Abgeordnete im Landtag von Rheinland-Pfalz (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Julia Cebella)

Heftige Kontroversen im Landtag

Flutkatastrophe im Ahrtal bestimmt Auftakt der Haushaltsdebatte in RLP

Stand

Regierungsparteien und Opposition im rheinland-pfälzischen Landtag haben sich in der Diskussion um den Haushalt 2022 einen heftigen Schlagabtausch geliefert. Im Zentrum stand die Flutkatastrophe im Ahrtal.

"Rheinland-Pfalz ist unzureichend auf Krisen und Katastrophen vorbereitet", sagte der CDU-Fraktionschef am Mittwoch in Mainz und erinnerte an die Flutkatastrophe im Sommer vergangenen Jahres im Ahrtal. "Elementar ist für uns ein besserer Bevölkerungsschutz", sagte Baldauf. "Hier gehen uns die Ansätze der Landesregierung nicht weit genug." So müssten Feuerwehren und Einsatzkräfte im Katastrophenschutz mit moderner Ausrüstung ausgestattet werden. Sicherer Bevölkerungsschutz dürfe nicht von der jeweiligen Kassenlage der Kommunen abhängig sein.

Christian Baldauf (CDU) (Foto: SWR)
Christian Baldauf (CDU) im Landtag

Baldauf: Spiegel und Manz sollten gehen

Der noch laufende Untersuchungsausschuss zur Flutkatastrophe habe schwerwiegende Versäumnisse aufgezeigt, sagte Baldauf. Statt einer funktionierenden Kommunikation zwischen Landkreisen und Land habe es "ein unglaubliches Hin-, Her- und Weggeschiebe von Verantwortung" gegeben. Die für den Hochwasserschutz zuständige damalige Umweltministerin und jetzige Bundesfamilienministerin Anne Spiegel (Grüne) "sollte wenigstens den Anstand haben, politisch Verantwortung zu übernehmen und zurückzutreten". Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) rief er auf, den Staatssekretär im Umweltministerium, Erwin Manz (Grüne), zu entlassen.

Schlagabtausch zwischen Baldauf und Braun wegen Spiegel

Für die Grünen griff Fraktionschef Bernhard Braun die Kritik Baldaufs zunächst auf und stimmte zu, dass "wir uns mehr kümmern müssen um den Katastrophenschutz". Er verteidigte seine Partei-Kollegin Anne Spiegel aber auch.

Die damalige Landesministerin habe am 14. Juli vergangenen Jahres im Landtag gesagt: "Die Lage in der Eifel spitzt sich momentan zu, wir können dort jede helfende Hand gebrauchen." Nach der Plenarsitzung habe er mit Spiegel ein dienstliches Gespräch bei einem Abendessen geführt, sagte Braun. "Ich weiß, dass sie erreichbar war, weil das Handy auf dem Tisch war." Gegenteilige Aussagen seien eine Lüge. Baldauf entgegnete, "Ihr Verhalten hier ist unanständig". Anstatt sich im Untersuchungsausschuss um Aufklärung zu bemühen, "stellen Sie sich hier hin und betreiben Clean Washing einer Parteifreundin". Baldauf forderte Braun auf, den Untersuchungsausschuss zu verlassen.

Der AfD-Fraktionsvorsitzende Michael Frisch sagte, die Flutkatastrophe sei kein Schicksal gewesen, sondern die Folge des Totalversagens einer Ministerin, der ihr eigenes Image wichtiger gewesen sei als das Schicksal der Bevölkerung im Ahrtal. Frisch sagte: "Solche Minister braucht niemand, nicht in Mainz und nicht in Berlin."

SPD legt Fokus auf den Wiederaufbau im Ahrtal   

Die SPD-Fraktionsvorsitzende Sabine Bätzing-Lichtenthäler legte einen Schwerpunkt auf den Wiederaufbau nach der Flutkatastrophe. Die Arbeit des Untersuchungsausschusses und der Enquete-Kommission zur Flut werde bald Schlussfolgerungen ermöglichen, "ob und gegebenenfalls an welchen Stellen Änderungen in Sachen Hochwasserschutz und Katastrophenschutz notwendig sein könnten".

Mehr Mittel für Bildung, Krankenhäuser und Straßenbau verlangt

In der Bildungspolitik forderte der Oppositionsführer Baldauf den Ausbau der Schulsozialarbeit. Die dafür bereitgestellten Mittel reichten nicht einmal ansatzweise aus, um den Bedarf zu decken. Die CDU-Fraktion fordert schon länger eine Verdoppelung der Zahl von Schulsozialarbeitern.

Einen weiteren Schwerpunkt legte Baldauf auf die Verbesserung der ärztlichen Versorgung, mehr Geld für das Medizinstudium und für Krankenhäuser. "In diesem Haushalt der Landesregierung steckt zu wenig Zukunft", kritisierte Baldauf und schlug ein Sonderprogramm für Investitionen vor. Das Land solle eine Milliarde Euro bereitstellen, um den Investitionsstau auch bei Straßen, Brücken und Radwegen abzubauen.

Landesregierung will weniger neue Schulden aufnehmen

Für 2022 sieht der Haushaltsentwurf von Finanzministerin Doris Ahnen (SPD), der am Freitag verabschiedet werden soll, Ausgaben von rund 20,61 Milliarden Euro vor.

Doris Ahnen steht am Rednerpult im Landtag Rheinland-Pfalz (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/Andreas Arnold/dpa)

Die Einnahmen liegen bei rund 19,71 Milliarden Euro. Um die Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben zu schließen, will das Land Kredite in Höhe von 894,1 Millionen Euro aufnehmen. Das ist etwa ein Drittel weniger als im Vorjahr. Möglich wird die geringere Kreditaufnahme durch gestiegene Steuereinnahmen. Ahnen sagte, der neue Haushalt müsse einen Beitrag zur Krisenbewältigung leisten.

Grünen-Fraktionschef Bernhard Braun und SPD-Fraktionschefin Sabine Bätzing-Lichtenthäler warfen in der Debatte der CDU-Opposition vor, keine eigenen Vorschläge zu einer seriösen Gegenfinanzierung ihrer Forderungen vorzulegen. Stattdessen wolle die CDU immer nur die Rücklagen anzapfen. Dieses Geld fehle dann langfristig. Braun sagte, eine Opposition habe die "verdammte Aufgabe", einen zuverlässigen Deckungsvorschlag zu machen. "Entweder Sie können es nicht, oder Sie wollen es nicht, oder Sie sind zu faul dazu. Das geht so nicht, meine Damen und Herren."

Freie Wähler wollen mehr Geld für Polizei und Solarenergie

Die Freien Wähler gehen mit 77 Änderungsvorschlägen in die Beratungen. Zu den Schwerpunkten gehören mehr Personal für die Polizei und der Ausbau der Solarenergie. So streben die Freien Wähler an, die Zahl der Polizeieinsatzkräfte im Land auf 11.000 zu erhöhen. Das sind 1.000 mehr als im Plan der Landesregierung vorgesehen. Auch wenn die Anträge kaum eine Chance auf eine Mehrheit hätten, sei es Aufgabe der Opposition, Verbessungsvorschläge vorzulegen, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer Stephan Wefelscheid.

AfD möchte Haushaltsrücklage des Landes auflösen

Die meisten Änderungsanträge legt die AfD-Fraktion vor: Insgesamt 242. Dazu gehört, dass sie die Rücklage zur Sicherung eines dauerhaft ausgeglichenen Haushalts auflösen will. Diese beträgt derzeit 1,8 Milliarden Euro. Die Auflösung soll laut Fraktionschef Michael Frisch einen Haushalt ohne weitere Schuldenaufnahme ermöglichen.

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