Ein Hubschrauber der rheinland-pfälzischen Polizeihubschrauberstaffel (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture alliance / dpa | Thomas Frey)

Zeugenaussagen im U-Ausschuss

Polizeikräfte kommunizierten schon am Abend katastrophale Lage im Ahrtal klar und deutlich

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Dirk Rodenkirch
Dirk Rodenkirch  (Foto: ARD-Hauptstadtstudio/Jens Müller )

Im Untersuchungsausschuss des Landtags haben Polizeikräfte ausgesagt, dass schon am Flutabend eine Katastrophe an der Ahr erkennbar war. Auch die im Ahrtal eingesetzte Polizeihubschrauberbesatzung schätzte die Lage so ein.

Dass die Flut "verheerende Ausmaße" habe, teilte der Flugtechniker nach eigenen Angaben gleich nach dem Flug dem Lagezentrum im Innenministerium mit. Er habe am Telefon von der schlimmsten Lage seit Jahren gesprochen und das Lagezentrum aufgefordert, jeden verfügbaren Polizeibeamten ins Ahrtal zu schicken, sagte der Flugtechniker am Freitag im Untersuchungsausschuss. Der Hubschrauber hatte die Ahr zwischen 22 und 23 Uhr von Mayschoß bis Schuld überflogen und dabei Videoaufnahmen gemacht.

Ab Dernau habe man krasse Überschwemmungen gesehen, die sich bis Schuld eher noch verschlimmert hätten, so der Flugtechniker. Seine Schilderungen an das Lagezentrum seien eindringlich genug gewesen. Aus Sicht des Flugtechnikers ist damals allen die dramatische Lage klar gewesen. An eine direkte Reaktion des Mitarbeiters im Lagezentrum bei dem Telefonat könne er sich nicht erinnern.

"Kein normales Hochwasser, sondern eine Katastrophe"

Eine am Flutabend diensthabende Polizistin aus dem Polizeipräsidium Koblenz sagte vor dem Untersuchungsausschuss, sie habe dem Lagezentrum des Innenministeriums am Abend und in der Nacht mehrfach am Telefon deutlich die katastrophale Lage geschildert. Marita Simon berichtet demnach von Häusern, die bis zum Dach unter Wasser stehen, von Menschen die mit Taschenlampen auf sich aufmerksam machen.

Auch habe sie dem Lagezentrum drei Handyfotos aus dem Polizeihubschrauber von schweren Überschwemmungen geschickt. Ihr sei schnell klar gewesen, dass es sich um eine Katastrophe handele und nicht um ein normales Hochwasser, so Simon.

Polizistin: Habe Kollegen im Lagezentrum schließlich angeschrien

Das Lagezentrum habe jedoch halbstündliche schriftliche Berichte per Fernschreiben angefordert, so die Polizistin. Dies sei technisch aufwändig und deshalb zeitlich nicht möglich gewesen. Marita Simon sagte, sie habe den Kollegen im Lagezentrum schließlich angeschrien. Ihr sei es nicht verständlich, wie das Lagezentrum die Situation so habe missinterpretieren können.

Es sei aber "nicht so, als hätte das Lagezentrum nichts gemacht", fügte die Polizistin hinzu. Das Lagezentrum habe beispielsweise Kräfte der Bereitschaftspolizei und technische Unterstützung auf den Weg geschickt. Bei ihrer ersten Aussage im U-Auschuss im Juli hatte Marita Simon schon sehr eindrücklich berichtet, dass für sie eine katastrophale Lage erkennbar gewesen sei.

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Videos wurden in Dienststelle der Flugstaffel hinterlegt

Bei den Zeugenbefragungen ging es auch darum, warum die Videos des Polizeihubschraubers erst kürzlich aufgetaucht sind. Das für die Videos zuständige Besatzungsmitglied berichtete, nach dem Aufklärungsflug von Mayschoß bis Schuld habe er die Aufnahmen in der Dienststelle der Hubschrauberstaffel auf einem Datenträger gespeichert und dort abgelegt. Über den Verbleib der gespeicherten Videos und eine Übergabe an das Polizeipräsidium Koblenz könne er keine Angaben machen.

Polizeipräsidenten räumen Fehler ein

Nach Ansicht des Koblenzer Polizeipräsidenten Karlheinz Maron hat die Polizei im Umgang mit den Hubschrauber-Videos Fehler gemacht: "Das war ein Fehler, unabhängig davon, wo der Fehler passiert ist", sagte er im U-Ausschuss. Das Polizeipräsidium Koblenz habe die Videoaufnahmen vom 14. Juli 2021 erst am 5. September in diesem Jahr bekommen. Die Filme seien katalogisiert und am 9. September per USB-Stick an das Lagezentrum des Innenministeriums weitergegeben worden.

Der für die Hubschrauberstaffel zuständige Polizeipräsident Christoph Semmelrogge hat sich im Untersuchungsausschuss dafür entschuldigt, dass die Videos dem Ausschuss mit deutlicher Verzögerung vorgelegt wurden. Er sagte, das sei ein Fehler, der nie hätte passieren dürfen.

Auch Hubschrauber-Einsatzbericht kam zu spät beim Ausschuss an

Erst vor einigen Wochen war bekannt geworden, dass die Hubschrauberstaffel neben Fotos auch Videos von dem Flug aufgenommen und noch in der Nacht einen schriftlichen Einsatzbericht an das Lagezentrum im Innenministerium gesendet hatte. Warum das Lagezentrum den Bericht erst kürzlich an den Untersuchungsausschuss weitergeleitet hat, ist weiterhin ungeklärt.

Wann das Lagezentrum im Innenministerium vom Ausmaß der Ahrflut wusste, ist wichtig für die Aufklärung. Innenminister Roger Lewentz (SPD) hatte stets angegeben, in der Flutnacht kein Lagebild von einer Katastrophe gehabt zu haben. Am Mittwoch trat Lewentz nach anhaltender Kritik an seinem Krisenmanagement in der Flutkatastrophe zurück.

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