So manches Ehepaar aus Mann und Frau in Rheinland-Pfalz dürfte sich in diesem Frühjahr gewundert haben. Im Briefkasten lag ein Infoschreiben der Finanzverwaltung zur Grundsteuererklärung, die seit Anfang Juli abgegeben werden muss. Adressiert war der Brief allerdings in vielen Fällen nur an den Ehemann - obwohl auch die Ehefrau im Grundbuch gleichberechtigt als Eigentümerin eingetragen ist.
Ehemann an erster Stelle im Grundbuch
Das rheinland-pfälzische Finanzministerium begründet das so: Die Grundstücke seien seit vielen Jahrzehnten nicht mehr neu bewertet und der Adressdatenbestand dementsprechend lückenhaft.
Um das Infoschreiben verschicken zu können, habe die Finanzverwaltung in kurzer Zeit die Adressdaten aufwendig aktualisieren müssen. Damit der Arbeitsaufwand nicht noch größer wird, habe die Verwaltung nur die an erster Stelle im Grundbuch eingetragene Person angeschrieben. Aus historischen Gründen sei früher stets der Ehemann als Erster im Grundbuch eingetragen worden.
Alt eingefahrene Rollenbilder in den Verwaltungen
Rubina Zern-Breuer kümmert sich beruflich darum, wie Verwaltung moderner und zeitgemäßer werden kann. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer und leitet dort das Innovationslabor.
Bei ihrer Arbeit stößt Rubina Zern-Breuer noch immer auf alt eingefahrene Rollenbilder: "Patriarchale Ordnungssysteme sind bis heute strukturell in unserer Gesellschaft verankert. Da ist die öffentliche Verwaltung keine Ausnahme." IT-Systeme in der öffentlichen Verwaltung sind auch nur von Menschen gemacht und spiegeln daher diese Vorstellungen wider, sagt Zern-Breuer mit Blick auf die in Rheinland-Pfalz verschickten Schreiben: "Aktuell konnte die IT offenbar nicht so weit umgestellt werden, dass alle Personen gleichermaßen berücksichtigt und angeschrieben werden."

Ungleichbehandlung auch bei Formular zur Steuererklärung
Auch bei der Steuererklärung sorgt die Gleichbehandlung von Mann und Frau immer wieder für Diskussionen. Bei gemeinsam veranlagten Ehepaaren stand jahrzehntelang auf dem Formular strikt der Mann an erster Stelle und die Ehefrau dahinter, selbst wenn die Frau mehr verdiente als der Mann. Das galt in allen Bundesländern.
Seit 2017 können Ehepaare bei der ersten gemeinsamen Steuererklärung immerhin wählen: Steht der Mann oder die Frau an erster Stelle. Die Entscheidung ist bindend und darf – einmal getroffen – nicht mehr verändert werden. Wie beim Eheversprechen so scheint auch für die Finanzverwaltung bei der Partnerreihenfolge im Formular zu gelten: Bis dass der Tod Euch scheidet. Vom rheinland-pfälzischen Finanzministerium heißt es, die strikte Reihenfolge habe technische Gründe. Sie diene dazu, um beide Personen zweifelsfrei zuordnen zu können.
Nachteile für Zweitgenannten bei der Steuererklärung
Zugegeben: Es handelt sich sicher nicht um eine massive Ungleichbehandlung, aber ganz gleich werden die Eheleute eben auch nicht behandelt. Müssen er und sie zum Beispiel zusätzlich eine Umsatzsteuererklärung abgeben, kann der oder die Erstgenannte die gemeinsame Steuernummer auch dafür nutzen. Der oder die Zweitgenannte bekommt eine zweite Steuernummer zugeteilt und muss damit zwei Steuernummern verwalten.
Das soll sich laut rheinland-pfälzischem Finanzministerium ändern. Künftig müsse eine Umsatzsteuererklärung grundsätzlich unter einer separaten Steuernummer abgegeben werden. Diese Neuregelung befinde sich aber noch in der Umsetzungsphase.
Expertin kritisiert langsame Reformen in der Verwaltung
Wann die strikte Reihenfolge bei der Einkommenssteuererklärung komplett aufgehoben wird, ist noch nicht absehbar. Wir arbeiten dran, heißt es von der Finanzverwaltung. Der Termin für die Umsetzung ist offen, so das rheinland-pfälzische Finanzministerium. Die Gestaltung der Vordrucke für die Einkommensteuer habe aber keinen "wertenden Charakter".
Innovationsexpertin Rubina Zern-Breuer von der Uni Speyer ist über die zähen Reformen in der Finanzverwaltung nicht verwundert. Sie setzt vor allem auf die nachkommenden, jüngeren Generationen, die neue Ideale, Haltungen und Kenntnisse mitbringen: "Damit verschieben sich diese Normen allmählich. Aber das sind Prozesse, die sehr träge sind."