Innenminster Roger Lewentz (SPD) nach seiner Aussage im Untersuchungsausschuss des Landtags von Rheinland-Pfalz zur Flutkatastrophe (Foto: dpa Bildfunk, Picture Alliance)

Zweifel an Glaubwürdigkeit eines Ministeriumsmitarbeiters

Flutkatastrophe: Innenministerium rückt zunehmend in den Fokus

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Dirk Rodenkirch
Dirk Rodenkirch  (Foto: ARD-Hauptstadtstudio/Jens Müller )

Bei der Aufarbeitung der Flutkatastrophe an der Ahr gerät das rheinland-pfälzische Innenministerium zunehmend in Bedrängnis. Nun gibt es Zweifel an der Glaubwürdigkeit eines Ministeriumsmitarbeiters.

Der damalige Dienstgruppenleiter im Lagezentrum des Innenministeriums, Markus Brugger, hatte am vergangenen Freitag im Untersuchungsausschuss des Landtags als Zeuge ausgesagt. Nach Auswertung der Vernehmung spricht Stephan Wefelscheid von Ungereimtheiten. Der Obmann der Freien Wähler meint: "Entweder sagte der Zeuge Brugger in seiner Vernehmung nicht die Wahrheit oder er war in Anbetracht der Lage komplett überfordert."

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Dringende Appelle verhallten offenbar im Lagezentrum des Innenministeriums

Der Dienstgruppenleiter hatte am Flutabend unter anderem einen Anruf von Umwelt-Staatssekretär Erwin Manz (Grüne) erhalten. Manz hatte im März im U-Ausschuss über dieses Telefonat berichtet, das um 22.24 Uhr stattgefunden habe. Darin appellierte der Staatssekretär nach eigenen Angaben an das Lagezentrum, alle möglichen Kräfte zu mobilisieren, unter anderem die Bundeswehr, weil an der Ahr Menschen gerettet werden müssten und das Wasser bis zum ersten Stock der Häuser stehe.

Brugger erklärte dazu im Ausschuss: "Kann mich nicht erinnern, dass ich aufgrund dieses Anrufes von Manz etwas veranlasst hätte." Er könne auch nicht bestätigen, dass von dem Anruf ein dringender Appell ausgegangen sei. Der Dienststellenleiter wurde offenbar auch nicht aktiv, nachdem er diverse Anrufe aus der Führungszentrale des Polizeipräsidiums Koblenz erhalten hatte, dass dringend Kräfte benötigt werden. An Details der Telefonate konnte er sich im Ausschuss nicht mehr erinnern.

Wefelscheid: Lewentz wurde möglicherweise erst sehr spät informiert

Stephan Wefelscheid hat Zweifel an der Glaubwürdigkeit Bruggers, "da dessen Schilderung sich auch nicht mit den Schilderungen weiterer Zeugen deckt". Sollte sich bestätigen, "dass Brugger schlicht überfordert war, würde das erklären, warum der Innenminister erst so spät über die tatsächliche Lage informiert wurde", so Wefelscheid.

Die anderen Oppositions-Fraktionen werfen Innenminister Roger Lewentz (SPD) bereits Führungsversagen vor. CDU-Obmann Dirk Herber sagte: "Es wäre die Aufgabe von Innenminister Lewentz und ADD-Präsident Linnertz gewesen, ihre Häuser tatsächlich und persönlich zu führen und die bestmögliche Informationsbeschaffung anzuordnen. Ein erstes, noch unvollständiges Lagebild konnte aufgrund dieses Versagens erst am Morgen des 15. Juli 2021 erstellt werden."

Auch Michael Frisch von der AfD sieht die Verantwortung in jedem Fall beim Innenminister: "Entweder hat man ihn nicht ausreichend informiert oder er hat die Lage völlig falsch eingeschätzt. In beiden Fällen trägt er die politische Verantwortung für folgenschwere Fehler, die viele Menschenleben gekostet haben dürften." Lewentz hatte stets erklärt, er sei am Abend des 14. Juli 2021 von einer schweren, aber beherrschbaren Hochwassersituation ausgegangen.

Innenminister soll sich zu neuen Erkenntnissen erklären

Im Untersuchungsausschuss berichtete nun der Fernsehjournalist Willi Willig, er habe damals gegen 19.45 Uhr mit Lewentz telefoniert, kurz nachdem dieser die Technische Einsatzleitung im Kreis Ahrweiler verlassen hatte. Lewentz habe in dem Telefonat berichtet, ein Haus in Schuld sei eingestürzt und der Minister habe die Zustände als "katastrophal und wirklich schlimm" geschildert, so Willig. Lewentz habe aber nicht den Eindruck gemacht, als erwarte er, dass die Lage dramatisch werden könne, oder als hätte er von irgendwem darauf einen Hinweis bekommen.

Der AfD-Politiker Frisch forderte den Innenminister auf, "sich zu diesen neuen Erkenntnissen zu erklären". Die CDU hatte schon vor Wochen erklärt, dass Lewentz erneut vor den Untersuchungsausschuss geladen werden sollte.

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