Im abgelaufenen Jahr zählte das Landeskriminalamt (LKA) 23 Geldautomaten-Sprengungen in Rheinland-Pfalz. "Dabei kam es in 11 Fällen nicht zur Entwendung von Bargeld (Versuchstaten)", teilte das LKA auf SWR-Anfrage mit. Diese Zahlen liegen ziemlich genau im Durchschnitt der Jahre 2017 bis 2019 - nur 2020 hatte es mit 35 Fällen bei 19 Versuchstaten einen deutlichen Ausreißer nach oben und einen neuen Rekordwert gegeben.
Einer der spektakulärsten Fälle war die Sprengung eines Geldautomaten in Bad Neuenahr-Ahrweiler im April, bei der die Täter mehr als 140.000 Euro erbeutet haben sollen und Sachschaden von rund 330.000 Euro anrichteten. Drei Männer müssen sich deshalb ab Donnerstag vor dem Landgericht Koblenz verantworten.
Eine Schadens-Statistik für das abgelaufene Jahr liegt noch nicht vor. Zahlen über die Höhe der Beute teilt das LKA aber seit kurzer Zeit generell nicht mehr mit - "um möglichen Tätern keinen Anreiz zu geben", sagte LKA-Sprecher Bastian Kipping.
Sachschaden höher als Beute
2020 hatten die Geldautomaten-Knacker laut Innenministerium in Rheinland-Pfalz insgesamt rund 2,1 Millionen Euro erbeutet. Der Sachschaden durch die Sprengungen habe noch etwas höher gelegen. "Der Gesamtschaden inklusive der Gebäudeschäden liegt bei mehr als 4,4 Millionen Euro", hieß es.
Die Aufklärungsquote bei Sprengungen von Geldautomaten erreichte 2020 nach Angaben des LKA 54 Prozent. Im abgelaufenen Jahr konnten in einem Fall Tatverdächtige ermittelt werden. In vier weiteren Fällen befindet sich die polizeiliche und justizielle Verfahrensübernahme durch Behörden außerhalb von Rheinland-Pfalz in der Abstimmung.
Festsprengstoff ersetzt Gasgemisch
Erhebliche Änderungen gibt es bei der Vorgehensweise der Kriminellen. Geldautomaten-Knacker steigen auch in Rheinland-Pfalz zunehmend von Gasgemisch auf Festsprengstoff um. Hintergrund für den bundesweiten Trend ist laut Polizei, dass viele dieser Automaten inzwischen explosives Gas neutralisieren und so Explosionen verhindern können.
In Rheinland-Pfalz betrug der Anteil von Attacken auf Geldautomaten mit Festsprengstoff nach Angaben des LKA 2018 noch acht Prozent. 2019 sei er auf 14, 2020 auf 37 und in diesem Jahr auf 75 Prozent gestiegen.
Festsprengstoff kann jedoch immense Schäden an den Gebäuden verursachen - ganz zu schweigen von der Gefahr für Leib und Leben der Anwohner.
Bemühen um mehr Sicherheit der Geldautomaten
Um den Kriminellen das Leben so schwer wie möglich zu machen, empfiehlt das LKA den Betreibern der Geldautomaten einen Katalog von Maßnahmen - darunter Videoüberwachung, weniger Bargeld in den Automaten sowie die Schließung der Geldautomaten-Bereiche von 0 bis 5 Uhr.
Die Präventionsstellen der Polizei beraten Banken und Sparkassen. "Durch die Umsetzung eines individuellen und gestaffelten Sicherungskonzeptes können viele Taten und Tatgelegenheiten deutlich erschwert, unterbunden beziehungsweise Taten auch besser aufgeklärt werden", erläuterte die Polizeibehörde.
Länder drängen auf verpflichtende Schutzmaßnahmen
Die Innenminister der Bundesländer haben den Bund auf einer Konferenz Anfang Dezember zu weiteren Maßnahmen aufgefordert. Er solle prüfen, ob Hersteller und Betreiber von Geldautomaten verpflichtet werden könnten, bestimme Schutzmaßnahmen gegen Sprengungen zu ergreifen.
"Die Täter verursachen durch die Sprengungen nicht nur immensen Geld- und Sachschaden, sondern auch teils erhebliche Gefahren für Leib und Leben", erklärte der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD). "Es sind auch die Hersteller und die Banken gefragt, die Geldautomaten gegen derartige Angriffe zu rüsten."
Betreiber: Verpflichtung nicht hilfreich
Eine solche Verpflichtung halten die Betreiber der Geldautomaten allerdings für "wenig zielführend". Dies entspreche nicht "dem standortbezogenen Ansatz, der die aktuelle Risikolage jeweils reflektiert", teilte die Deutsche Kreditwirtschaft dem SWR auf Anfrage mit. Zudem würden sich die Täter auf solche Universalmethoden "erfahrungsgemäß sehr schnell einstellen".
Banken und Sparkassen setzten bei der Sprengprävention auf einen Mix aus Maßnahmen. Das reiche von der Schließung besonders gefährdeter Automaten in der Nacht bis zum Einsatz von Anti-Gas- und Vernebelungssystemen. "Welche Vorkehrungen in welcher Kombination getroffen werden, hängt stets von der aktuellen Risiko- und Gefährdungssituation des Standortes ab." Auch auf aktuelle Entwicklungen bei den Angriffsszenarien werde reagiert.