaft nicht gleichberechtigt.
Ewert: Nein, weil da sehr viele Ebenen zusammenkommen. Das ist die Kombination aus Trans-, Homo- und Frauenfeindlichkeiten. Nein, ich fühle mich auf sehr vielen Ebenen nicht gleichberechtigt. Garantiert nicht.
SWR Aktuell: Wie hängen für Sie Sichtbarkeit und Schutz von trans Personen zusammen?
Ewert: Es darf nicht von uns verlangt werden, dass wir in die Öffentlichkeit treten und dass dann alles gut ist. Dieser Schritt bedeutet massive Gefahr für uns. Ich habe mich vor knapp vier Jahren dazu entschieden, in die Öffentlichkeit zu treten. Ich wusste, es wird anstrengend. Ich wusste nicht, was alles noch auf mich zukommt. Aber ich habe mich dafür entschieden. Ich versuche Sichtbarkeit zu vermitteln, die andere nicht haben können. Die andere nicht riskieren können, weil sie keine Unterstützung in ihrem Umfeld, in ihren Familien, auf ihren Arbeitsplätzen haben.
"Es ist nicht mein Job, die Leute an die Hand zu nehmen und sie einzeln, davon zu überzeugen."
SWR Aktuell: Können andere Menschen da helfen?
Ewert: Das Wichtigste ist, dass die Leute begreifen: All das, Transfeindlichkeit, all die möglichen Arten von Geschlechtlichkeit haben etwas mit mir zu tun, auch wenn ich nicht trans bin. Und ich muss mich darüber aufklären. Ich muss mich weiterbilden, um andere Menschen unterstützen und schützen zu können. Da muss schon mal die Grundüberzeugung da sein. Aber die ist bei sehr vielen Menschen tatsächlich vorhanden. Ich sehe auch immer wieder Menschen, die sich unterstützend zeigen wollen. Die einfach mitunter ein bisschen Angst vor ein paar Begriffen haben. Das ist aber nicht schlimm. Ich freue mich, wenn die Leute dann eher nichts sagen, bevor sie Quatsch erzählen.
SWR Aktuell: Welche Wünsche und Erwartungen haben Sie an Menschen, die Ihnen negativ gegenüber stehen?
Ewert: Da habe ich keine Erwartungshaltung mehr. Ich habe schon in die tiefsten Abgründe geblickt. Ich kann einfach nur hoffen, dass die Leute irgendwann an den Punkt kommen, an dem sie realisieren, was sie anderen Menschen eventuell in ihrem Leben angetan haben. Ich kann einfach nur hoffen, dass sie das realisieren und merken, dass ihr bisheriger Weg von Hass und Gewalt bestimmt gewesen ist - auch wenn sie selbst körperlich nicht gewalttätig wurden. Da bin ich leider manchmal vielleicht auch in einer zynischen Realität angekommen. Aber es ist nicht mein Job, die Leute an die Hand zu nehmen und sie einzeln davon zu überzeugen. Dafür habe ich zu wenig Lebenszeit. Das ist mir auch einfach zu unsicher.
SWR Aktuell: Was würden Sie einer Person, die sich gerade im Prozess befindet, mitgeben?
Ewert: Du bist nicht allein und lass dir niemals einreden, dass du nicht wunderschön bist.
Das Interview führte Carolin Wollschied.