Der Fachkräftemangel in Deutschland ist auf Rekordniveau: Insgesamt 632.000 Stellen konnten in im letzten Jahr nicht besetzt werden. Experten gehen davon aus, dass jährlich rund 400.000 Menschen aus dem Ausland nach Deutschland kommen müssten, um den Fachkräftemangel zu beheben. Könnten dann nicht Flüchtlinge Teil der Lösung sein?
Rund 2,2 Millionen Geflüchtete leben in Deutschland - nicht eingerechnet die Menschen, die vor dem Krieg aus der Ukraine geflohen sind. Deren Rechtsstatus ist ein anderer. Nach einer Erhebung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung sind im ersten Jahr nach der Ankunft nur 7 Prozent erwerbstätig. Die Lage ändert sich allerdings mit der Zeit: Nach fünf Jahren sind bereits 54 Prozent in Arbeit, nach sieben Jahren sind es 62 Prozent. Im Vergleich: Die Erwerbstätigenquote in Deutschland liegt insgesamt bei 76,9 Prozent. (Quelle: Statistisches Bundesamt, 2023)
Nach Zahlen der Arbeitsagentur hat zwar mehr als die Hälfte der Flüchtlinge nach sechs Jahren einen Vollzeitjob. Doch oft behindern Sprachprobleme und nicht immer ausreichende Schulbildung die Integration in den Arbeitsmarkt.
Viele Flüchtlinge ohne Schulabschluss
In Rheinland-Pfalz sind derzeit rund 200.000 Ausländer sozialversicherungspflichtig beschäftigt, davon gut die Hälte aus EU-Staaten. (Quelle: Statistisches Landesamt, Stand: April 2023). Aus den "klassichen" Asylbewerberstaaten kommen etwa 20.000 der Menschen, die einer Arbeit nachgehen. Hier stammen die meisten aus Syrien, Afghanistan und dem Iran. Und knapp die Hälfte von ihnen ist ohne Berufsabschluss hergekommen.
Geflüchtete lösen also nicht akut das Fachkräfteproblem in Deutschland. Nötig sind Integration und Ausbildung. Aber das klappt nicht ohne weiteres. Zwei Hauptprobleme tauchen in der Diskussion immer wieder auf: Sprache und Bürokratie.
Azubi im Gartenbau - Sprache und Bürokratie als Hindernis
Gartenbauer Ferdinand Kliesch von der Firma Kegler & Moser Garten- und Landschaftsbau in Haßloch hat seit gut zwei Jahren einen jungen Geflüchteten als Auszubildenden. Und er hat bislang - was die praktische Arbeit und die Motivation betrifft - gute Erfahrungen gemacht. "Er ist motiviert, er will lernen, ist ehrgeizig." Man sei insgesamt sehr zufrieden.
Ein Problem aber bleibt: Die Sprache. Auf der Baustelle sei das keine so große Herausforderung, aber in der Berufsschule. Da komme der Azubi zum Teil nicht hinterher. Und die mangelnden Sprachkenntnisse erschwerten auch den Umgang mit Behörden.
Und das bedeutet auch für den Ausbilder mehr Arbeit. Ferdinand Kliesch nennt die Unterstützung, etwa durch das Arbeitsamt, "sehr unzureichend". Sprach- oder Integrationskurse seien nicht ausgelegt für Leute, die schon im Erwerbsleben oder in Ausbildung sind. Das Amt "kam über Standardagebote nicht hinaus", es gab Kurse tagsüber oder am Abend, aber viel zu weit entfernt. Der Betrieb hat für den jungen Mann schließlich einen Online-Sprachkurs gefunden.
Ferdinand Kliesch würde es sich genau überlegen, ob er nochmal einen Geflüchteten als Lehrling einstellt. Was sich dafür ändern müsste? "Weniger bürokratische Hürden, ein vereinfachter Verwaltungsaufwand, um die Leute einzustellen. Es müsste eine Garantie geben, dass die Leute, wenn sie die Ausbildung machen und der Betrieb das Geld in die Hand nimmt, um sie zu integrieren, dass sie dann auch bleiben dürfen. Und es sollte von der Agentur für Arbeit oder anderen Behörden, Sprachförderangebote geben, die sich mit dem beruflichen Alltag zusammenbringen lassen."
Berufsfachschule bildet Geflüchtete aus
Ortswechsel. Die Berufsfachschule in Kusel. Hier stehen Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler vor ähnlichen Problemen. Die Sprachbarriere ist eines der größten für Geflüchtete, sagt der Leiter der Berufsfachschule Michael Riefer.
Die BBS bietet jungen Menschen eine Chance, die keinen Ausbildungsplatz gefunden haben. 32 Plätze gibt es dafür pro Jahr. Eine Schülerin ist Fatemeh Amiriparidari. 2017 ist sie aus dem Iran nach Deutschland geflohen. Jetzt steht sie kurz vor der Gesellenprüfung zur Elektrotechnikerin.
Eine Erfolgsgeschichte, aber mit Hindernissen. Fatemeh erzählt, dass für sie das Lernen manchmal doppelt schwierig war wie für andere. Sie habe alles erstmal in ihre Muttersprache übersetzen müssen.
Forscher: "Wir haben zuviel Bürokratie"
Der Migrationsforscher Wido Geis-Thöne sieht - neben dem Spracherwerb - noch eine weitere Hürde bei der Ausbildung Geflüchteter. Die duale Ausbildung - also im Betrieb und in der Berufsschule - gebe es international so nicht. "In den meisten Ländern ist es so, dass die Ausbildung an einer Hochschule einen sehr hohen Status hat. Ausbildung in einem Unternehmen habe eher den Status von "Anlernen". "Das wird dann im sozialen Umfeld eher negativ bewertet", so Geis Thöne.
Und auch für den Forscher sind die bürokratischen Hürden ein wesentlicher Punkt, warum es mit beruflicher Integration oft nicht klappt. "Wir haben zuviel Bürokratie".
Außerdem seien die Behörden personell unterbesetzt, auch dort herrsche Fachkräftemangel, so dass Verwaltungsakte sehr lange dauerten. Die Verantwortung dafür trügen die öffentlichen Arbeitgeber, so Geis-Thöne. Da man nicht kurzfristig mehr Personal rekrutieren könne, sei der Bund in der Verantwortung. Verwaltungsakte, die nicht absolut notwenig seien, müssten aus seiner Sicht gestrichen werden.
Zumindest bei letzterem verspricht die Bundesregierung jetzt Änderungen. Das Bundeskabinett hat beschlossen: Bürokratische Hürden sollen abgebaut werden, Flüchtlinge sollen schneller in Arbeit kommen.
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