Zentraler Streitpunkt in den gerichtlichen Auseinandersetzungen zwischen dem Ghostwriter Heribert Schwan und Maike Kohl-Richter sind Kopien von Tonbandaufnahmen von Interviews, die Schwan mit Helmut Kohl geführt hatte, um dessen Memoiren zu schreiben. Drei von vier geplanten Bänden erschienen in Absprache mit Helmut Kohl. Bevor der Altkanzler 2017 starb, veröffentlichte Schwan einen vierten, nicht autorisierten Band unter dem Titel "Vermächtnis: Die Kohl-Protokolle", der den seit Jahren andauernden juristischen Streit auslöste.
Im Januar 2020 hatten sowohl Helmut Kohls Witwe, Maike Kohl-Richter, als auch der Journalist und Ghostwriter Schwan Revision gegen das jüngste Gerichtsurteil eingelegt. Das Oberlandesgericht Köln hatte im Dezember 2019 darin entschieden, dass Schwan zwar Auskunft über Anzahl und Verbleib der digitalen und sonstigen Kopien geben muss. Alle anderen Ansprüche auf die Kopien seien jedoch verjährt. Die Original-Kassetten gingen schon zu Kohls Lebzeiten in dessen Besitz über.
Worum geht es in der aktuellen Klage?
Der Bundesgerichtshof muss nun in nächster Instanz entscheiden, ob Ghostwriter Schwan der Witwe von Helmut Kohl tatsächlich sagen muss, wo sich die Kopien der Tonbänder befinden und wie viele es davon gibt. Ihr eigentliches Ziel ist jedoch: alle Unterlagen und Kopien letztlich ausgehändigt zu bekommen, auch von Kohls Stasiakte und geheimen Verschlusssachen aus dem Kanzleramt. Als "überdurchschnittlich hohes Reck" - "juristisch" gesehen - bewertete der Vorsitzende BGH-Richter die fast zweistündige mündliche Verhandlung zwischen den beiden Parteien Mitte August. Im Wesentlichen geht es um Verjährungsfristen, aber auch um die Frage, ob Schwan als Journalist und Historiker ein weitgehendes Verwertungsrecht seiner Tonbandaufnahmen hat oder ob Kohl, beziehungsweise seine Witwe, Herr und Herrin der Aufnahmen sind.
Welche Geschichte steckt hinter dem Streit?
Schwan sollte Kohls Memoiren schreiben, besuchte ihn dafür zwischen 2001 und 2002 rund hundert Mal in seinem Haus in Ludwigshafen-Oggersheim. 200 Tonbänder mit über 600 Stunden Gesprächsdauer zeichnete er auf. Die nahm er mit zu sich nach Hause, seine Schwester tippte sie ab. 2008 verkrachten sich Kohl und Schwan. Kohl kündigte die Zusammenarbeit auf, forderte die aufgezeichneten Bänder heraus. Schwan konterte, diese könnten nicht zurückgegeben werden. Kohl klagte. 2014 veröffentlichte Schwan dann das Buch, das er nicht mit Kohl abgestimmt hatte. Darin zitiert er Kohl, wie dieser sich etwa über Angela Merkels Tischsitten und über andere Politiker abfällig äußert. Kohl klagte gegen die Veröffentlichung und Weiterverbreitung des Buches.
Welche Entscheidungen sind bisher gefallen?
Noch zu Kohls Lebzeiten wurde dem Altkanzler ein Schadenersatz in Rekordhöhe zugesprochen: Ein Zivilsenat des Bundesgerichtshofes sah 2015 dessen Persönlichkeitsrechte verletzt. Eine Million Euro wurde ihm zugesprochen. Doch Kohl starb, bevor das Urteil rechtskräftig wurde. Seine Witwe unternahm den Versuch, den Schadenersatz dennoch einzuklagen. Das Gericht entschied gegen sie: Der Schadenersatz könne nicht vererbt werden. Weitere Verhandlungen über das Geld laufen noch. Im Falle des vierten Bandes der Memoiren bekam die Witwe allerdings teilweise recht. Seitdem müssen immer wieder Zitate im Buch geschwärzt werden. Mittlerweile sind es mehr als 100 Stellen, die im Buch unkenntlich gemacht werden mussten.