Ein Haus inmitten der Wassermassen, die in der Nacht des 14. Juli das Ahrtal überflutet haben. In einem Stockwerk brennt noch Licht. Das Innenministerium hat die Aufnahmen, die ein Polizeihubschrauber aufgenommen hatte, nun erstmals veröffentlicht. (Foto: Polizei Rheinland-Pfalz)

Bilder von gewaltigen Wassermassen im Ahrtal

Diese Fragen werfen die Polizeivideos zur Flutkatastrophe auf

Stand

Sie spielen eine entscheidende Rolle bei der Aufarbeitung der Flutkatastrophe: Videos, die aus einem Polizeihubschrauber heraus gemacht wurden. Wir erklären, warum sie so wichtig sind:

Was ist auf den Videos zu sehen?
Warum hat die Besatzung des Hubschraubers keine Menschen gerettet?
Welchen Beitrag können die Videos zur Aufklärung der Schuldfrage liefern?
Wer hat wann die Polizeivideos gesehen?
Machen die Videos wirklich das Ausmaß der Katastrophe deutlich?
Was macht die Aufnahmen besonders brisant?
Was bedeuten die Aufnahmen für Innenminister Lewentz?

Was ist auf den Videos zu sehen?

Es handelt sich um Luftaufnahmen, die am 14. Juli 2021 zwischen 22:14 und 22:42 Uhr aus einem Polizeihubschrauber heraus entstanden sind. Nach Angaben der Polizei war der Hubschrauber flussaufwärts entlang der Ahr geflogen, es sind Ortschaften von Mayschoß bis Schuld zu sehen.

Auf den knapp 20 Minuten dauernden Aufnahmen sieht man gewaltige Wassermassen. Ganze Ortsteile sind überschwemmt, viele Häuser stehen bis zum Dach im Wasser. Aus den halb versunkenen Häusern heraus senden Menschen in Not Taschenlampen-Signale. Um die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen zu wahren, wurden diese Stellen vom Innenministerium verpixelt, bevor der Film der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Gefilmt wurde auch ein von den Wassermassen umschlossenes Auto, dessen Heck noch aus dem Wasser ragt. Der Heckscheibenwischer bewegt sich. Mögliche Insassen sind nicht zu erkennen.

Warum hat die Besatzung des Hubschraubers keine Menschen gerettet?

Der Polizeihubschrauber hatte keine Seilwinde, so dass der Pilot die eingeschlossenen Menschen nicht hätte aus ihrer Lage befreien können. Aus dem Innenministerium hieß es, der Pilot habe schließlich entschieden, seinen Flug einzustellen, weil er den Menschen habe keine Hoffnung machen wollen, dass er sie retten könne.

Aus Hessen und von der Bundeswehr angeforderte Hubschrauber mit Winde durften wegen der schlechten Wetterlage am späten Abend nicht mehr starten.

Welchen Beitrag können diese Videos zur Aufklärung der Schuldfrage liefern?

Bei der Flutkatastrophe starben alleine im Ahrtal 134 Menschen. Warum mussten sie sterben? Hätte man nicht Menschenleben retten können? Mit diesen Fragen befasst sich nicht nur die Staatsanwaltschaft Koblenz, sondern auch der Flut-Untersuchungsausschuss des Landtags. Hier geht es auch um die Frage, ob der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD) hätte erkennen müssen, dass sich eine Katastrophe anbahnt, und in der Folge dafür sorgen müssen, dass das Land die Einsatzleitung übernimmt. Lewentz argumentiert bisher unter anderem, dass ihm das Ausmaß der Katastrophe am Abend und in der Nacht nicht bekannt war - er habe kein klares Lagebild gehabt. Es stellt sich die Frage, ob ihm durch die Polizeivideos nicht der Ernst der Lage hätte bewusst werden müssen.

Wer hat wann die Polizeivideos gesehen?

Voraussetzung dafür wäre natürlich gewesen, dass er die Videos gekannt hat. Lewentz hat im Flut-Untersuchungsausschuss jedoch ausgesagt, er habe die Videos in der Flutnacht gar nicht zu Gesicht bekommen. Nach eigener Darstellung sah er sie zum ersten Mal am 23. September 2022, als sie im Untersuchungsausschuss gezeigt wurden.

Dabei hatte das Lagezentrum des Innenministeriums selbst am Abend der Flut beim Polizeipräsidium Koblenz einen Aufklärungsflug angeregt. Unklar ist, was dann mit den Bildern geschah.

Die Staatsanwaltschaft Koblenz hat inzwischen Ermittlungen aufgenommen, um zu klären, wer die Videos wann gesehen hat.

Video herunterladen (10,9 MB | MP4)

Fakt ist, dass die Videos dem Untersuchungsausschuss erst ein Jahr nach der Katastrophe vorlagen. Dies hat bei der Opposition zu Irritationen geführt. Die Polizei spricht von einem Dokumentationsfehler und einem Missverständnis.

Der rheinland-pfälzische CDU-Fraktionschef Christian Baldauf hatte zuvor gesagt, es stelle sich die Frage, ob bewusst brisantes Material dem Ausschuss vorenthalten wurde. Anders die Haltung des Innenministeriums: Von dort hieß es, das Polizeipräsidium Koblenz habe die Videos wohl nicht für ausschlaggebend zur Einschätzung der Lage gehalten.

Machen die Videos wirklich das Ausmaß der Katastrophe deutlich?

Zu dieser Frage kann sich jeder selbst ein Bild machen, denn das Material ist inzwischen öffentlich. Wenn man in die Politik schaut, kommt es darauf an, wen man fragt. Für die Opposition besteht kein Zweifel daran, dass jeder, der diese Bilder gesehen hat, wissen musste, dass sich hier eine Katastrophe anbahnt.

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Anders die Ansicht von Innenminister Lewentz. Nach seinen Angaben sieht man auf den Bildern zwar ein "starkes Hochwasser", aber keine Katastrophe. Begründung: Es seien ja keine eingestürzten Häuser, keine weggerissenen Brücken, keine zerstörte Bahnlinie zu sehen - nicht das, was man im Hellen an schrecklicher Verwüstung habe feststellen müssen.

Was macht die Aufnahmen besonders brisant?

Viele Menschen, die bei der Flutkatastrophe starben, kamen erst spät in der Nacht weiter flussabwärts ums Leben. Hätten die Verantwortlichen aus den Videos die richtigen Schlüsse gezogen, hätten Menschenleben vermutlich gerettet werden können.

Der Hubschrauber-Kommandant hatte die dramatischen Eindrücke von seinem Aufklärungsflug im Anschluss auch per Telefon an das Lagezentrum des Innenministeriums weitergegeben.

Was bedeuten die Aufnahmen für Innenminister Lewentz?

Seit Bekanntwerden der Videos hat der Druck auf Innenminister Lewentz stark zugenommen. CDU und AfD fordern seinen Rücktritt. Selbst wenn Lewentz die Videos nicht gekannt haben sollte, zeige die Tatsache, dass die Videos zwischenzeitlich verschwunden waren, dass der Innenminister sein Haus nicht im Griff habe.

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Lewentz' jüngste Aussagen, wonach die Videos wahrscheinlich nichts an seiner Einschätzung geändert hätten, wenn er sie in der Flutnacht gesehen hätte, haben bei der CDU für Entsetzen gesorgt. CDU-Fraktionschef Baldauf sprach von zynischen Worten und einem "Schlag ins Gesicht all derer, die Angehörige in der Katastrophe verloren haben". Wer solche Videos nicht als Handlungsaufforderung begreife, sei fehl am Platz, so Baldauf. Er forderte Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) auf, Konsequenzen zu ziehen, sollte Lewentz nicht von sich aus zurücktreten. Ähnlich formulierte es AfD-Fraktionschef Michael Frisch.

Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) stellte sich allerdings hinter Lewentz. Die Staatskanzlei teilte mit, Dreyer vertraue dem Innenminister. Lewentz selbst sprach im SWR-Interview ebenfalls nicht von Rücktritt.

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